Hetze gegen Kommunalpolitiker*innen

Hass im Internet: Welchen Beistand sich Betroffene wünschen

Uwe Roth18. Mai 2023
Ein positiver Kommentar, einen Daumen hoch – Kommunalpolitiker*innen wünschen sich Solidarität im Netz, wenn sie brutal angefeindet werden. Beleidigungen gehen an die Substanz, auch wenn diese von einer kleinen Minderheit kommen.

Hass, Hetze und körperliche Angriffe gegen Kommunalpolitiker*innen gefährden die Demokratie an der Basis. Das war nicht das Fazit einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung, sondern die Erkenntnis stand von vornherein fest. Die Teilnehmenden suchten vielmehr nach Lösungen, wie sich ehrenamtlich Tätige vor verbalem Terror schützen können und wie der Staat auf solche Bedrohungen reagieren sollte. Menschen, die beleidigen und bedrohen, tun dies nicht nur in den sozialen Medien wie Facebook, sondern nach wie vor ebenso auf analogen Wegen: Drohbriefe im Briefkasten, beschmierte Hauswände oder Anschreien auf offener Straße.

Die ultimative Grenze der Belastung ist erreicht, wenn in Drohungen die Familie einbezogen wird. „Ich weiß, wo deine Kinder in die Schule gehen.“ Üblicherweise sind dies zum Glück leere Drohungen, aber sie gehen ins Mark. Der allgemeine Ratschlag lautet: Eine Bedrohung öffentlich machen, sich nicht verkriechen, sondern Anzeige erstatten und Resilienz entwickeln. Dies würde ihnen als Betroffene leichter fallen, wenn die Bürger*innen öffentlich mehr Solidarität zeigen würden, hieß es auf einem Fachpodium. Die Gewalttäter*innen sind eine Minderheit, deren Hetze frei von Argumenten und reine Drohkulisse sind. Nicht die Bedrohten allein, sondern die Gesellschaft müsse die Hass-Täter*innen in ihre Schranken weisen.

Likes helfen, Hetzer bloßzustellen

In Kommentaren oder Leserbriefen sollten sich Menschen von den sogenannten Hatern (Hassern) öffentlich distanzieren, so der Wunsch. Wenn sich ein Lokalpolitiker oder eine Lokalpolitikerin in einem Kommentar in den sozialen Medien gegen einen Hass-Angriff zur Wehr setze, sei bereits ein „Daumen hoch“ (ein Like) ein wichtiges Zeichen von Solidarität. Würde dies in einer ausreichenden Zahl gemacht, könnte jeder sehen, dass Hetzende mit ihren Beiträgen im Netz ziemlich allein dastehen. „Meistens aber bleibt es bei der stillen Solidarität. Man ist in Gedanken bei uns. Aber das hilft uns wenig“, so eine Gemeinderätin. „Mehr öffentlicher Beistand würde Betroffenen helfen.“

Gewalterfahrung machen nicht nur Bürgermeister*innen. Hass und Hetze sind längst auf das Ehrenamt übergeschwappt. Lokalpolitiker*innen mit Migrationshintergrund sind besonders betroffen. Omar Shehata ist SPD-Stadtverordneter in Frankfurt am Main. Er konnte in der Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung einiges dazu berichten. Die Sozialwissenschaftlerin Jana Faus neben ihm auf dem Podium beschäftigt sich mit „Arbeitsbedingungen und Gewalterfahrungen von Lokalpolitiker/innen in Deutschland“. Um tiefergehende Antworten zu bekommen, lässt sie nicht einen Fragebogen ausfüllen, sondern macht Interviews am Telefon, die im Schnitt eine dreiviertel Stunde dauern. Eine Erkenntnis lautet: Nahezu alle befragten Ratsmitglieder sind mit Beleidigungen als eine der zentralen Gewaltdimensionen konfrontiert. Zudem zeigte sich, dass es nicht selten bei Beleidigungen bleibt. Gut die Hälfte der deutschlandweit befragten Kommunalpolitiker*innen berichtete über die zusätzliche Konfrontation mit weiteren Gewaltdimensionen. Wer von den Befragten bedroht oder tätlich angegriffen wurde, wurde bereits vorher verbal beleidigt.

Ein Drittel spricht von tätlichen Übergriffen

Berichten betroffene Kommunalpolitiker*innen von Gewalterfahrungen, dann sprechen fast alle von verbalen Beleidigungen. Knapp die Hälfte der Interviewten ist von Drohungen betroffen. Die Vermischung von Privatem und Ehrenamt ist hier besonders deutlich: Bedrohungen erreichen die Privatsphäre, wodurch häufig die Familie einbezogen wird. Ein Drittel, so eine weitere Erkenntnis nach der Telefonbefragung, ist von tätlichen Übergriffen betroffen. Gleichwohl sei eines bemerkenswert, stellt Jana Faus fest: Für keine*n der befragten Kommunalpolitiker*innen stellen Beleidigungen einen Grund dar, ihr Amt aufgeben zu wollen.

Bedrohungen wirken auf die Kommunalpolitiker*innen anders als Beleidigungen. Bedrohungen wiegen besonders schwer, wenn die Familie miteinbezogen wird. Sie empfinden dies nachvollziehbar als starke Grenzüberschreitung und denken mitunter über den Rückzug aus der Kommunalpolitik nach. Einige suchen Unterstützung im privaten oder im politischen Umfeld, andere hingegen behalten die Erfahrungen für sich, um ihr Umfeld zu schützen. Drohungen sind oftmals so formuliert, dass sie nicht justiziabel sind. Anzeigen bei der Polizei führen deshalb und aufgrund der Anonymität der Absendenden oftmals zu keinem Erfolg.

Im kommenden Jahr sind in einigen Bundesländern Kommunalwahlen. Bei der Suche nach Kandidat*innen müssen die Ortsvereine Interessierten eine Antwort geben, wie sie mit Hass und Hetze umgehen.

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