Geschlechtseintrag: Neues Selbstbestimmungesetz tritt in Kraft
Wer seinen Namen und Geschlechtseintrag bei den Behörden ändern will, benötigt keine gerichtliche Entscheidung mehr. Seit dem 1. November 2024 gilt das neue Selbstbestimmungsgesetz. Umsetzen müssen es die Kommunen.
IMAGO / Bernd Elmenthaler
Kundgebung vor dem Bundestag zum Selbstbestimmungsgesetz im April 2024. Zu sehen ist die „Inter* Inclusive Pride Flag”, die nicht nur Schwule, Lesben und Bisexuelle, sondern unter anderem auch Trans*gender, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen einbezieht.
Betroffene haben es oft als entwürdigende Tortur empfunden: Wer seinen Geschlechtseintrag und Vornamen in den Ausweisdokumenten ändern lassen wollte, musste bisher ein aufwendiges und teures Verfahren durchlaufen. Dazu gehörten zwei Gutachten von Sachverständigen und ein Gerichtsbeschluss. Bis zum Jahr 2011 mussten sich transgeschlechtliche Personen sogar sterilisieren lassen, wenn sie ihren Personenstand anpassen wollten.
Seit dem 1. November ist ein neues Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft. Damit gelten neue Regeln für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen (gemeint sind Personen, die sich nicht mit dem bei Geburt zugeteilten Geschlecht identifizieren, deren körperliche Geschlechtsmerkmale sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen oder die sich gar keinem Geschlecht zugehörig fühlen.)
Geschlechtseintrag ändern wird einfacher
Nun genügt eine einfache Erklärung beim Standesamt, um den Geschlechtseintrag und Vornamen im Personenstandsregister ändern zu lassen. Eine ärztliche Bescheinigung ist nicht notwendig. Für die Änderung muss mindestens drei Monate zuvor ein Termin bei der Behörde vereinbart werden – diese Frist gilt zugleich als Bedenkzeit. Die betreffenden Personen können entscheiden, ob sie „männlich“, „weiblich“, „divers“ oder gar keinen Geschlechtseintrag eintragen lassen möchten. Frühestens nach einem Jahr können die Angaben erneut geändert werden. Minderjährige benötigen das Einverständnis ihrer Eltern oder Sorgeberechtigten, um den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern zu lassen.
Mit einer Namensänderung verlieren die bisherigen Ausweisdokumente ihre Gültigkeit. Personalausweis oder Reisepass sollten deshalb unverzüglich neu beantragt werden. Dazu kommen gegebenenfalls weitere Dokumente wie der Führerschein, die ebenfalls geändert werden müssen, wenn die betreffende Person dies möchte. Um den Namen auch im Melderegister ändern zu lassen, ist kein weiterer Antrag nötig. Darum kümmert sich das Standesamt.
Zusätzliche Arbeit für Kommunen?
Zu welchem Mehraufwand das neue Gesetz bei den kommunalen Behörden führt, lässt sich bisher nicht eindeutig beantworten. Die Zahl der gerichtlichen Verfahren, die bisher für eine Änderung des Geschlechtseintrages nötig waren, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Im Jahr 2012 lag sie bei 1.417, im Jahr 2021 wollten 3.232 Personen ihren Eintrag ändern lassen. Die Bundesregierung schätzt, dass mit der neuen Gesetzeslage im Durchschnitt 4.000 Anträge pro Jahr gestellt werden. Zu Beginn könne die Zahl höher liegen, weil viele Menschen mit ihrem Antrag darauf gewartet haben, bis das neue Gesetz in Kraft tritt. In Medienberichten, die auf Recherchen bei Standesämtern basieren, ist von 6.000 bis 15.000 Anträgen die Rede, die zum Start des SGBB von den Behörden bearbeitet werden müssen.
Die kommunalen Spitzenverbände haben im November 2023 anlässlich eine Ausschuss-Anhörung im Bundestag zu dem Gesetz Stellung genommen. Sie begrüßten das Gesetz, widersprachen aber vehement der Einschätzung der Bundesregierung, dass damit kein Mehraufwand für die Kommunen entstehe. Die Bundesregierung hatte pro Bürger*in etwa eine halbe Stunde veranschlagt, um die Änderung des Geschlechtseintrages zu beurkunden. Aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände wird das nicht reichen, auch weil ein „nicht unerheblicher“ Beratungsbedarf zu erwarten sei. Zudem seien Fortbildungen nötig, um die neuen Regeln umsetzen zu können.
Weitere Informationen zum „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)“: Internetseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.