Das Lieferkettengesetz und die Kommunen
Das Lieferkettengesetz hat für viele Diskussionen gesorgt. Und das ist gut so, denn uns beschäftigen viele Fragen rund um die Globalisierung, den fairen Handel und die Arbeitsbedingungen weltweit schon sehr lange, auch in den Kommunen. Das beeindruckende Engagement vieler Fair-Trade-Städte, -Kreise und -Gemeinden zeigt, dass sich viele Kommunen bereits für nachhaltige Beschaffung einsetzen und dass konkret vor Ort einiges dazu beigetragen werden kann, damit menschenrechtliche und ökologische Standards in unserem Wirtschaften eine immer größere Rolle spielen.
Dabei sind die Diskussionen um freiwillige oder verbindliche Maßnahmen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte sowie um gesetzliche Regelungen nicht neu. Seit zehn Jahren gelten international die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen, seit knapp fünf Jahren haben wir in Deutschland den Nationalen Aktionsplan zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht. Aber dadurch, dass insbesondere die Wirtschaftsverbände und auch das Bundeswirtschaftsministerium sehr lange an ihren Widerständen gegen verbindliche Regeln festgehalten haben, beruhten bisher viele Maßnahmen in erster Linie auf Freiwilligkeit.
Erfolgreich durchgesetzt
Umso bedeutender ist der Durchbruch, der jetzt mit dem Beschluss des Lieferkettengesetzes im Bundestag erreicht werden konnte. Erstmals geht es nicht um freiwillige Maßnahmen, sondern um verbindliche Regeln. Unternehmen müssen das Risiko von Menschenrechtsverletzungen in ihrem geschäftlichen Tun analysieren, Abhilfemaßnahmen entwickeln, Transparenz schaffen und Beschwerdemechanismen voranbringen.
Das Gesetz soll ab 2023 verbindlich für große Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland gelten und ab 2024 dann für alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, wobei die Unternehmensverantwortung nach dem Grad der Einflussmöglichkeit abgestuft ist. Die Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt gelten zunächst für die Unternehmen selbst sowie für unmittelbare Zulieferer. Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, das heißt in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert und adressiert werden, wenn Unternehmen darüber substantiiert Kenntnis erlangen.
Die Opfer von Menschenrechtsverletzungen und die Zivilgesellschaft werden durch das Gesetz gestärkt. Neu eingeführt werden soll die sogenannte Prozessstandschaft, das heißt, dass sich künftig Betroffene vor deutschen Gerichten von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften vertreten lassen und sie zur Prozessführung ermächtigen können. Es wird auch erstmals eine umfangreiche behördliche Kontrolle etabliert. Die Behörde kann bei Verstößen geeignete Buß- und Zwangsgelder verhängen. Der Bußgeldrahmen reicht bei schweren Verstößen bis zu zwei Prozent des weltweiten Konzernumsatzes. Je nach Art des Verstoßes kann das Unternehmen ab einer Geldbuße von 175.000 Euro von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Auch der Umweltschutz ist im Gesetz erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können.
Für die SPD war immer klar: Menschenrechte sind kein Luxus und nicht verhandelbar, sondern Grundlage unserer gesellschaftlichen Ordnung. Deshalb haben wir als SPD-Bundestagsfraktion auch so vehement für ein Lieferkettengesetz gekämpft. Damit haben wir auch den Willen des Großteils der Bevölkerung umgesetzt: Laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im September 2020 sprachen sich 75 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland für ein Gesetz aus. Und 91 Prozent der Befragten gaben an, dass es Aufgabe der Politik sei, dafür zu sorgen, dass deutsche Unternehmen auch bei ihren Auslandsgeschäften Menschenrechte und Sozialstandards achten.
Ein Meilenstein
Aus meiner Sicht ist das Lieferkettengesetz ein echter Meilenstein. Ich freue mich, dass dies auch von vielen Kommunen unterstützt wird. Zahlreiche Kommunen setzen sich bereits für faire, menschenwürdige und ökologische Standards im öffentlichen Einkauf ein und zeigen damit, dass und wie verantwortliche Beschaffung möglich ist. Schon im Frühjahr dieses Jahres hatten einige Städte und Gemeinden gemeinsam die Resolution „Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz“ verfasst. Im März 2021 unterzeichneten 34 Kommunen die Resolution – inzwischen sind es 70 (Stand: 12.05.2021), darunter einige Landeshauptstädte, die für insgesamt über 11 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner stehen.
Ich bin überzeugt, dass das ein starkes Signal ist, wenn bei einem bundesweiten Einkaufsvolumen der öffentlichen Hand von rund 350 Milliarden Euro, wovon ein Großteil auf die Kommunen entfällt, sich kommunale Vertreterinnen und Vertreter dafür einsetzen, dass das ökonomische Steuerungspotenzial wirkungsvoller für die Durchsetzung sozialer und gesellschaftspolitischer Ziele genutzt wird. Allen Engagierten in den Kommunen danke ich für diese Unterstützung und freue mich, dass uns gemeinsam ein durchsetzungsstarkes Lieferkettengesetz gelungen ist.
Der Artikel ist zuerst in der DEMO-Regionalausgabe Bayern erschienen.
MdB, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung und stellvertretende Vorsitzende sowie außenpolitische Sprecherin der Landesgruppe Bayern in der SPD-Bundestagsfraktion