Bund-Länder-Treffen

„Vertagung hilft nicht“: Reaktionen auf den Migrationsgipfel

Carl-Friedrich Höck11. Mai 2023
Weil, Scholz und Wüst auf der Pressekonferenz nach dem Migrationsgipfel
Nach mühsamen Verhandlungen einig: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Bundeskanzler Olaf Scholz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (v. l.)
Ein guter Tag für den Föderalismus oder doch eher eine Enttäuschung? Die Reaktionen auf die Beschlüsse des Migrationsgipfels fallen unterschiedlich aus. Was Vertreter*innen von Bund, Ländern und Kommunen sagen.

Man habe sich zusammengerauft, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch nach siebenstündiger Beratung mit den Ministerpräsident*innen. Das Ergebnis war ein 16-seitiger Beschluss (PDF) über die gemeinsame Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern. Die wichtigste Vereinbarung: Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen im Jahr 2023 pauschal mit einer weiteren Milliarde Euro. Wie die finanzielle Unterstützung für die Kommunen in Zukunft neu geregelt wird, soll erst im November entschieden werden.

Kommunen enttäuscht

„Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg. Das stoße bei den Kommunen auf große Enttäuschung. Der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe erklärt: „Der Handlungsbedarf bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten ist doch seit Monaten offensichtlich. Die Städte werden jetzt trotzdem weiter auf der Wartebank sitzengelassen, obwohl der Druck vor Ort Tag für Tag steigt.

Alle paar Monate einen fixen Betrag zugeschoben zu bekommen, helfe den Städten bei steigenden Flüchtlingszahlen nicht weiter, so Lewe. „Wir brauchen Planungssicherheit.“ Die bekomme man nur mit einer dauerhaften Regelung zur Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten, die sich steigenden Zuzugszahlen anpasst.

Landkreise: Bund soll Unterkunftskosten komplett übernehmen

Auch der Deutsche Landkreistag ist mit den Ergebnissen nicht zufrieden. „Eine Vertagung drängender Fragen von Begrenzung der Flüchtlingszahlen bis zum Finanzierungssystem hilft den Landrätinnen und Landräten nicht, für die die Situation Tag für Tag schwieriger wird“, sagt dessen Präsident Reinhard Sager. Die Landkreise benötigten über die vereinbarte Milliarde hinaus weitere finanzielle Unterstützung. „Deshalb fordern wir nach wie vor die komplette Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge ab 2022 durch den Bund“, unterstreicht Sager. Der Migrationsgipfel sei „nicht der erhoffte Wendepunkt in der deutschen Flüchtlingspolitik. Sager drängt zudem auf „deutliche Schritte in Richtung einer Begrenzung irregulärer Zuwanderung“.

Genau darauf zielen allerdings weite Teile des Beschlusspapiers von Bund und Ländern. Nur gehen die Meinungen auseinander, ob die darin beschriebenen Maßnahmen weit genug gehen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich mit der Vereinbarung zufrieden: „Dieses Maßnahmenpaket spiegelt exakt die Grundlinien unserer Flüchtlingspolitik wider: Wir schützen die Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind. Damit wir hierzu weiter in der Lage sind, begrenzen wir die irreguläre Migration.“

Faeser: „schnelle Verfahren, konsequente Rückführung”

Es gehe um eine nachhaltige Entlastung der besonders stark geforderten Kommunen, ergänzte Faeser. „Wir sorgen jetzt für schnellere, effizientere und vor allem digitale Verfahren. Auch die konsequente Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern stärken wir. Wir werden weitere Migrationsabkommen mit Herkunftsstaaten schließen, auch damit diese ihre Staatsangehörigen wieder zurücknehmen, wenn sie kein Bleiberecht haben.“ Gleichzeitig würden die deutschen Grenzen viel stärker kontrolliert, als es das Europa der offenen Grenzen eigentlich vorsehe.

Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag Dirk Wiese kommentierte: „Es ist ein wichtiges Signal, dass der Bund und die Länder sich zusammengerauft haben und nun ein tragfähiger und praxistauglicher Kompromiss auf dem Tisch liegt, hinter dem sich alle versammeln können.“ Die Bewältigung der Fluchtmigration sei eine Gemeinschaftsaufgabe. Wichtig sei es, für die Kommunen zu strukturellen und langfristigen Erleichterungen zu kommen.

Weil: Treffen war „die Mühe wert”

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bezeichnete die zugesagte Extra-Milliarde vom Bund in der Pressekonferenz nach dem Gipfel als „notwendiges Signal“. In den Verhandlungen seien die Länder als „Sachwalter der Kommunen“ aufgetreten. Die Grundsatzfrage, wie die Finanzierung der migrationsbedingten Kosten in Zukunft aussehen soll, sei aber nicht gelöst. Von der geplanten Arbeitsgruppe erwarte er nun sehr konkrete Ergebnisse. „Wir haben keinen unverbindlichen Arbeitskreis bilden wollen.“

Der Gipfel habe gleichwohl gezeigt, dass Bund und Länder zu Lösungen in der Lage seien, resümierte Weil. „Das war aus meiner Sicht die Mühe wert“. Olaf Scholz sprach von einem guten Tag für den deutschen Föderalismus. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) klang zurückhaltender: „Mehr war eben nicht drin.“ Doch man habe einen ersten Schritt gemacht und einen klaren Fahrplan verabredet, sagte er mit Blick auf die angekündigte Bund-Länder-Arbeitsgruppe.

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