Kommunen rutschen ins Defizit – investieren aber trotzdem
Es gleicht einem Hase-und-Igel-Spiel: Die Kommunen versuchen, ihren gewaltigen Investitionsrückstand aufzuholen. Doch auf jeden Schritt voran folgt ein Rückschlag; das Ziel rückt immer wieder in weite Ferne. Nach Einschätzung der Kämmer*innen beläuft sich der Investitionsrückstand derzeit auf 147 Milliarden Euro – so hat es das KfW-Kommunalpanel 2020 ermittelt. Das sind neun Milliarden Euro mehr als die Vorjahresbefragung ergeben hatte. Dabei sind die Städte, Gemeinden und Kreise alles andere als untätig und haben in den vergangenen Jahren zunehmend Geld in die Hand genommen. Doch steigende Investitionsausgaben wurden teils durch höhere Baupreise wieder aufgefressen. Und nun erschwert auch noch die Corona-Pandemie den Haushälter*innen, langfristig zu planen.
Defizit wächst deutlich
Nun hat das Statistische Bundesamt neue Zahlen zu den Gemeindefinanzen veröffentlicht. Demnach wiesen die Gemeinden und Gemeindeverbände – ohne Stadtstaaten – im ersten Halbjahr 2019 ein Finanzierungsdefizit von 9,7 Milliarden Euro auf. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2019 hatte das Defizit nur 0,3 Milliarden betragen. Hauptgrund für diese Entwicklung waren die Einnahmeausfälle im zweiten Halbjahr infolge der Corona-Krise.
Das Statistische Bundesamt meldet dazu:
- Die bereinigten Einnahmen der Kommunen sind im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr um 1,1 Prozent beziehungsweise 1,5 Milliarden Euro zurückgegangen und liegen nun bei 127,4 Milliarden Euro.
- Die Steuereinnahmen sind um 10,6 Prozent niedriger ausgefallen (-4,7 Milliarden Euro auf nun 39,6 Milliarden).
- Besonders betroffen sind die Gewerbesteuereinnahmen: Netto sind sie um 21,3 Prozent eingebrochen – den Kommunen fehlen dadurch 5,2 Milliarden Euro in den Kassen.
- Weil kommunale Einrichtungen geschlossen werden mussten, haben die Kommunen weniger Verwaltungs- und Benutzungsgebühren eingenommen. Das Minus beträgt hier 8,8 Prozent beziehungsweise 1,4 Milliarden Euro.
- Ein Teil dieser Verluste wurde allerdings von den Ländern ausgeglichen. Sie erhöhten die Schlüsselzuweisungen um 3,1 Milliarden Euro (+ 14,1 Prozent) und die zweckgebundenen Zuweisungen um 1,3 Milliarden Euro (+ 11,7 Prozent). Die Investitionszuweisungen wurden um 0,9 Milliarden Euro erhöht (+28,9 Prozent).
Hilfspaket noch nicht berücksichtigt
Was sich in den Zahlen noch nicht widerspiegelt, ist der kommunale Solidarpakt, den der Bund beschlossen hat. Gemeinsam mit den Ländern will er den Kommunen die ausgefallenen Gewerbesteuern ersetzen. Somit ist auch das errechnete Defizit von fast zehn Milliarden Euro nur ein Zwischenstand, weil die Corona-Hilfe von Bund und Ländern erst in der zweiten Jahreshälfte voll zum Tragen kommt.
Höhere Ausgaben
Trotz der Krise haben die Kommunen ihre Ausgaben nicht zurückgefahren, sondern gesteigert. Und zwar gegenüber dem Vorjahreshalbjahr um 6,2 Prozent beziehungsweise acht Milliarden Euro. (Die Gesamtausgaben lagen damit bei 137,1 Milliarden.) Die Sachinvestitionen wurden um 2,2 Milliarden Euro erhöht (+ 16 Prozent). Das geht vor allem auf gestiegene Ausgaben für Baumaßnahmen zurück (+ 1,7 Milliarden). Aber auch für investive Ausrüstung wurde mehr Geld ausgegeben – darunter fallen auch Intensivbetten und medizinische Ausrüstung.
Mehr Geld haben die Gemeinden und Gemeindeverbände auch für laufende Sachaufwendungen ausgegeben (+ 0,9 Milliarden). Hierzu zählt zum Beispiel Laborausstattung. Die Personalausgaben sind um 1,6 Milliarden gestiegen (+ 4,7 Prozent). Die Sozialleistungen sind verglichen mit dem ersten Halbjahr 2019 relativ stabil geblieben (+ 120 Millionen Euro beziehungsweise 0,4 Prozent).
Städtetag: Investitionen gehen weiter – vorerst
Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, kommentiert: „Dank der guten Entwicklung in den Vorjahren konnten die Städte in Schulen, Kitas, Digitalisierung oder Verkehr investieren. Das wird bis zum Jahresende trotz Corona weitergehen, weil Bund und Länder die Gewerbesteuerverluste für 2020 ausgleichen.“
Dedy befürchtet jedoch, dass die Städte im nächsten Jahr nicht mehr wie geplant investieren können. Viele Projekte liefen über mehrere Jahre und stünden jetzt auf der Kippe. „Im nächsten Jahr fehlen bundesweit allein bei der Gewerbesteuer – der wichtigsten kommunalen Steuer – mehr als sechs Milliarden Euro.“ Wenn die Kommunen geplante Investitionen streichen müssten, wäre das laut Dedy schlecht für die Menschen in den Städten, aber auch für Handwerk und Wirtschaft. Er fordert deshalb, dass Bund und Länder auch 2021 und 2022 Hilfen bereitstellen. Dies würde auch helfen die Konjunktur wieder in Gang zu bringen, merkt Dedy an.
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Pressemitteilung Destatis
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.