Treffen am Mittwoch

Flüchtlingsgipfel: Worüber Bund, Länder und Kommunen streiten

Kai Doering09. Mai 2023
Die Zahl der Menschen, die auf der Suche nach Asyl über die deutsche Grenze kommen, ist zuletzt deutlich gestiegen.
Am Mittwoch treffen sich die Ministerpräsident*innen und Bundeskanzler Olaf Scholz, um über Unterbringung und Integration der Geflüchteten zu beraten. Ihre Positionen liegen weit auseinander. Dabei geht es nicht nur ums Geld.

Das Treffen war lange erwartet worden. Für Mittwoch hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Ministerpräsident*innen zu einem Treffen nach Berlin eingeladen. Sie wollen darüber beraten, wie sich die sich zuspitzende Situation bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten lösen lässt. Vor dem Treffen liegen die Positionen weit auseinander. Ein Überblick

Wie ist die Situation der Geflüchteten zurzeit?

Die Zahl der Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, steigt seit einigen Monaten deutlich. Nach Auskunft des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurden im April 19.629 Erstanträge auf Asyl gestellt – ein Anstieg um mehr als 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Großteil der Erstanträge wird demnach von Menschen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei gestellt. Hinzu kommen Geflüchtete aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen. Von den Zahlen aus den Jahren 2015 und 2016, als fast 480.000 bzw. 750.000 Asylanträge gestellt wurden, ist Deutschland allerdings noch weit entfernt.

Wie ist die Lage vor Ort?

Regional sehr unterschiedlich. Die Verteilung der Asylbewerber*innen erfolgt nach dem „Königsteiner Schlüssel“, der jährlich entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder neu errechnet wird. So sollen die mit der Aufnahme verbundenen Lasten angemessen verteilt werden. Nordrhein-Westfalen nahm danach im vergangenen Jahr rund 21 Prozent der Asylbewerber*innen auf, Bremen knapp ein Prozent. Vor allem ostdeutsche Kommunen warnen, dass sie kaum noch Aufnahmemöglichkeiten hätten.

Wer ist für Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten zuständig?

Für die Unterbringung und die Integration der Geflüchteten sind die Bundesländer zuständig, die wiederum einen Großteil der Aufgaben an die Kommunen übertragen haben. Dafür erhalten die Länder Geld vom Bund, das sie an Städte und Gemeinden weitergeben. Der Bund kümmert sich um die Abwicklung der Asylverfahren, ist also auch verantwortlich dafür, wie lange diese dauern. Wird ein Asylantrag abgelehnt, sind die Länder für die sogenannte Rückführung der Abgelehnten zuständig. Sie werden dabei vom Bund unterstützt.

Reicht die Unterstützung des Bunds für Länder und Kommunen aus?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Zwar gibt der Bund mehrere Milliarden Euro an Unterstützungszahlungen und stellt bundeseigene Liegenschaften kostenfrei zur Unterbringung zur Verfügung. Aus Sicht der Länder ist das aber zu wenig. „Wir tragen einen zu hohen Anteil an den Kosten“, sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums am Montag in Berlin. Er spricht sich wie seine Kolleg*innen für eine 50:50-Aufteilung der Kosten aus. Bovenschulte sieht darin einen „klassischen Länder-Bund-Konflikt“. „Das ist keine parteipolitische, sondern eine föderationspolitische Auseinandersetzung“, sagte er am Montag.

Ist am Mittwoch mit mehr Geld des Bundes zu rechnen?

Legt man den Entwurf des Beschlussvorschlags aus dem Kanzleramt zugrunde, nicht. Darin ist zwar detailliert aufgeführt, in welcher Höhe sich der Bund an Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten beteiligt. Weitere Zusagen finden sich darin allerdings nicht. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), fordert dennoch eine neue Berechnungsgrundlage der Bundesmittel. Diese sollten sich daran orientieren, wie viele Schutzsuchende nach Deutschland kämen. Mit einer Pauschalleistung sei es nicht getan, teilte Weil am Sonntag in Hannover mit. Laut der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken gehe es letztlich „nicht um die Höhe, sondern auch um den optimierten Einsatz“ des zur Verfügung stehenden Geldes, wie sie am Montag sagte. Der Bund argumentiert zudem, dass seine Steuereinnahmen rückläufig seien, während Länder und Kommunen hier Zuwächse verzeichneten.

Worauf setzt der Bund, um die sich zuspitzenden Situation zu lösen?

Kurz gesagt: auf Tempo und Begrenzung. So will die Bundesregierung zum einen die Asylverfahren von Schutzsuchenden in Deutschland deutlich beschleunigen. Zurzeit müssen sie zum Teil einige Jahre auf ihren Bescheid warten – und müssen in dieser Zeit untergebracht und versorgt werden. Die Bundesländer sollen deshalb ihre Ausländerbehörden personell und technisch besser ausstatten. Auch Asylgerichtsverfahren sollen verkürzt werden. Längerfristig soll eine Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten – konkret geht es zurzeit um Moldau und Georgien – für Entlastung sorgen: Zuwanderer*innen, die aus diesen Staaten einreisen, können leichter abgeschoben werden. Große Hoffnungen setzt die Bundesregierung zudem in Verhandlungen auf EU-Ebene. Bei einem Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni soll die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf den Weg gebracht werden.

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