Bundesverwaltungsgericht billigt „Verpackungssteuer”

Kampf gegen Wegwerfmüll: Städte wollen Tübinger Vorbild folgen

Uwe Roth26. Mai 2023
Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch die lokale Verpackungssteuer in Tübingen in zweiter Instanz für rechtens erklärt. Nun will die SPD in anderen Städten nachziehen. In Wesel fordert der Stadtverband eine bundeseinheitliche Lösung.

„Die Tübinger Verpackungssteuer ist im Wesentlichen rechtmäßig.“ Über diesen Urteilsspruch des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) in Leipzig freute man sich in Tübingen trotz leichter Kritik uneingeschränkt. Denn Anfang vergangenen Jahres hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Gebührenliste bei Verwendung von Pappschachteln und Einwegbesteck noch ohne Wenn und Aber abgelehnt (demo-online berichtete). Nicht nur Tübinger Kommunalpolitiker*innen hatten das damals bedauert. Auch der Deutsche Städtetag und der Verband kommunaler Unternehmen (als Vertretung der Stadtreinigungsbetriebe) äußerten sich enttäuscht.

Nun können sich die Beteiligen zufriedengeben, dass die Stadtverwaltung nach einiger Abwägung in Revision gegangen ist. Geklagt hatte eine bekannte Fastfood-Kette, die sich zum Urteil nicht öffentlich geäußert hat. Deren Kundschaft sorgt am Ende jeder Mahlzeit für besonders viele Hinterlassenschaften. Pappschachteln und -schälchen landen mitsamt der Plastiktüte in und neben den öffentlichen Abfallbehältern. Oder der Verpackungsmüll liegt überall verstreut auf dem Boden. Das BVG hat nun anerkannt, dass der Abfall (Littering) nicht nur augenscheinlich ein Problem ist, sondern die Beseitigung Kosten verursacht.

„Örtlicher Charakter der Steuer hinreichend gewahrt“

Im Urteil heißt es: „Entgegen der Ansicht der Vorinstanz handelt es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchssteuer.“ Die Stadt habe ein Recht dazu, diese zu erheben, weil Fastfood in der Regel an Ort und Stelle verzehrt werde, und die Verpackung im Gemeindegebiet verbleibe. „Damit ist der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt.“ Die kommunale Verpackungssteuer stehe „als Lenkungssteuer“ auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes.

In Tübingen hat die SPD die Verpackungssteuer im Gemeinderat mitgetragen (Begründung hier als PDF), nun wollen Sozialdemokrat*innen das Thema auch in anderen Städten vorantreiben. Der SPD-Stadtverband Wesel (Nordrhein-Westfalen) hat den Urteilsspruch einen Tag später aufgegriffen und bei der Verwaltung beantragt, in der kommenden Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses über eine Verpackungssteuer zu debattieren. Das Ziel: Anfang kommenden Jahres soll es auch in der 60.000 Einwohner-Stadt am Niederrhein eine solche Steuer geben. Am liebsten wäre dem Fraktionsvorsitzenden Ludger Hovest allerdings eine bundeseinheitliche Regelung. In der Stadt Mannheim reagierte die SPD ebenfalls schnell: Die Gemeinderatsfraktion forderte am Donnerstag „eine schnelle Umsetzung der Verpackungssteuer in der Stadt“.

Mannheim erlässt „Mehrweg-Gebot für Veranstaltungen”

Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) begrüßte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: „Dieses stellt klar, dass Abfallvermeidung an oberster Stelle der Abfallhierarchie steht.“ Er verwies in einer Mitteilung darauf, dass die Stadt im Rahmen ihrer Plastikstrategie „eine Vielzahl von Maßnahmen zur Reduktion von Plastik und Vermüllung“ ergriffen habe. Ebenfalls in dieser Woche habe ein Gemeinderatsausschuss den Beschluss gefasst, ein Mehrweg-Gebot für Veranstaltungen im öffentlichen Raum einzuführen. Das soll von Januar nächsten Jahres an gelten.

„Eine Verpackungssteuer für den Verzehr von To-go Produkten vor Ort könnte die Strategie noch weiter stärken“, heißt es in der Mitteilung. Der Städtetag Baden-Württemberg kommentierte den Ausgang des Verfahrens so: „Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Tübinger Verpackungssteuer schafft Rechtsklarheit für unsere Mitgliedsstädte. Die Hartnäckigkeit der Stadt Tübingen, die gegen das anderslautende Urteil des VGH Mannheim Revision eingelegt hatte, hat sich gelohnt.“ Die richterliche Entscheidung erweitere den Handlungsspielraum der Kommunen in den Bereichen Abfallvermeidung, Kreislaufwirtschaft und Vermüllung des öffentlichen Straßenraums.

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