Chickpeace

Wie Kochen bildet und Menschen verbindet

Susanne Dohrn 17. Februar 2023
Yad Abdulrazak Ali (l.) aus dem Irak und Hebatollah Rahmon aus Syrien bereiten mit Hack gefüllte Sambussas für das Büffet am Abend vor.
Die Idee für das Hamburger Catering-Unternehmen „Chickpeace“ entstand in einer Flüchtlingsunterkunft. Den Betreiberinnen geht es nicht nur ums Geschäft, das Projekt versteht sich als Bildungswerk. Ein Beispiel, das Schule machen könnte.

Auf der Arbeitsfläche bereiten Hebatollah und Yad pikante Sambussas vor, kleine mit Hack gefüllte, frittierte Blätterteigtaschen. Im Ofen backt eine vegetarische Quiche mit Schafskäse. Eine Küchenmaschine knetet den Brotteig für Manakish, orientalisch gewürzte Mini-Fladenbrote, die mit Rote Beete-Hummus und Ruccola garniert werden. In der Küche von „Chickpeace“ wird das Catering für den heutigen Abend vorbereitet. Was 2015/16 als gemeinsames Kochen in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Harburg begann, ist inzwischen ein Sozialunternehmen mit einem Stamm von etwa 600 Kunden in Hamburg und Umgebung, sowie einer kleinen Dependance im Schleswig-holsteinischen Wedel. Treibende Kraft ist Manuela Maurer, Geschäftsführerin und Gründerin des Vereins PONTON 3 e.V., Verein für soziale Projekte.

Alles begann mit Buffetbegegnungen

Das Saatkorn pflanzte Manuela Maurer 2015/16 in einer städtischen Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Harburg. Dort lebten vor allem Familien und allein reisende Frauen. Maurer wollte sich engagieren und beschloss, einmal die Woche mit fünf Frauen aus der Unterkunft und fünf aus Hamburg zu kochen. Zuvor kauften sie zusammen auf dem Markt in Harburg ein. Als Chefinnen des Tages bestimmten jeweils zwei Frauen, was gekocht wurde. Bedingung: Es musste landestypisch sein, egal ob arabisch, eritreisch, Marmelade oder Osterbrot. „Buffetbegegnungen“ nannte Maurer das.

Eine gemeinsame Sprache gab es nicht. Die entwickelte sich über das Kochen. „Es ging darum, ein Stück Kultur zu präsentieren und den Frauen die Möglichkeit zu geben, in einem geschützten Raum – Männer waren nicht zugegen – Kontakte zu knüpfen, Sprache zu lernen und für einen Tag eine Führungsrolle zu übernehmen.“ Am Ende wurde gemeinsam gegessen. Nach sechs Wochen wechselte das Team. Maurer: „Wir wollten einen Anstoß geben für möglichst zahlreiche Begegnungen.“

Der Kreis wird größer

„Kocht ihr auch für andere?“ Die Frage kam 2017 aus ihrem Bekanntenkreis 2017. Die Frauen sagten begeistert zu. Das Catering war ein voller Erfolg, weitere Anfragen kamen. Chickpeace war geboren. Der Name erinnert an Chickpeas, Kichererbsen. Sie sind fester Bestandteil nahöstlicher Küche. Peace, Frieden, steht für die neue Heimat fern vom Krieg und ein friedliches Miteinander.

Anfangs lebten die Frauen noch in der Flüchtlingsunterkunft, kochten in ihren Wohnungen, was die Auftraggeber wussten. Geld durften sie nicht nehmen, nur die Auslagen bezahlen lassen, ähnlich wie für den Kuchen auf einem Schulbasar. „Bei den Kunden war viel Neugier dabei. Sie wollten etwas machen, sich engagieren, wussten aber nicht wie“, sagt Maurer. Eine Dauerlösung war es nicht, wie ihr auf einem größeren Catering klar wurde. Schlüsselerlebnis war der Satz eines Gastes: „Toll, muss man sich merken, wird nicht so teuer sein.“ Das klang für Maurer zu sehr nach „für kleines Geld Gourmetqualität“ erhalten.

Professionalisierung

Die Zeit war gekommen, die Arbeit auf professionellere Füße zu stellen. Der Verein PONTON 3 e.V. nahm Chickpeace unter seine Fittiche. Damit waren sie geschäftsfähig, konnten Rechnungen schreiben und anfangen Löhne zu zahlen. Sie nahmen an der Belehrung nach dem Infektionsschutzgesetz teil, die Voraussetzung für die Zubereitung von Speisen. Sie fanden eine professionelle Küche, die sie nutzten durften. Schon im ersten Jahr machte Chickpeace 17.000 Euro Umsatz. Mit Unterstützung der Schöpflin-Stiftung aus Lörrach, die sich unter anderem im Bereich Flucht und Integration engagiert, wurde ein Businessplan entwickelt. Die Stiftung und andere Wegbegleiter halfen zudem über die Corona-Lockdowns hinweg.

Inzwischen beschäftigt Chickpeace eine gelernte Köchin als Betriebsleiterin. Zwei Frauen beraten auf Honorarbasis die Kunden und schreiben die Angebote. Eine Agentur hat kostenlos Flyer und Postkarten entworfen. Yad Abdulrazak Ali aus dem Irak, die von Anfang an dabei war, arbeitet Vollzeit als Küchenchefin. Weitere fünf bis sechs Frauen sind in Teilzeit beschäftigt. Hinzu kommen Mini-Jobberinnen.

„Wir bieten weiterhin ein niedrigschwelliges Angebot, damit Frauen erleben können, was es heißt, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, sagt Maurer, denn beim Einstieg in den Arbeitsmarkt gehe es nicht nur um inhaltliche Kompetenz, sondern auch um das tägliche Miteinander, um arbeiten im Team, das Ertragen und Einschätzen von Stimmungen und Launen. Das werde erst durch das Erleben begreifbar. Steuern und Sozialabgaben, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Abzüge vom Bürgergeld, all das müsse ge- und erklärt werden. Maurer fasst zusammen: „Wir bleiben ein Bildungswerk.“ Kürzlich haben sie sogar ukrainisch gekocht. Eine Ukrainerin aus dem Netzwerk lieferte die Rezepte und beriet die Chickpeace-Frauen beim Kochen von Borschtsch, einer Rote-Beete-Suppe und Galuschki, ukrainischen Kartoffel-Klößen.

 

Tipps für Kommunen und Engagierte
Manuela Maurer rät Kommunen, die sich ähnliche Projekt vorstellen können:

  1. Dort andocken, wo es schon eine Küche gibt, die den Erfordernissen entspricht.
  2. Mit einem niedrigschwelligen Einstiegsformat starten, z.B. mit gemeinsamem Kochen oder mit Buffetbegegnungen.
  3. Auf eine Geschmacksreise in der Kommune gehen: Gibt es arabische, iranische, türkische, ukrainische Frauen, die kochen wollen?
  4. Klein anfangen mit fünf bis sieben Speisen, die richtig gut schmecken und langsam wachsen.