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SPD-Abgeordneter zu Gesundheitsgesetz: „Das wird zu Recht kritisiert”

Ein neues Gesetz soll die Gesundheitsversorgung in den Kommunen stärken. Im fertigen Regierungsentwurf fehlen Elemente, die den Kommunen wichtig waren. Der SPD-Abgeordnete Dirk-Ulrich Mende hofft auf Nachbesserungen im Bundestag.
von Carl-Friedrich Höck · 12. Juni 2024
Dirk-Ulrich Mende ist SPD-Bundestagsabgeordneter. Er war von 2009 bis 2017 Oberbürgermeister der Stadt Celle.

Dirk-Ulrich Mende (SPD) war von 2009 bis 2017 Oberbürgermeister von Celle. Seit 2021 gehört er als Abgeordneter dem Deutschen Bundestag an. Er ist Mitglied im Gesundheitsausschuss des Parlaments und stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Kommunalpolitik in der SPD-Bundestagsfraktion.

DEMO: Die Bundesregierung hat den Entwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) vorgelegt. Was bringt das Gesetz den Kommunen?

Dirk-Ulrich Mende: Eines vorneweg: Wir müssen feststellen, dass die ärztliche Versorgung in den Kommunen schlechter wird, und zwar nicht nur auf dem Lande. Dabei haben wir ein sehr teures Gesundheitssystem. Andere Länder erreichen mit weniger Geld mehr, nämlich bessere Lebensqualität und längere Lebenserwartung.

In diesen Punkten muss Deutschland besser werden, das war der Ausgangspunkt für das Gesetz. Aus kommunaler Sicht muss man sagen: Eigentlich wollten wir mit dem Gesetz noch ganz andere Dinge regeln, die im Kabinettsbeschluss aber gar nicht mehr vorkommen.

Was meinen Sie?

Das Gesetz sollte Gesundheitsregionen und Gesundheitskioske neu regeln. Gesundheitsregionen sind ein Ansatz, um die vielen niedergelassenen Gesundheitsdienstleister besser miteinander zu verflechten. Und Gesundheitskioske sind niedrigschwellige Beratungsangebote, die zum Beispiel denjenigen helfen sollen, die mit unserem deutschen Gesundheitssystem noch nicht vertraut sind. Beides wollten wir stärken. In den Referentenentwürfen war das auch enthalten. Nun hat man diese Punkte rausgestrichen. Das wird auch von den kommunalen Spitzenverbänden zu Recht kritisiert.

Warum ist das passiert?

Wir sind in einer Koalition mit drei Parteien, und eine Partei hat offensichtlich nicht mitgemacht. Nach meinem Eindruck waren das weder die SPD noch die Grünen. Jetzt müssen wir gucken, was die SPD im parlamentarischen Verfahren wieder ins Gesetz hineinverhandeln kann. Es wäre gut, wenn die Gesundheitskioske kämen und es gelingen würde, Gesundheitsregionen zu implementieren. Denn es ist wichtig, dass wir niederschwellige Angebote machen und die verschiedenen Akteure der Gesundheitsversorgung besser miteinander vernetzen.

Ich denke allerdings nicht, dass wir deutschlandweit 1.000 Gesundheitskioske brauchen, wie es das Bundesgesundheitsministerium ursprünglich als Ziel ausgegeben hat. Ich sehe den Bedarf eher im zweistelligen Bereich. Damit können wir die großen Städte abdecken, wo viele Menschen einen einfacheren Zugang in das Gesundheitssystem brauchen, weil sie nicht mit unserem Gesundheitssystem aufgewachsen sind.

Das Gesetz soll auch die Gründung kommunaler Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) erleichtern. Welche Vorteile haben diese?

Das Gesetz ermöglicht es Kommunen, MZVs in Form einer GmbH zu initiieren. Und es begrenzt die Höhe der Bürgschaften, die Kommunen bei der Gründung eines MVZ abgeben müssen. Das ist gut und ein weiterer Baustein, damit mehr MVZs entstehen.

Die MVZs sind in ihrer gegenwärtigen Form aber leider nicht so, wie wir sie auf der kommunalen Ebene brauchen. Als Landrat oder Bürgermeister im ländlichen Raum würde ich mir wünschen, dass im MVZ verschiedene Arztberufe zusammengespannt werden: Dass also möglichst eine Gynäkologin drin ist, ein Allgemeinmediziner, eine Kinderärztin und vielleicht auch noch ein Internist. Dann könnten die Leute ins MVZ kommen und hätten an einem Ort Fachärztinnen und -ärzte, die alles abdecken können, was man sofort braucht.

Als 2002 die Medizinischen Versorgungszentren zugelassen wurden, war das auch noch möglich. Aber dann kam die Sorge auf, die Ärztinnen und Ärzte könnten sich die Patienten gegenseitig überweisen, um so bei den Versicherungen mehr Geld abrechnen zu können. Also hat man das verboten. Als Folge haben wir jetzt MVZs, wo oft nur Gynäkologen drin sind oder nur Augenärztinnen. Das hilft mir auf dem Land wenig. Deshalb hoffe ich, dass wir auch an dieser Stelle noch Änderungen am Gesetz vornehmen können.

Manche Kommunen haben Schwierigkeiten, überhaupt noch einen Hausarzt oder eine Hausärztin zu finden. Nun soll dieser Beruf wieder finanziell attraktiver werden, unter anderem durch „Entbudgetierung“. Was heißt das?

Im Grundsatz bedeutet Budgetierung: Ich darf nicht mehr veranlassen in meiner hausärztlichen Praxis, als der Durchschnitt veranlasst. Ich darf also zum Beispiel nicht deutlich mehr Blutbilder machen als andere Praxen, weil sonst die Krankenkasse sagt: das zahlen wir nicht mehr. Aber viele Praxen kommen an den Punkt, wo sie von dem einen oder anderen zu viel machen und das dann nicht mehr bezahlt bekommen.

Mit der Entbudgetierung wird diese Regelung abgeschafft. In vielen Regionen Deutschlands spielt sie schon jetzt keine große Rolle mehr. Ich denke, es ist das richtige Zeichen an die Ärzteschaft, dass man sagt: Wir vertrauen euch, dass ihr nicht missbräuchlich unnötige Behandlungen abrechnet.

Das GVSG soll dem Titel nach eigentlich die „Gesundheitsversorgung in der Kommune“ stärken. Die vom Kabinett beschlossene Fassung enthält aber überwiegend Punkte, die Details der gesetzlichen Krankenversicherung neu regeln. Oder sehen Sie das anders?

Diesen Eindruck teile ich leider. Wir werden versuchen, in den Beratungen im Bundestag noch etwas mehr für die Kommunen herauszuholen, sodass das Gesetz seinem Titel wieder mehr gerecht wird. Zwar ist in erster Linie die Kassenärztliche Vereinigung dafür zuständig, die Gesundheitsversorgung zu sichern, das ist eigentlich gar nicht die Aufgabe der Kommunen. Aber die Bürgerinnen und Bürger lassen es keinem Bürgermeister und keiner Landrätin durchgehen, wenn die Versorgung vor Ort nicht mehr stimmt. Und wenn die Kommunen letztlich für Probleme in Haft genommen werden, müssen wir ihnen auch Instrumente an die Hand geben, damit sie etwas ändern können.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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