Politik-Nachwuchs gewinnen

Drei Lebenswege – drei Gründe für Kommunalpolitik

Ja oder nein: Die Entscheidung für eine Partei oder für ein kommunalpolitisches Mandat kann den weiteren Lebensweg stark prägen.
Was bewegt Menschen, sich politisch zu engagieren? Drei ehrenamtliche Politiker*innen geben Antworten.

Sterben die Parteien aus? Die Zahl ihrer Mitglieder schrumpft seit Jahrzehnten beständig. Den aktuell im Bundestag vertretenen Parteien gehörten im Jahr 1990 noch 2,4 Millionen Menschen an, heute sind es knapp halb so viele. Davon bleibt natürlich auch die Kommunalpolitik als Fundament der Demokratie nicht unberührt.

Dass die SPD den Trend in den Jahren 2017 und 2018 zwischenzeitlich umkehren konnte, als der Mitgliederentscheid über die ­große Koalition und der Schreck über den Wahlsieg Donald Trumps in den USA viele Politikinteressierte in die Partei lockten, zeigt: Der Niedergang der Parteien ist kein Naturgesetz. Auch heute noch sind viele Menschen bereit, sich politisch in einer Partei und in der Kommunalpolitik zu engagieren. Manchmal braucht es nur einen Anreiz.

Wer Politik-Nachwuchs gewinnen will, muss hin­hören, was diese Bürgerinnen und Bürger an- und umtreibt. Wir stellen drei Menschen vor, die bereit sind, sich in die Politik einzubringen.

Tischlerin Kyra Laser im Montagewagen ihrer Firma: Sie ist weltoffen, aber auch heimat­verbunden.

Die neugierige Tischlerin: Kyra Laser (23)

„Ein Freund hat mich zu meiner ersten Fraktionssitzung mitgeschleppt“, erzählt Kyra Laser. Da war sie 17, kein SPD-Mitglied und ging noch zur Schule. „Ich konnte nicht mit allem etwas anfangen, aber fand es total spannend“, erzählt sie. So spannend, dass sie in die Partei eintrat, fortan als bürgerliches Mitglied in der Fraktion mitarbeitete und sich als Listenkandidatin für die Kommunalwahl 2018 aufstellen ließ.

Inzwischen ist die 23-Jährige als Ratsfrau nachgerückt und jüngstes Mitglied der Tornescher Ratsversammlung. Dazwischen lagen: ein knappes Jahr Auslandsaufenthalt, ein Freiwilliges Soziales Jahr und der Beginn der Ausbildung zur Tischlerin. Der Beruf ist nicht nur physisch anstrengend. Er bedeutet auch, dass sie spätesten um 6 Uhr morgens aufstehen muss, für Auswärtsmontagen auch früher. Da Sitzungen auch mal bis 22.30 Uhr dauern können, sei das manchmal ganz schön herausfordernd, sagt Kyra, die zum Ausgleich für die körperliche Arbeit gern Fußball spielt und bedauert: „Das Training ist montags und mittwochs, wenn die meisten Ausschüsse tagen.“

In einem Alter, in dem einem die Welt offensteht, in dem es darum geht, den richtigen Weg im Leben zu finden, verlangt Kommunalpolitik verbindliches Engagement. Kyra Laser hat sich dafür entschieden. Sie kandidiert bei den Kommunalwahlen am 14. Mai 2023 in Schleswig-Holstein für den Rat der Stadt. „Ich will meine Sicht als junge Frau, als Auszubildende einbringen und in dem Ort einen Fußabdruck hinterlassen, in dem ich seit 2005 wohne und meine ganze bewusste Kindheit erlebt habe.“ Für ihre Meinung geradestehen, dazu manchmal auch die „Ellenbogen ausfahren“ und gleichzeitig zu Kompromissen bereit sein – alles drei ist ihr wichtig.

Der Motivator: Bernd Hampel (41)

Bernd Hampel weiß, wie man junge Menschen für die SPD begeistern kann.

Sein politisches Engagement steht für Bernd Hampel nicht an erster Stelle im Leben. Sein Twitter-Profil stellt klar: „Die Familie. Der Sport. Der Beruf. Die Politik. Genau in dieser Reihenfolge.“ Dennoch nimmt die Sozialdemokratie in seinem Alltag eine wichtige Rolle ein. Seit April 2021 ist er in Nürnberg stellvertretender SPD-Vorsitzender. „Nach der verloren gegangenen Stadtrats- und OB-Wahl 2020 ging mir durch den Kopf: Wenn Schwarz und Grün alleine festlegen, was in Nürnberg wichtig ist, dann Gnade den Ärmeren“, begründet er seine Kandidatur für diese Aufgabe.

Mitglied war er zu diesem Zeitpunkt schon lange. Im Alter von 18 Jahren ist Hampel 1999 in die Partei eingetreten. Und auch der damaligen Deutschen Postgewerkschaft – heute ver.di – schloss er sich an. Viele Jahre engagierte er sich auch als Vorsitzender im SPD-Orts­verein Nürnberg-Maxfeld. Hampel sagt: „Die Parteien sind in diesem Land sehr mächtig, wesentlich mächtiger als Gewerkschaften oder Umweltverbände. Das muss man jungen Menschen erklären, sie fragen, was ist dir wichtig? Wenn du etwas verändern willst, brauchst du eine Partei.“

Als Ortsvereinsvorsitzender sammelte er viel Erfahrung, wie man junge Menschen für eine Parteimitgliedschaft motivieren kann. Wenn ihnen erfahrene Parteimitglieder helfen, löse das viele Probleme, weiß er. Menschen träten dann in Parteien ein, wenn man sie konkret anspreche, weil sie Interesse zeigen, etwas anders zu machen. Oder anlässlich eines besonderen Ereignisses.

Trotz seiner mittlerweile 41 Jahre verfügt Hampel noch über eine jugendliche Ausstrahlung. Vielleicht auch deshalb, weil er Kampf- und Kraftsport liebt. Er ist vielseitig engagiert und weiß junge Menschen zu begeistern. Das beweist er auch als Fachbetreuer für „Politik und Gesellschaft“ an einer Nürnberger Berufsschule, wo er Wirtschaftsfächer, Politik und Gesellschaft sowie Englisch unterrichtet. Politisch Interessierten empfiehlt er: „Schaut euch die demokratischen Parteien an.“ Für ihn selbst kommt nur eine in Frage: „unverhandelbar die SPD“.

Der Stadionsprecher: Julian Pecher (31)

Julian Pecher ist Stadionsprecher, Stadtrats­mitglied und aktiv in der SPDqueer.

Wenn Julian Pecher etwas besonders gut kann, dann ist es Aufmerksamkeit für seine Sache erzeugen. Das beweist er seit Juni 2017 als „Stadion- & Sicherheitssprecher“ im Fürther Ronhof beim Fußball-Zweitligisten aus der Kleeblattstadt, und das zeigt er seit Mai 2020 auch als Stadtratsmitglied der Stadt Fürth.

Julian Pecher bekannte sich damals „mit Herz und Verstand als echter Fürther“, der neben Integration und Inklusion „in der Bildungspolitik etwas verändern“ wollte. Damit konnte er stark punkten. Der 31-Jährige schaffte es auf Anhieb in die 22-köpfige SPD-Fraktion. Das Bildungsthema sei auch der Grund für ihn gewesen, 2017 in die SPD einzutreten, sagt er. „Man bekommt immer wieder vor Augen geführt: Bildung ist resistent gegen Veränderung“, so der gelernte Erzieher, der seiner Ausbildung ein Lehramtsstudium folgen ließ. Weil ihm Bildung derart am Herzen liegt, ist „meine Entscheidung gereift, mich politisch zu engagieren“. Er sei von einem Kita-Kollegen und der damaligen Sozialreferentin der Stadt für die SPD „sozusagen angeworben worden“.

Pecher glaubt, dass er gerade wegen seiner Doppelfunktion „besser auf Leute zugehen kann – auch auf solche, die mit Sicherheit nicht SPD wählen“. Denn sie nähmen ihn zuerst als Menschen wahr, dann erst als Stadtratsmitglied. So könne er Politik und Partei gut erklären: „Ich freue mich über das Interesse, aber ich locke die Leute nicht bewusst hinein“.

Vor zwei Jahren machte er seine Homosexualität öffentlich. Ein Thema, über das im Profifußballgeschäft kaum jemand spricht. „Meine Motivation ist groß, rauszugehen und das eigene Leben, die eigene sexuelle Orientierung als das darzustellen, was es ist: gesellschaftliche Normalität“, erzählte er damals der Zeitschrift „Stern”. Er selbst hätte sich vor seinem Coming-out gewünscht, dass es mehr Vorbilder gibt. Heute bringt er sich in der Arbeitsgruppe SPDqueer ein und ist in Fürth ihr stellvertretender Vorsitzender.

Auch wenn die Stadtratsarbeit viel Zeit in Anspruch nimmt, macht sie ihm großen Spaß. Er sieht es als Lebensaufgabe, junge Menschen aus sozial benachteiligten und migrantischen Familien zu unterstützen. „Das hat mich schon immer gereizt, nicht nur politisch.“ Deshalb habe er sich auch für das Lehramt an Mittelschulen entschieden; zurzeit ist er noch als Referendar tätig. Er will jungen Leuten helfen, ihre beruflichen Ziele zu finden. Dafür sei es wichtig, „den Wert der Ausbildung zu erkennen und sich Respekt zu erarbeiten“.

„Meine Ämter machen mir alle Spaß, trotz der hohen zeitlichen Belastung“, sagt er. Was will man mehr?

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