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Nach Flüchtlingsgipfel: Kommunen drängen weiter auf finanzielle Entlastung

Carl-Friedrich Höck17. Februar 2023
Pressekonferenz nach dem Spitzentreffen am Donnerstag. Von links: Maximilian Kall (Sprecher BMI), Joachim Stamp (Sonderbevollmächtiger für Migrationsabkommen), Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Hamburgs Innensenator Andreas Grote, Hessens Innenminister Peter Beuth und Landkreistag-Präsident Reinhard Sager
Das Fazit der kommunalen Spitzenverbände nach dem Flüchtlingsgipfel fällt durchwachsen aus. Die Verabredung für einen gemeinsamen Arbeitsprozess lasse hoffen, klare Zusagen habe es aber kaum gegeben, heißt es etwa beim Städtetag.

Vier Stunden dauerten die Gespräche beim Spitzentreffen von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden am Donnerstag. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte dazu eingeladen, um über die Flüchtlingssituation zu sprechen. Beschlossen wurde unter anderem, dass es „gemeinsame Arbeitsstrukturen“ geben soll, die bis Ostern die wichtigsten Themen angehen und konkrete Ergebnisse erzielen sollen. Im Fokus stehen die Themen Unterbringung und Finanzierung, Entlastung der Ausländerbehörden, Begrenzung irregulärer Migration und Integration.

Städtetag drängt zur Eile

„Die Verabredung für einen konkreten Arbeitsprozess von Bund, Ländern und Kommunen lässt uns hoffen“, sagte Eckart Würzner nach dem Treffen. Er ist parteiloser Bürgermeister von Heidelberg und Erster Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages. Gleichzeitig kritisierte Würzner: „Klare Zusagen hat es heute kaum gegeben.“ Bis Ostern müssten wirklich konkrete Ergebnisse erzielt werden, mahnte er an.

Vom Migrationsgipfel gehe eine wichtige Botschaft aus, fügte er hinzu: „Bund, Länder und Kommunen tragen gemeinsam dafür Sorge, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Akzeptanz für die Aufnahme von Geflüchteten in allen Teilen der Gesellschaft aufrecht erhalten bleiben und fremdenfeindliche Tendenzen keine Chance haben.“

Landkreise fordern Erstattung der Unterkunftskosten

Kritisch äußerte sich Reinhard Sager (CDU), Landrat von Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistages. Es sei gut, dass man sich getroffen habe, die Ergebnisse blieben aber hinter den Erwartungen der Landkreise zurück, sagte er: „Wir sind auch mit der Forderung in das Treffen gegangen, die Landkreise von den Flüchtlingskosten zu entlasten. Dem Ansinnen nach einer erneuten vollständigen Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge hat der Bund aber eine klare Absage erteilt.“ Es gehe um zwei Milliarden Euro.

Für die Landkreise habe sich die Lage deutlich verschärft und stelle sich heute schlechter dar als während der Flüchtlingskrise der Jahre 2015 bis 2017, schildert Sager die Lage: „Die Landkreise sind an den Kapazitätsgrenzen angelangt und brauchen Erleichterung. Das gilt nicht nur für die Unterbringungsmöglichkeiten, sondern längst auch für Schulen und Kindergärten. Und es betrifft auch unsere Mitarbeiter.“ Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr sind mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Mehr als 200.000 weitere Personen aus anderen Ländern haben Asyl beantragt. Weil die Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland ungleich verteilt sind, betreffen die Kapazitätsengpässe jedoch nicht alle Kommunen gleichermaßen.

Lob fand Sager für die Zusage des Bundes, sich für eine lastengerechte Verteilung aller Schutzsuchenden in Europa einzusetzen und abgelehnte Asylbewerber*innen konsequenter abzuschieben. Faeser forderte am Donnerstag eine stärkere europäische Verteilung der Menschen, die aus der Ukraine flüchten. „Dass Polen mehr als 1,5 Millionen, wir mehr als eine Million und andere größere EU-Staaten wie zum Beispiel Spanien nur 150.000 Geflüchtete aufgenommen haben, kann so nicht bleiben.“

Höhere Kosten für Unterkünfte, Schulen, Kitas und Integration

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg betonte ebenfalls, dass die Kommunen finanzielle Entlastung benötigten. Sein Blick richtet sich nun auf die Ministerpräsident*innenkonferenz im April. Dort erwarteten die Städte und Gemeinden „eine deutliche finanzielle Unterstützung der Städte und Gemeinden, die über die bisherigen Zusagen hinausgeht und die höheren Kosten für Unterkunft, Schule, Kita und Integration wirklich deckt.“ In diese Richtung äußerte sich auch Arnsbergs Bürgermeister Ralf Paul Bittner (SPD) auf Twitter: „Viele Städte laufen ohne Unterstützung auf die #Haushaltssicherung oder Nothaushalte zu.“

Landsberg berichtete nach dem Treffen: Bund und Länder hätten signalisiert, zusätzliche Liegenschaften für die Unterbringung zur Verfügung zu stellen und nicht verbrauchte Mittel der Städtebauförderung in Höhe von 800 Millionen Euro dafür nutzbar zu machen. „Diese Mittel werden nicht ausreichen, sind aber ein Beitrag zur finanziellen Entlastung beim Bau und Erwerb von dringend benötigten Unterkunftsmöglichkeiten“, kommentierte er.

Lob aus Hamburg

Hamburgs Innensenator Andreas Grote (SPD) lobte das Engagement der Bundesregierung nach dem Spitzentreffen ausdrücklich. „Wenn man jetzt auf den Bund guckt, bin ich froh, dass die Bundesregierung in dieser anpackenden Art und Weise an Stellen arbeitet, wo wir in den vergangenen Jahren nicht so viel Bewegung gesehen haben“, sagte er. So seien die geplanten Abkommen mit den Herkunftsländern ein Instrument, das Wirkung zeigen könne. Mit dem Irak sei ein Migrationsabkommen „in der Pipeline“. Zum Kontext: Die Bundesregierung hat mit Joachim Stamp einen Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen ernannt. In diesen soll es auch um die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber*innen gehen. Stamp selbst wies einschränkend nach dem Spitzentreffen darauf hin: „Es gibt wesentliche Herkunftsländer mit denen im Moment solche Partnerschaftsabkommen schlichtweg nicht möglich sind“. Das betreffe etwa Syrien und Afghanistan.

Bundesinnenministerin Faeser selbst sagte nach dem Gipfel: „Wir schultern diesen großen humanitären Kraftakt gemeinsam auf allen staatlichen Ebenen und werden weiter pragmatische Lösungen finden, um die vielerorts angespannte Unterbringungssituation zu lösen.“ Den Kommunen dankte sie für ihr „großartiges Engagement“. Damit hätten sie geholfen, vielen Menschen das Leben zu retten. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Reem Alabali-Radovan (SPD) verwies nach dem Treffen erneut darauf, dass der Bund die Länder und Kommunen in diesem Jahr bereits mit 2,75 Milliarden Euro und Immobilien unterstütze. Zudem seien die Asylverfahren beschleunigt worden.

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