Energiewende und Klimaschutz

Mit Sonnenstrom die Artenvielfalt fördern

Susanne Dohrn 08. November 2022
Blühende Wiesenflockenblume im Solarpark Klein Rheide: Artenvielfalt und Stromerzeugung gehen hier Hand in Hand.
Seltene Amphibien und Schmetterlinge, Lerchen und Wachteln, dazu Naturstrom für Tausende Haushalte: Der Solarpark Klein Rheide macht es möglich.

Klimaschutz braucht Sonnenstrom. Dazu werden Flächen benötigt, die sich auch für den Anbau von Lebensmitteln nutzen ließen, für die Aufforstung von Wäldern oder für den Erhalt der Artenvielfalt. Land lässt sich nicht vermehren, aber es lassen sich Ziele verbinden. Ein Beispiel ist der Solarpark Klein Rheide im Norden von Schleswig-Holstein. Er gilt als einer der artenreichsten in Deutschland. Auf einer Fläche von 27 Hektar wird nicht nur Strom für 7.200 Haushalte produziert. Auch die Artenvielfalt ist wieder zurückgekehrt.

Kreuzkröten leben dort. Zu Tausenden krabbelt und hüpft der einen Zentimeter große Nachwuchs durch das Gras. Heimische Tagfalter wie Schornsteinfeger, Ochsenauge und Bläuling gaukeln von Blüte zu Blüte, Feldlerchen klettern wie auf einer imaginären Leiter in den Himmel. „Wenn man einen Solarpark richtig plant, kann man die Artenvielfalt fördern“, sagt Thies Jensen von der Wattmanufactur. Das Unternehmen betreibt den Park und hat sich genau diesem Ziel verschrieben.

Blütentraum statt Maisacker

Bis vor wenigen Jahren war die Fläche des Solarparks ein intensiv bewirtschafteter Maisacker. Dann ließ der Eigentümer auf der Fläche Kies abbauen. Der ausgewaschene Sand wurde wieder auf der Fläche verteilt. Vermutlich ist das ein Grund für die Artenvielfalt, die dort ganz von allein entstand. Der Boden ist nährstoffarm, die Samen der Wildpflanzen befanden sich noch im Boden. Der Kiesabbau beförderte sie wieder ans Tageslicht.

„Solarparks können erheblich zu einer unabhängigen Energieversorgung beitragen und bisweilen sogar die Artenvielfalt erhöhen“, bestätigt der Naturschutzbund Deutschland NABU. Voraussetzung dafür ist, dass Bau und Betrieb im Einklang mit der Natur geschehen. Dass das möglich ist, zeigt sich in Klein Rheide. Beim ersten Blick fallen die Blühflächen zwischen den Solarpanels ins Auge. Die Panels sind so aufgestellt, dass zwischen den Reihen vier Meter breite besonnte Flächen entstehen. Auf ihnen wachsen niedrige Gräser und Kräuter, die Nektar und Pollen für Wildbienen und Schmetterlinge liefern.

Kreuzkrötenwunder unter Solarpanels

Unter den Panels haben sich Schatten- und Waldpflanzen angesiedelt, unter anderem Farne. Die Module sind auf Abstand montiert, sodass bei Regen die Flächen unter ihnen feucht werden, erklärt Jensen. Er führt in den Park hinein zu einer Wasserstelle. „Vermutlich ist der Boden hier verdichtet und das Wasser kann nicht versickern.“ Zunächst habe man versucht, das Wasser abzuleiten. Aber das gelang nicht. So entstand in Klein Rheide einer der ersten Solarparks im Wasser und ungeplant ein Brutrevier für seltene Kreuzkröten, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen.

„In einer weithin von Nährstoffen überfrachteten, häufig monotonen Landschaft stellt der Solarpark Klein Rheide durch seine nährstoffarmen und vielfältigen Standortverhältnisse (lückig, warm-trocken bis kühl-nass) ein Refugium für vor allem auf solcherlei Bedingungen angewiesene Pflanzenarten dar. Dies wird durch das Vorkommen zahlreicher Rote-­Liste-Arten unterstrichen“, heißt es in einer naturschutzfachlichen Bewertung. Dazu trägt bei, dass auf der Fläche kein Pflanzenschutz und Dünger eingesetzt werden, wie der Eigentümer und stellvertretende Bürgermeister Holger Reimer betont. Die Panels sind so hoch montiert, sodass die Flächen darunter mit einem Doppelmesser-Mähgerät befahrbar sind und das Gerät ist so hoch eingestellt, dass Insekten und Reptilien geschont werden. Das Mahdgut wird abgenommen, damit die Flächen nährstoffarm bleiben.

Vorteile für die Kommunen

Bei einem Solarpark müssen – wie bei jeder größeren Baumaßnahme – die Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ausgeglichen werden. „Wir versuchen, die Ausgleichsmaßnahmen möglichst direkt auf der Fläche umzusetzen“, sagt Jensen. Deshalb finden sich auf dem Gelände viele Nistkästen für Insekten und Vögel. Ein Knick beherbergt seltene Wildbienenarten. Die Flächen sind eingezäunt, aber Kleintiere können unter dem Zaun hindurchschlüpfen, und entlang der Wege und Zäune wurden Blühwiesen angelegt. Die Gestelle für die Solarpanels wurden in den Boden gerammt und nicht einbetoniert, um die Bodenversiegelung so gering wie möglich zu halten.

Für die Wattmanufactur ist klar, welchen Pfad die Reise in die regenerative Zukunft einschlagen muss. „Auf 14 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Deutschlands werden derzeit Energiepflanzen für Biogas und Bioethanol unter Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz angebaut. Mit Photovoltaik ließe sich auf zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der gleiche Energieertrag erzielen.“ Kommunen, die sich für das Modell entscheiden, haben einen doppelten Vorteil. Sie profitieren von den Gewerbesteuern und im Rahmen einer Kommunalbeteiligung vom Ertrag.