Auswertung des 9-Euro-Experiments

DIW-Studie dämpft Erwartungen ans Deutschlandticket

Uwe Roth06. April 2023
Das 9-Euro-Ticket hat kaum dazu geführt, dass Autofahrende auf Öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Zu diesem Schluss kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer Untersuchung. Die Erkenntnisse lassen sich auch auf das neue Deutschlandticket übertragen.

Kaum läuft der Vorverkauf für das Deutschlandticket, veröffentlicht das in Berlin ansässige Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie, die vor zu großen Erwartungen warnt. Die Forschenden tun dies mit einem Blick zurück auf das 9-Euro-Ticket, das zwischen Juni und August 2022 angeboten wurde und ebenfalls deutschlandweit im Nahverkehr gültig war. Der Verkehrsökonom Dennis Gaus und sein Team haben während dieser drei Monate Bewegungsdaten und repräsentative Umfragen ausgewertet.

Ihr Ergebnis: Das 9-Euro-Ticket habe kaum Autofahrten ersetzt, sondern vielmehr Wege mit dem Fahrrad oder den Gang zu Fuß. Zudem sei das subventionierte Ticket mehr für Ausflugsfahrten als für den Weg zur Arbeit genutzt worden. Günstige Mobilitätsangebote wie das 9-Euro-Ticket führten in der Alltagsmobilität demnach nicht dazu, dass mehr Wege mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) statt mit dem Auto zurückgelegt werden. Ihr ernüchterndes Urteil dazu: „Vor diesem Hintergrund bleibt fraglich, ob das zum 1. Mai 2023 startende Deutschlandticket wirklich zu einem nennenswerten Umstieg hin zum ÖPNV führen wird.“

Für Berufsfahrten bleibt das Auto Favorit

Die Erkenntnisse der DIW-Forschenden decken sich mit den Aussagen anderer Wissenschaftler*innen. Zum Beispiel wies Claudia Nobis vom Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bereits im vergangenen Herbst darauf hin, dass das 9-Euro-Ticket überwiegend in der Freizeit genutzt worden sei. Nur sieben Prozent der Befragten hätten damals angegeben, es für die Fahrt zur und von der Arbeit zu nutzen. Ihr Fazit: „Es konnten in den drei Monaten zwar deutliche Veränderungen des Mobilitätsverhaltens beobachtet werden. Daraus dürfen aber keine langfristigen Verhaltensänderungen großer Teile der Bevölkerung abgeleitet werden.“

Nun bestätigt das die DIW-Studie. „Der Preis ist nur eine Komponente für einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr, entscheidender für den Umstieg vom Auto in Busse und Bahnen ist ein zuverlässiges und gut ausgebautes Angebot“, so der Verkehrsökonom Gaus. „Gerade auf dem Land müsste der öffentliche Nahverkehr so ausgebaut werden, dass die Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel überhaupt als Alternative wahrnehmen.“ Wenn der ÖPNV keine Alternative darstelle, sei der Fahrpreis nicht relevant.

Entlastung von hohen Energiepreisen

Laut Auswertung der Daten nutzten 57 Prozent der unter 30-Jährigen das 9 Euro-Ticket, womit junge Menschen die größte Nutzer*innengruppe waren. Außerdem kauften 60 Prozent der Menschen mit einem Haushaltsnetto-Einkommen von weniger als 1.000 Euro im Monat das Ticket – im Schnitt über alle Einkommensgruppen kauften nur rund 40 Prozent die vergünstigte Karte für Fahrten in ganz Deutschland.

Ein Lob neben vieler Kritik aus dem Institut lautet: „Damit hat die Bundesregierung zumindest eins der Ziele des 9-Euro-Tickets erreicht, nämlich Menschen von den stark gestiegenen Energiepreisen zu entlasten.“

Den ökologischen Effekt bewerten sie wiederum kritisch: Die außerdem von der Bundesregierung vorgebrachten Umweltziele, die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und der Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen seien nicht erreicht worden. Die im Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket befragten Menschen hätten angegeben, dass sie im Schnitt lediglich 29 Euro für ein deutschlandweit nutzbares Ticket in Bussen und Bahnen ausgeben würden.

„Das 49-Euro-Ticket verringert die Einnahmen der Verkehrsunternehmen, die dann weniger finanzielle Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs haben“, sagt Gaus und rät zu untersuchen, wie das für das Deutschlandticket ausgegebene Geld im Rahmen anderer Maßnahmen effektiver zu den verkehrspolitischen Zielen beitragen könne.

Fahrgastzahlen im ÖPNV gestiegen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im vergangenen Jahr wieder deutlich mehr Fahrgäste im Linienverkehr unterwegs als in den Corona-Jahren 2020 und 2021. Im Jahr 2022 zählte das Amt 10,2 Milliarden Fahrgäste. Das sind 29 Prozent mehr als im Vorjahr, aber immer noch 14 Prozent weniger als 2019, also vor der Pandemie.

Gründe für das Fahrgastplus waren laut Destatis die Lockerung von Corona-Maßnahmen, das „9-Euro-Ticket“ sowie die hohe Zuwanderung.

Mehr Informationen: destatis.de

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