Kommunale Finanzen

Großstädte erheben Verfassungsbeschwerde gegen NRW

Karin Billanitsch11. Februar 2022
Die Schwanentorbrücke im Duisburger Innenhafen. Die Stadt Duisburg gehört den kreisfreien Städten, denen durch eine Gesetzesänderung des Landes NRW Millionen Euro fehlen.
Mehrere Großstädte in Nordrhein-Westfalen bereiten Verfassungsbeschwerde gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Ihnen drohen Millionenverluste durch ein neues Gesetz.

Mehrere Großstädte in NRW, unter ihnen Bonn, Dortmund, Köln, Düsseldorf, Duisburg und Münster, bereiten eine Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster vor. Das teilte die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen (SGK NRW) mit. Die Städte beklagen, dass ihnen das Land künftig Gelder in Millionenhöhe entzieht. Der Vorstoß richtet sich gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG). Entsprechende Ratsbeschlüsse in den genannten Städten stehen aber noch aus.

Der Städtetag NRW koordiniert das Verfahren und unterstützt die beschwerdewilligen Städte bei den Vorbereitungen zur Klageeinreichung, wie der Städtetag auf Anfrage der DEMO bestätigte. Das Verfassungsgericht in Münster soll die vom Land vorgesehene Ungleichbehandlung von kreisfreien Städten und kreisangehörigen Gemeinden unterbinden, hieß es.

Helmut Dedy: „Nicht akzeptabel“

Der Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Helmut Dedy, sagte gegenüber der DEMO: „Die Landesregierung will im Gemeindefinanzierungsgesetz erstmals bei Zuweisungen zwischen den kreisfreien Städten und den kreisangehörigen Gemeinden unterscheiden. Die kreisfreien Städte sollen weniger Geld vom Land bekommen. Mehrere Millionen Euro werden den Städten jeweils fehlen. Das ist nicht akzeptabel.“ Diese unfaire Regelung müsse aus dem Gesetz gestrichen werden, forderte Dedy. Darin seien sich die Stadtspitzen parteiübergreifend einig. „Die Städte werden sich dagegen zur Wehr setzen und das Gemeindefinanzierungsgesetz verfassungsgerichtlich überprüfen lassen“, kündigte Dedy an.

Weiter sagte Dedy: „Die Begründung für die Neuverteilung in der Gemeindefinanzierung ist nicht nachvollziehbar. Das Land geht davon aus, dass kreisfreie Städte grundsätzlich steuerstärker sind als kreisangehörige, weil sie höhere Hebesätze bei den Grundsteuern und der Gewerbesteuer nehmen. Das ist Unsinn, denn die Städte waren in den vergangenen Jahren zu diesem Schritt gezwungen, um ihre steigenden Ausgaben überhaupt decken zu können. Besonders verschuldete Kommunen wurden sogar von der Kommunalaufsicht angehalten, ihre Hebesätze zu erhöhen. Nun sollen sie mit noch weniger Mitteln aus dem Landestopf abgespeist werden.“

Die kreisfreien Städte werden nach den Berechnungen des Städtetages NRW um 109 Millionen Euro benachteiligt. Im nächsten Jahr droht die Verdoppelung dieser Schlechterstellung. „Die Bürgerinnen und Bürger werden merken, wenn ihre Stadt Investitionen in Schulen und Kindergärten zurückstellen oder Schwimmbäder schließen muss. Das ist unfair und rechtswidrig. Darum unterstützt der Städtetag NRW die beschwerdewilligen Mitgliedsstädte bei den Vorbereitungen zur Klageeinreichung.“

Baranowski: „Massive Gefährdung der Handlungsfähigkeit“

Frank Baranowski, Gelsenkirchens langjähriger Oberbürgermeister und Vorsitzender der SGK NRW, begrüßte diese Planungen: „Das CDU-FDP-Gesetz zur Gemeindefinanzierung führt zu einer massiven Gefährdung der Handlungsfähigkeit der kreisfreien Städte in NRW. Das Land legt somit die Axt an die finanzielle Stabilität derjenigen, die eh schon massiv vom Strukturwandel betroffen sind und häufig hohen Sozialausgaben zu schultern haben.“ Die SGK-NRW betont ebenfalls, dass das Land eine tragfähige finanzwissenschaftliche Begründung schuldig bleibe. Als einziges Differenzierungskriterium die Kreisfreiheit bzw. Kreisangehörigkeit heranzuziehen, grenzt für Baranowski an „Willkür“.

Beispiel Duisburg

Allein in Duisburg, um ein Beispiel zu nennen, geht es laut einem Bericht der „Rheinischen Post“ in 2022 um 5,5 Millionen Euro, im Jahr darauf um die doppelte Summe. Oberbürgermeister Sören Link sagte dazu gegenüber der Rheinischen Post: „Es macht mich fassungslos, dass eine Stadt wie Duisburg, die als Stärkungspaktkommune über zehn Jahre ihre Hausaufgaben gemacht und ihre Finanzen wieder auf ein solides Fundament gestellt hat, in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit von der Landesregierung derart hintergangen wird.