Bundesregierung: So kommunal sind die neuen Kabinettsmitglieder der SPD
Die SPD hat ihr Regierungsteam vorgestellt. Welche kommunalpolitischen Erfahrungen bringen die Minister*innen mit in die neuen Ämter? Die Redaktion hat den DEMO-Kommunal-Check gemacht.
Florian Gaertner
Am 5. Mai wurde das SPD-Team für die neue Bundesregierung offiziell vorgestellt.
Was die Bundesregierung entscheidet, wirkt sich häufig auf die politische Arbeit in den Städten und Gemeinden aus. Manche Kabinettsmitglieder wissen das aus eigener Erfahrung. Die DEMO hat das Regierungsteam einem – nicht ganz ernst gemeinten – Kommunal-Check unterzogen: Wie viel Kommunalpolitik steckt im Kabinett? Die Ergebnisse gibt es hier in unserer Bildergalerie:
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Felix Zahn/photothek.net
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Lars Klingbeil, designierter Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler:
Klingbeil, Jahrgang 1978, hat sich auf seinem Weg in die Politik schon früh auf kommunalpolitischer Ebene engagiert. Erste politische Lorbeeren entete er schon als Schülersprecher am Gymnasium, als er sich für einen „Diskobus“ und damit für mehr Verkehrssicherheit für Jugendliche einsetzte. Als Student war er Stadtrat in Munster. Im Jahr 2006 wurde er zum Kreistagsabgeordneten im Heidekreis gewählt. „17 Jahre Kommunalpolitik haben mich geprägt“, wie er auf seiner persönlichen Webseite mitteilt. Er betont auch, wie wichtig ihm die Verbindung der kommunalen Ebene mit der Bundespolitik ist. Als SPD-Bundesvorsitzender hat er aktiv daran gearbeitet, diese Verbindung zu stärken.
Kommunal-Skala: 4 von 5. Er weiß, was die Kommunen leisten und kennt ihre Sorgen und Nöte.
Bärbel Bas, designierte Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Bärbel Bas, 1968 in Duisburg geboren, hat in ihrer politischen Karriere umfangreiche Meriten als Kommunalpolitikerin erworben. Die Tochter eines Busfahrers und einer Hausfrau war von 1994 bis 2002 Stadträtin in Duisburg. Zuvor, ab 1990, hatte sie sich bei den Duisburger Jusos engagiert. „Ich finde es richtig, dass ich mit der Parteiarbeit an der Basis begonnen habe und Erfahrungen in der Kommunalpolitik sammeln konnte”, betont sie auf der Webseite des Deutschen Bundestags. Im Rat arbeitete sie in der Jugend- und Gesundheitspolitik. Nach der Zeit im Stadtrat engagierte sie sich im Regionalvorstand Niederrhein der SPD.
Kommunal-Skala: 4 von 5. Acht Jahre Stadtratsarbeit prägen fürs Leben.
Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung:
Boris Pistorius, geboren 1960 in Osnabrück, ist tief in der kommunalpolitischen Familie verwurzelt. Er war vor seinem Wechsel in die Landes- und Bundespolitik zweiter Bürgermeister der Stadt Osnabrück (1999 – 2002) und anschließend führte er die Geschicke der Stadt als Oberbürgermeister (2006 bis 2013). Zahlreiche Konversionsprojekte für mehr Wohnraum, Ausbau des Kitanetzes, Maßnahmen für mehr IT-Sicherheit, das Eintreten für Osnabrück als „Friedensstadt“ prägten seine Amtszeit als OB. Er betont in Interviews häufig, dass ihn die Kommunalpolitik geprägt habe. Nah am Menschen zu sein, zuzuhören, was die Menschen zu sagen haben, pragmatisch agieren – dieser Politikstil dürfte zu den hohen Beliebtheitswerten des niedersächsischen Spitzenpolitikers in Umfragen beitragen.
Kommunal-Skala: ganz klar eine 5 von 5. Seine Karriere hat ihr Fundament in der Kommunalpolitik.
Verena Hubertz, designierte Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen:
Der politische Werdegang der 37-jährigen SPD-Politikerin aus Trier begann direkt auf der bundespolitischen Ebene, als sie 2021 mit einem Direktmandat in den deutschen Bundestag einzog. Sie war in der zurückliegenden Legislatur Mitglied in den Ausschüssen für Tourismus und Wirtschaft sowie Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen (letzteres stellvertretend). im SPD-Fraktionsvorstand kümmerte sie sich um die Themen Bauen und Wohnen. Sie kennt daher die Herausforderungen der Städte und Gemeinden bei Themen wie Wohnungsbau oder Innenstadtbelebung. Die Betriebswirtin und Unternehmerin – sie gründete das Start-up „Kitchen Stories“ – bringt Durchsetzungsstärke und den Willen mit, etwas zu gestalten. In die SPD ist sie vor 15 Jahren eingetreten, weil sie sich für mehr Gerechtigkeit und Anliegen wie den Mindestlohn einsetzen wollte.
Kommunal-Skala: 3 von 5. Hubertz ist keine gelernte Kommunalpolitikerin, aber kennt sich mit Wirtschaft und Digitalisierung aus. Das dürfte ihr helfen, das Bauwesen voranzutreiben. In ihrer Fraktions hat sie sich in der vergangenen Wahlperiode mit zentralen kommunalen Themen befasst.
Carsten Schneider, designierter Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit:
Carsten Schneider ist Jahrgang 1976 und gebürtiger Erfurter. Er wurde bereits mit 22 Jahren als damals jüngster Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt und ist seitdem ununterbrochen Abgeordneter der SPD-Fraktion. Kommunalpolitische Mandate oder Ämter hatte er nie inne, als Abgeordneter kennt er aber die Herausforderungen in seinem Wahlkreis Erfurt, Weimar und Weimarer Land. Er war zuletzt Ostbeauftragter der Bundesregierung. In dieser Funktion hat er sich auch für die Belange von Kommunalpolitiker*innen eingesetzt, etwa wenn es um Anfeindungen und Übergriffe gegen Mandatsträger ging. In seinem Amt hat er sich vielfach mit Bürgermeister*innen getroffen und ausgetauscht, etwa auf Sommerreisen oder als er ostdeutsche Oberbürgermeister*innen und Bürgermeister*innen ins Kanzleramt eingeladen hat.
Kommunal-Skala: 2 von 5. Durch langjährige Erfahrung als Abgeordneter im Berliner Politikbetrieb und thematische Vielseitigkeit hat Schneider ein Gespür für Herausforderungen in Landkreisen und Städten entwickelt.
Dr. Stefanie Hubig, designierte Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz:
Hubig (geboren 1968) war Richterin und Staatsanwältin, bevor sie als Referentin ins Bundesjustizministerium wechselte. Damit begann eine beachtliche Behörden-Karriere auf ministerieller Ebene. 2016 wurde Hubig zur Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz ernannt. Neun Jahren lang übte sie dieses Amt aus. Sich eng mit Bürgermeister*innen und Landrät*innen auszutauschen, gehörte zum Job – nicht nur, als es darum ging, die Schulen durch die Corona-Pandemie zu steuern. Eigene kommunalpolitische Erfahrungen hat Hubig nicht gesammelt, soweit es aus ihren offiziellen Lebensläufen zu entnehmen ist.
Kommunal-Skala: 2 von 5. Hubig weiß, wie Verwaltungen funktionieren, auch wenn sie nie klassische Kommunalpolitikerin war.
Reem Alabali-Radovan, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
Als Kind irakischer Eltern kam Alabali-Radovan 1990 in Moskau zur Welt. 1996 erhielt die Familie Asyl in Deutschland. Sie wuchs in Mecklenburg-Vorpommern auf. 2021 zog Alabali-Radovan als Wahlkreissiegerin in den Bundestag ein und wurde schon ein knappes Jahr später zur Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (seit 2022 auch für Antirassismus) ernannt. In dieser Funktion unterstützte sie die Gründung von „Kommunalen Allianzen und Stategien gegen Rassismus und Hass“. Ein kommunalpolitisches Amt oder Mandat ist in ihrer Vita nicht verzeichnet. Dafür verfügt sie über Verwaltungserfahrung, etwa als ehemalige Sachbearbeiterin im Landesamt für innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern.
Kommunal-Skala: 2 von 5. Alabali-Radovan ist selbst keine Kommunalpolitikerin, tauscht sich aber seit Jahren eng mit den Städten und Gemeinden aus.
Elisabeth Kaiser, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland:
Die gebürtige Thüringerin (* 1987) ist seit 2018 Kreisvorsitzende der SPD Gera. 2017 wurde die Politikwissenschaftlerin erstmals in den Bundestag gewählt. Ein kommunalpolitisches Amt oder Mandat hat Kaiser bisher nicht bekleidet. Dafür spielen die Kommunen seit Jahren eine gewichtige Rolle in ihrer bundespolitischen Arbeit. Lange Zeit gehörte sie dem Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen an und war seit April 2023 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
Kommunal-Skala: 3 von 5. Auch ohne eigene kommunalpolitische Erfahrungen hat Kaiser die Sorgen und Nöte der Gemeinden nachgewiesenermaßen im Blick.
Natalie Pawlik, designierte Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration:
Pawlik wurde 1992 in Russland geboren. im Alter von sechs Jahren siedelte sie mit ihrer Familie nach Hessen über. Hier wuchs sie im Wetteraukreis auf, wo sie sich auch kommunalpolitisch engagiert. Seit 2011 ist sie Stadtverordnete in Bad Nauheim. 2016 wurde sie zudem in den Kreistag Wetterau gewählt. Laut SPD-Fraktionshomepage setzt sie sich unter anderem dafür ein, den lokalen Handel und die Wirtschaft zu stärken. Dem Deutschen Bundestag gehört Pawlik seit 2021 an. Im April 2022 wurde sie zur Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ernannt.
Kommunal-Skala: 4 von 5. In der Kommunalpolitik kennt sich Pawlik aus.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.