Gastbeitrag

Wie eine Initiative Betten für ukrainische Geflüchtete vermittelt

Georgia Homann22. Februar 2023
Georgia Homann
Vor einem Jahr begann Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Schnell gründete sich das Projekt #UnterkunftUkraine, das über eine Online-Plattform private Unterkünfte für ukrainische Geflüchtete vermittelt. Projektleiterin Georgia Homann blickt im Gastbeitrag zurück auf große Hilfsbereitschaft, aber auch bürokratische Hürden.

Ende Februar marschieren russische Truppen in die Ukraine ein und zwingen in der Folge unzählige Menschen zur Flucht. Über 400.000 Zuzüge aus der Ukraine nach Deutschland werden bereits im ersten Kriegsmonat nach vorläufigen Ergebnissen einer Sonderauswertung aus der Wanderungsstatistik registriert. Durch ganz Europa geht ein Gefühl der Fassungslosigkeit und der Drang, helfen zu wollen.

Vier Stunden dauert es, bis die Website unterkunft-ukraine.de online geht. Wer helfen will, findet dort ein Formular mit drei Fragen: „Wie heißt du?“, „Wie viele Menschen kannst du beherbergen?“ und „Wo?”. Die beiden Initiatoren Lukas Kunert und Falk Zientz verbreiten ihre Idee über Social Media und schon nach wenigen Tagen werden über 100.000 freie Betten angeboten. Das große Potenzial der privaten Unterbringung wird sichtbar. Um dieses zu nutzen, machen sich die Initiatoren auf die Suche nach Verbündeten im sozial-ökologischen Sektor. Die gut.org gAG übernimmt die Koordination und auf diesem Wege stoße ich als Leiterin zum Projekt – ohne zu ahnen, was wir in den nächsten Monaten erreichen würden.

Bürokratische Hürden erschweren bis heute direkte Hilfe

Mit der frühzeitigen Unterstützung durch das Bundesministerium des Inneren und für Heimat vermittelt #UnterkunftUkraine fast 60.000 Geflüchteten aus der Ukraine ein Angebot. Die private, temporäre Erstunterbringung der Ukrainer*innen etabliert sich zunehmend als Alternative zur staatlichen. Damit sind jedoch neue Herausforderungen verbunden. Bürokratische Hürden wie die Wohnsitzauflage stehen einer unkomplizierten Vermittlung von Schlafplätzen im Weg. Sind Geflüchtete erst einmal registriert, dürfen sie ihren Wohnsitz grundsätzlich nicht mehr frei wählen – auch wenn sie andernorts ein Angebot zur privaten Unterbringung oder zur Miete erhalten haben.

Es fehlt ein zentraler Ort, an dem Informationen für Geflüchtete, staatliche und zivilgesellschaftliche Organisationen digital abrufbar sind: Wo gibt es verfügbaren Mietraum, Schul- und Kitaplätze? Wo haben Kommunen möglicherweise schon Aufnahmestopps verhängt? Inzwischen ist klar, dass zivilgesellschaftliche und staatliche Hilfen Hand in Hand gehen müssen, um die Mammutaufgabe der Verteilung von Geflüchteten in eine sichere Beherbergung zu schultern.

Mehrheit erneut bereit, Geflüchtete aufzunehmen

Nach den ersten Monaten nimmt die Aufmerksamkeit für den Ukraine-Krieg ab. Für #UnterkunftUkraine heißt das: Der Großteil der Gastgebenden hat das Angebot zur privaten Unterbringung in den ersten Wochen nach Beginn des Angriffskriegs gemacht, sodass viele dieser Angebote bald nicht mehr aktuell sind. Hat die Hilfsbereitschaft aber abgenommen? National repräsentative Daten des Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) die am Freitag erscheinen, sagen das Gegenteil: Die Hilfsbereitschaft in der deutschen Bevölkerung ist ungebrochen groß.

Eine erste Studie zur Privatunterbringung, die #UnterkunftUkraine mit dem DeZIM im September veröffentlichte, zeigt: Rund 80 Prozent der befragten Gastgebenden würden auch in Zukunft wieder Geflüchtete aufnehmen. Dieser Anteil ist in den letzten Monaten auf 72 Prozent gesunken, wie aus vorläufigen Ergebnissen der noch bis Ende des Monats laufenden Folgeumfrage hervorgeht. Eine weitere Teilgruppe von 16 Prozent knüpft ihre zukünftige Unterbringungsbereitschaft an Voraussetzungen. Diese vorläufigen Ergebnisse basieren auf aktuell 3.456 Befragten, die durch #UnterkuftUkraine auf die laufende Umfrage aufmerksam geworden sind. Für die Politik ist das ein Signal, Helfenden zu helfen und diejenigen wertzuschätzen, die für Menschen in Not Türen geöffnet haben.

Gastgebende brauchen Unterstützung

Jemanden privat bei sich aufzunehmen, ist mehr, als nur ein Bett zur Verfügung zu stellen. Gastgebende sind häufig bereit, Geflüchtete auch bei Behördengängen zu unterstützen, fühlen sich aber mit wichtigen Fragen allein gelassen. Von Politik und Verwaltung wünscht sich #UnterkunftUkraine, neben finanziellen Hilfen, digitale Lösungen weiterzuentwickeln, die die unkomplizierte und schnelle Hilfe in Notsituationen vereinfachen. Besonders appellieren wir daran, Gastgebende beim Übergang von einer kurzfristigen, privaten Unterbringung in die eigene Wohnung mit langfristiger Perspektive für die Geflüchteten zu unterstützen.

Trotz dieser Herausforderungen zeigen die vorläufigen Ergebnisse aus der DeZIM-Folgestudie: Nahezu 80 Prozent der befragten Gastgebenden haben mit der privaten Unterbringung positive Erfahrungen gemacht – dieselbe Größenordnung also wie in der ersten Befragung. Diese Zahl bildet ab, was die Plattform bereits erreicht hat.

Resilienter für künftige Krisen: Was es noch zu tun gilt

In Zeiten der Not eint die Menschen ein starkes Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit. Sie wollen mit anpacken und sind bereit, dafür zusammenzurücken. Daraus leitet die Initiative die nächste große Aufgabe ab. Es gilt, die geschaffene Lösung und digitale Infrastruktur zu verstetigen, die auch in künftigen Krisen potenziell allen Menschen in Not eine unkomplizierte und schnelle Hilfe in Form von Unterkunft ermöglicht. Denn nach einem Jahr #UnterkunftUkraine ist klar: Zivilgesellschaftliches Engagement hat durch die digitale Vermittlung eine Reichweite und Bedeutung erlangt, die nicht mehr wegzudenken ist. Die Gesellschaft ist ein Stück resilienter geworden.

Georgia Homann hat als Projektleiterin die Vermittlungsplattform für Geflüchtete #UnterkunftUkraine aufgebaut. Nach Angaben der Initiative haben über die Plattform mehr als 160.000 Menschen rund 360.000 freie Betten angeboten.

Offenlegung: Dieser Gastbeitrag wurde uns und anderen Medien proaktiv angeboten.