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Der rote Bierkasten

Die Architektur des Dortmunder Rathauses gefällt nicht allen. Dafür erfüllt es energetische Neubaustandards und hat sich als „Haus der Demokratie” bewährt.
von Petra Kappe · 29. Mai 2024
Das aktuelle Dortmunder Rathaus wurde im Stil der Moderne gebaut. In den ­vergangenen Jahren hat man es aufwendig saniert.

Quadratisch, praktisch, gut“, lautet der spontane Kommentar eines Dortmunders zu dem „neuen Rathaus“ seiner Stadt. „Ein architektonisch nicht sehr gelungener Zweckbau“, sagt der nächste. „Also nichts, was man mögen müsste“, sind sich beide einig. Begeisterung für den Bau in der Stadtmitte – innerhalb der längst zur mehrspurigen Straße mutierten mittelalterlichen Wälle – klingt da nicht an. Die brandet allerdings auf, wenn die Sprache auf das Leben rund ums Rathaus kommt.

Westphal: „Leuchtfeuer der Demokratie“

Auf dem großen Platz treffen sich die Fußballfans zum Rudelgucken, locken kulinarische Events zum Genuss, lassen Musikbands ihre Kunst hören oder tun Demonstranten ihre Meinung kund. An der Friedenssäule in der Mitte des Platzes legen Bürgerinnen und Bürger aus immer wieder gegebenem Anlass Blumen nieder, die kein Ordnungsamt eilig wegräumt. Der Markt ist einen Platz weitergezogen, doch vor dem neuen Rathaus tobt das Leben weiter.

Das ist ganz im Sinne von Oberbürgermeister Thomas Westphal, der das soeben nach aufwendiger Sanierung wiedereröffnete Rathaus als „Bürger­rathaus“ bezeichnet und betont: „Dieses Rathaus soll ein Leuchtfeuer der Demokratie sein.“ Deshalb seien über 200 Schülerinnen und Schüler die ersten Gäste nach der mehr als dreijährigen Modernisierung gewesen. Das Dortmunder Rathaus sei „auch Haus der Demokratie“, und Demokratie müsse man immer wieder in jeder Generation lernen. Deshalb haben Kinder und Jugendliche das Rathaus eröffnet. Es sei eben „kein abstrakter Ort der Macht, sondern gerade auch ihr Ort“, so Westphal.

Den Demokratiegedanken hatte 1987 auch der damalige Oberbürgermeister Günter Samtlebe hervorgehoben, als er am 23. Mai – dem Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes – den Grundstein für das neue Rathaus legte. Auf den Neubau „konzentrieren sich die ganz selbstverständlichen Ansprüche des Bürgers nach Identifikation“, sagte der Sozialdemokrat damals, und in der im Grundstein für die Nachwelt hinterlegten Urkunde heißt es, der Bau sei „Signal der Zuversicht sowie Beweis des Vertrauens und des Mutes in die Zukunft“.

Samtlebe erinnerte an die Inschrift des Alten Rathauses „Erst wägen, dann wagen“. Das erste Rathaus der Stadt Dortmund hatte ab 1241 an der Süd­seite des ­Alten Marktes gestanden. Bis zu seinem endgültigen Abriss 1955 war es das ­älteste steinerne Rathaus des deutschen Sprachraums nördlich der Alpen. Das Gebäude war bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden. Als Rathaus genutzt worden war es schon seit dem vorherigen Jahrhundert nicht mehr. Am 11. August 1899 hatte Kaiser Wilhelm II. das Alte Stadthaus an der Olpe als neuen Verwaltungssitz eingeweiht.

Bürgerhalle mit gläserner Kuppel

Mitte der 1970er Jahre wurde beschlossen, direkt gegenüber das moderne Dortmunder Rathaus zu bauen. Verwirklicht wurde das Vorhaben 1987 bis 1989 nach einem Entwurf von Dieter und ­Ulrike ­Kälberer. Die Bürgerschaft sprach – passend zur Brauereitradition der Stadt – rasch vom „roten Bierkasten“. Das hatte weniger mit der politischen Landschaft in der „Herzstadt der Sozialdemokratie“ zu tun, als mit der Farbe der Fassade: Der quadratische, fünfgeschossige Bau ist mit rötlichen Granitplatten verkleidet.

Im Zentrum des Rathauses befindet sich die Bürgerhalle, die von einer gläsernen Kuppel überspannt wird. Die Hauptfront ist zum Friedensplatz hin ausgerichtet und wird durch ein weißes, stählernes Gerüst betont, das wie ein Portal wirkt und auf die Bedeutung der Stahlindustrie in der Geschichte der Stadt verweist.

Das 1989 eröffnete Rathaus wurde von 2020 bis 2024 saniert, um es energetisch zu verbessern und für die Zukunft fit zu machen, wie die Stadtverwaltung es beschreibt. Die Sanierung berücksichtigte Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes. Große Teile der 2.500 Quadratmeter Dachfläche sind begrünt, halten Regenwasser zurück, verbessern die Wärmedämmung und den Schallschutz. Der Ratssaal wurde transparenter gestaltet und mit Schienensystemen flexibler möbliert.

Die Corona-Pandemie und ein Wasserschaden sorgten für Umplanungen und Zwangspausen – und am Ende auch für höhere Kosten. Die krisenbedingten Teuerungsraten in der Bauwirtschaft ­kamen noch dazu, sodass die Investitionen schließlich bei 39,07 Millionen Euro für den Rathausumbau und 8,44 Millionen Euro für das Sonderprojekt Ratssaal lagen.

Das sanierte Gebäude habe nun einen Primärenergiebedarf von 29 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, sagt die Stadtverwaltung und spricht von einem „Topwert nach Neubaustandard“. Sie erwartet, dass „die wesentlich geringeren Betriebskosten den städtischen Haushalt langfristig entlasten“ werden.

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