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Kommunale Wärmeplanung: Worum es im Gesetzentwurf geht

Kai Doering25. Mai 2023
„Sicherheit für Hausbesitzer und Kommunen bei der Modernisierung der Heizungssysteme“: Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung sollen die Möglichkeiten für das künftige Heizen ermittelt werden.
„Heizhammer“, „Heizpranger“, „Energie-Stasi“: In ihrer Kritik an der kommunalen Wärmeplanung überschlagen sich Politiker von CDU und CSU Im Schulterschluss mit der „Bild“ gerade in rhetorischen Bildern. Worum geht bei dem Gesetz wirklich?

Die „Bild“ machte damit am Mittwoch auf. „Habeck plant den nächsten Heiz-Hammer“ hieß es in gewohnt großen Buchstaben auf der Titelseite. Und darunter: „Bild liegt der neue Gesetzentwurf“ vor. Das Boulevard-Blatt bezog sich damit auf den Referentenentwurf eines Gesetzes „für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisieurng der Wärmenetze“, wie es im Beamten-Deutsch heißt. Worum geht es dabei?

Was ist die „kommunale Wärmeplanung“?

Die kommunale Wärmeplanung soll Städten und Gemeinden – und darüber dem ganzen Land – dabei helfen, von der fossilen auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung umzusteigen. Kommunen spielen dabei eine zentrale Rolle, weil die Wärmeversorgung im Gegensatz zur Versorgung mit Strom dezentral und häufig sehr kleinteilig organsiert ist – da sie abhängig von lokalen Gegebenheiten ist. Zudem haben Kommunen meist das Wissen über den Gebäudebestand vor Ort.

Mit der kommunalen Wärmeplanung sollen Städte und Gemeinden einen Fahrplan entwickeln, wie der Umstieg auf eine klimaneutrale Versorgung mit Wärme bei ihnen vor Ort am besten vonstatten geht. Sie schafft damit auch Planungssicherheit, damit Hausbesitzer*innen, aber auch Versorger langfristige Investitionsentscheidungen treffen können. „Das schafft Sicherheit für Hausbesitzer und Kommunen bei der Modernisierung der Heizungssysteme“, schrieb Bundesbauministerin Klara Geywitz dazu am Mittwoch auf Twitter.

Was sieht das geplante Gesetz vor?

Das Wärmeplanungsgesetz sieht zwei Stufen vor. In einem ersten Schritt sollen Kommunen eine Bedarfsanalyse für die Versorgung mit Wärme erstellen. Dafür wird der aktuelle Wärmeverbrauch „gebäudescharf“ ermittelt. Auch die Wärmeinfrastruktur – gibt es ein Fernwärmenetz, wird Geothermie genutzt etc. – vor Ort wird erfasst. In einem zweiten Schritt sollen Kommunen in einer „Potenzialanalyse“ prüfen, welche Energie-Quellen künftig für die Wärmeversorgung zur Verfügung stehen und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

Welche Kommunen sind von dem Gesetz betroffen?

Im Entwurf ist vorgesehen, dass Kommunen ab 10.000 Einwohner*innen einen Wärmeplan erstellen müssen. Für Großstädte ab 100.000 Einwohner*innen soll er bis Ende 2026 vorliegen, für Gebiete zwischen 10.000 und 100.000 Einwohner*innen bis Ende 2028.

Welche Daten werden erhoben?

Die Kommunen erheben den Energieverbrauch von Gebäuden für die vergangenen drei Jahre, die Art der Heizungsanlage (Öl, Gas etc.), ihre Leistung, das Jahr ihrer Inbetriebnahme sowie Daten zu Zustand und energetischer Sanierung des Gebäudes. Darüber hinaus sammeln sie Daten über bestehende oder geplante Wärme-, Strom- und Gasnetze. Wo die Daten nicht „gebäudescharf“ ermittelt werden können, sollen sie für Häuserblöcke oder Straßenabschnitte erhoben werden. Dabei werden die Daten nicht direkt bei den Bürger*innen erhoben (Stichwort „Energie-Stasi“), sondern bei den Betreibern der Energienetze, die diese Daten ohnehin bereits erheben, aber nicht weitergeben.

Was bedeutet das Ganze für Hausbesitzer*innen?

Zumindest nichts Schlechtes, denn weder müssen sie selbst Daten ermitteln und übertragen (oder nur höchstens in Einzelfällen in sehr überschaubarem Umfang), noch werden diese Daten öffentlich gemacht (Stichwort „Heizpranger“). Auch Kosten sollen ihnen nicht entstehen. Stattdessen können Hausbesitzer*innen von der Wärmeplanung profitieren, indem sie darüber erfahren, ob ihr Haus zentral über ein Wärmenetz versorgt werden kann oder sie sich um eine eigene Heizungsanlage im Haus kümmern müssen. In einem Gebäude, das perspektivisch ans Fernwärmenetz angeschlossen wird, müsste etwa keine neue Heizungsanlage – z.B. eine Wärmepumpe – eingebaut werden.

Gibt es bereits praktische Erfahrungen mit der Wärmeplanung?

Ja, jede Menge. In Niedersachsen ist die kommunale Wärmeplanung bereits seit zwei Jahren im dortigen Klimaschutzgesetz verankert. Auch in Baden-Württemberg (seit Februar dieses Jahres) und in Schleswig-Holstein (seit 2017) wird das Instrument bereits angewendet. Auch in Bayern werden seit November 2020 „Kehrbuchdaten“ erhoben, die den Vorgaben des geplanten Wärmeplanungsgesetzes entsprechen. Beschlossen hat das die Regierung aus CSU und Freien Wählern, die nun mit Begriffen wie „staatliche Heizungsspionage“ auf die Barrikaden gehen.

Reaktionen auf den Entwurf zur Wärmeplanung

Die Stadtwerke begrüßen den Entwurf aus dem Bauministerium für das Wärmeplanungsgesetz. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) Ingbert Liebing sagt: „Wir brauchen die kommunalen Wärmepläne im Werkzeugkasten für die Wärmewende! So schnell wie möglich!” Statt Pauschallösungen eröffneten kommunale Wärmepläne mehr Möglichkeiten für die Kommunen bei der klimaneutralen Wärmeversorgung. Das gebe Freiraum für lokale Lösungen, die am besten geeignet und kostengünstig für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort seien.

Aus VKU-Sicht seien die Fristen für die Erstellung der kommunalen Wärmepläne realistisch und machbar. (Großstädte sollen bis Ende 2026 und kleinere Städte bis Ende 2028 Wärmepläne erstellt haben.) Unrealistisch sei dagegen die Forderung nach einem 50-prozentigen Anteil bei der Fernwärme im Jahr 2035. Weiter sagt Liebing: „Für möglichst optimale kommunale Wärmepläne sind in der Tat örtliche Daten notwendig, aber ein detailliertes Kataster braucht es sicherlich nicht. Die Wärmepläne müssen weitestgehend auf Basis der bereits vorliegenden Daten erstellt werden können.”

Kritischer bewertet der Deutsche Landkreistag den öffentlich gewordenen Gesetzentwurf. Viele Fragen seien noch ungeklärt, kritisiert Verbandspräsident Reinhard Sager. Das betreffe die Finanzierung und Umsetzung der Planung. „Soweit der Bund zudem die Kommunen in die Pflicht nehmen will, verbietet dies das Grundgesetz. Aufgaben an die Landkreise, Städte und Gemeinden können allein die Länder übertragen. Sie müssen dann auch für die kommunalen Mehrausgaben aufkommen.”

Auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund ist die Skepsis groß. „Die vorgesehenen Fristen zur Erhebung der Daten werden die Kommunen zeitlich wie personell überfordern”, meint der Klimaschutz-Beigeordnete Bernd Düsterdiek (Quelle: Rheinische Post). Ein weiteres Problem seien die Kosten: „Die Erstellung von umfangreichen Katastern ist eine Aufgabe, die der Bund über die Länder an die Kommunen übertragen will. Dies wird extrem aufwendig. Daher müssen alle mit der Wärmeplanung entstehenden Kosten auch von Bund und Ländern übernommen werden.”

Noch am Dienstag hatte der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe gefordert, dass das Wärmeplanungsgesetz möglichst parallel zum Gebäudeenergiegesetz (kurz GEG, das den Einbau und Austausch von Heizungen regelt) kommen solle. Also zügig. Lewe sagte mit Blick auf das GEG: „Die Energieberatungsstellen vor Ort können sich vor Anfragen kaum retten. Das zeigt, wie verunsichert viele Menschen jetzt sind. Es gibt noch zu viele offene Fragen: Könnte ich vielleicht an ein Wärmenetz angeschlossen werden und wann? Oder steht Geothermie, Biogas oder Wasserstoff für die Wärmeversorgung zur Verfügung? Deshalb ist es sehr wichtig, dass Städte die künftige Wärmeversorgung strategisch angehen können.”

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