Aussprache im Bundestag

Ministerin Geywitz: „Wohnen ist kein Luxus, sondern Lebensgrundlage“

Carl-Friedrich Höck13. Januar 2022
Klara Geywitz im Bundestag
Die neue Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat im Bundestag ihre zentralen politischen Projekte vorgestellt. Sie will 400.000 neue Wohnungen pro Jahr schaffen und Mieter*innen schützen. Städte hätten einen „riesigen Transformationsbedarf”.

In einer rund 80-minütigen Aussprache hat der Bundestag sich am Donnerstag mit den Themen Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen befasst. Im Mittelpunkt stand das von der Ampel neu geschaffene Bundesbauministerium.

Geywitz sieht neues Ministerium als Chance

Chefin des Hauses ist die SPD-Politikerin Klara Geywitz. „Wohnen, das ist ein Menschenrecht“, stellte sie gleich zu Beginn klar. Es sei kein Luxus für Wenige, sondern Lebensgrundlage für alle. Ihr Ziel sei gutes und bezahlbares Wohnen in einem lebenswerten Umfeld. Und es sei „eine Frage der Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, ob man es schaffe genügend Wohnungen zu bauen, die den demografischen und digitalen Erfordernissen und den ökologischen Standards der Gesellschaft entsprechen.

Das eigenständige Bauministerium ermögliche es, die Themen Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus einer Hand vom Bund aus neu zu denken. Es biete auch die Chance, „die gewaltige Transformation der Bauwirtschaft aktiv zu gestalten und für neuen ökonomischen Schub in Deutschland zu sorgen.“

Geywitz bekräftigte das Ziel der Koalition, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 im sozialen Wohnungsbau. Deswegen werde sie das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ zügig aufsetzen – gemeinsam mit den Ländern, Kommunen, der Bau- und Wohnungswirtschaft, mit Mieterverbänden, Gewerkschaften und vielen weiteren Akteuren.

Geld für Sozialwohnungen

Eine ihrer ersten Amtshandlungen sei es gewesen, die soziale Wohnraumförderung für 2022 auf den Weg zu bringen. Im Dezember sei eine Milliarde Euro dafür freigegeben worden, eine weitere Milliarde aus dem Klimapaket werde folgen.

Benötigt werde auch Bauland, betonte die Ministerin. Brachliegende Grundstücke, bei denen die Eigentümer*innen auf Wertsteigerung spekulieren, könne man sich nicht mehr leisten. Wichtig sei auch, dass die Kommunen schnell wieder Rechtssicherheit beim Vorkaufsrecht erhalten.

Als weiteres zentrales Projekt benannte die SPD-Politikerin die Bewältigung des Fachkräftemangels in der Bauwirtschaft. „Wir brauchen eine Azubi-Offensive, wir brauchen Weiterbildung, Fachkräfteeinwanderung und gute Arbeitsbedingungen auf dem Bau.“

Planungs- und Bauverfahren will Klara Geywitz vereinfachen: „Tempo machen wir auch durch die Nutzung digitaler Verfahren, weniger Bürokratie und mehr Standardisierung.“

Mieter*innenschutz wird gestärkt

Parallel dazu will Geywitz Mieter*innen in angespannten Wohnungsmärkten entlasten. Sie verwies auf das höhere Wohngeld für eine Million Bürger*innen, das zum Jahreswechsel in Kraft getreten sei. 710.000 Haushalte profitierten von einem einmaligen Heizkostenzuschuss von mindestens 135 Euro.

Die Koalition habe sich verständigt, die Mietpreisbremse bis 2029 zu verlängern und den Mietspiegel auszuweiten. Obdach- und Wohnungslosigkeit wolle die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 mit einem Nationalen Aktionsplan überwinden, sagte die Sozialdemokratin.

Klimaschutz-Themen wie nachhaltiges Bauen und energieeffizientes Wohnen gehe sie mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Grüne) gemeinsam an, berichtete Geywitz. „Erste Maßnahmen werden wir schon im Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen.“ Ihr Wunsch sei es, die Bedingungen für Mieterstrom weiter zu verbessern.

Regionalentwicklung soll beschleunigt werden

Nicht zuletzt sehe sie es als ihre Aufgabe, für gute Lebensbedingungen in Stadt und Land zu sorgen, so Geywitz weiter. „Dafür nehme ich die Quartiers-, Stadt- und Regionalentwicklung mit in den Blick.“ Sie sei froh, dass auch die Raumordnung in ihrem Ministerium verortet sei. Das helfe enorm, um bei der Planung und innovativen Entwicklung von Regionen schneller zu werden. 

Städte hätten einen „riesigen Transformationsbedarf“, sagte die neue Ministerin. Als Stichworte nannte sie Klimawandel, Strukturwandel, demografischen Wandel, sozialen Zusammenhalt und Digitalisierung. „Mit der Städtebauförderung haben wir ein schlagkräftiges Instrument.“ Dieses werde die Regierung weiter verbessern.

Debatte im Bundestag

In der anschließenden Diskussion begrüßten auch Vertreter*innen von Union und Die Linke, dass es erstmals seit 1998 wieder ein eigenständiges Bauministerium gibt. Sie kritisierten jedoch, dass das Ministerium nicht genügend Kompetenzen habe. So sei etwa das FDP-geführte Justizministerium für das Mietrecht zuständig und die Bundeseigene Immobilienanstalt (BIMA) sei noch immer im Finanzministerium angesiedelt.

Die Ampel-Fraktionen hoben – je nach politischer Ausrichtung – unterschiedliche Aspekte des Koalitionsvertrages hervor. Die FDP-Abgeordnete Carina Konrad betonte, zum Erreichen des Ziels von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr seien private Investitionen der Schlüssel. Zudem verwies sie darauf, dass die Koalition die Eigentumsbildung erleichtern wolle, etwa mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer und Eigenkapital-ersetzenden Darlehen. Die Grünen-Politikerin Christina-Johanne Schröder unterstrich die Pläne der Koalition, die Mietpreisbremse zu verlängern und eine neue Wohngemeinnützigkeit einzuführen.

SPD-Politiker Daldrup: „gesellschaftliche Aufgabe”

Der AfD-Politiker Roger Beckamp nutzte die Debatte, um gegen Zuwanderung zu ätzen: „Abschieben schafft Wohnraum“. Dafür erntete er heftigen Widerspruch des SPD-Abgeordneten Bernhard Daldrup. Angesichts solcher Reden werde er auch außerhalb von Corona-Zeiten gerne darauf verzichten, dass Beckamp ihm die Hand reiche.

Zum Diskussionsthema sagte Daldrup: 400.000 Wohnungen pro Jahr seien ein mutiges Ziel. Es gehe beim Bau nicht nur um Masse und Kubikmeter, „es geht um die Vielfalt des Wohnens, um die jungen Studierenden, um die Auszubildenden, es geht um die Wohngemeinschaften, um Barrierefreiheit, um Mietwohnungsbau und natürlich auch um die Eigentumsförderung.“ Angestrebt werde nicht nur „bauen, bauen bauen“, sondern das richtige Bauen: energie- und klimagerecht, angebunden an den öffentlichen Nahverkehr, kostenbewusst und mit lebendigen öffentlichen Plätzen und lebenswerten Innenstädten. Das könne gelingen mit zusätzlichem Geld, hoher Investitionsbereitschaft, steuerlicher Hilfe und weiteren Maßnahmen. Aber es gehe auch um Zuständigkeiten, nicht nur zwischen zwei Ministerien. Deshalb müssten alle Akteur*innen an einen Tisch. Es brauche eine konzertierte Aktion, um diese gesellschaftliche Aufgabe zu meisten. Das sei das eigentliche Ziel, und dabei könne das Bauministerium federführend sein.

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