Mehr Frauen in die Kommunalpolitik – Eine Suche nach Antworten
Melanie Balzer wohnt in der Gemeinde Linthe und ist dort seit zehn Jahren Mitglied der Gemeindevertretung. Seit 2014 ist sie Mitglied des Kreistages Potsdam-Mittelmark und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie ist Mitglied der SPD und im Ortsvereins-, Unterbezirks- und Landesvorstand parteipolitisch aktiv. Die 35-Jährige ist verheiratet und hat vier Kinder.
Es ist Montag. Die SPD-Kreistagsfraktion Potsdam-Mittelmark tagt. Elf Männer gehören ihr an. Und vier Frauen. Dienstag, die Gemeindevertretung Linthe trifft sich. Acht Männer und drei Frauen entscheiden über das Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Am Donnerstag berät der Kreistag Potsdam-Mittelmark. Er hat 56 Mitglieder, davon 42 Männer und 14 Frauen. Drei Beispiele aus dem Bereich meines ehrenamtlichen Engagements. Drei Beispiele aus dem Land Brandenburg. Ein Land mit 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. 50 Prozent Männer, 50 Prozent Frauen.
Kommunalpolitik eine Männerdomäne?
In den drei genannten Gremien beträgt die Frauenquote 25 bis 27 Prozent. Eine Studie der Universität Potsdam aus dem Januar 2018 zeigt, dass der durchschnittliche Frauenanteil in brandenburgischen Gemeindevertretungen sogar nur bei 23,3 Prozent liegt. Ist Kommunalpolitik also eine Männerdomäne? Der prozentuale Anteil zeigt, dass sich die Frage mit „ja“ beantworten lässt. Aber woran liegt es, dass deutlich mehr Männer als Frauen Entscheidungen in den Kommunen treffen? Werden Frauen die Wege von den Männern versperrt?
Nur gut ein Viertel aller Mandate in brandenburgischen, kommunalpolitischen Vertretungen wird durch Frauen besetzt. Und das, obwohl wir uns doch täglich schwören, dass wir einander gleichbehandeln und gleichberechtigt sein wollen. Wer hat da versagt? Die Parteien, weil sie bei Listenaufstellungen zu wenig auf Frauen zugehen? Die Wählerinnen und Wähler, weil sie mehr Männern als Frauen ihre Stimmen gaben? Oder womöglich die Frauen selbst, weil sich zu wenige in Parteien organisieren und sich nicht für Wahlen zu Gemeindevertretungen und Kreistagen aufstellen lassen? Sind sie selber schuld an den unausgewogenen Machtverhältnissen?!
Engagement verdient Respekt – egal ob Mann oder Frau
Das kommunalpolitische Engagement von Frauen scheint allen Bemühungen um Gleichberechtigung zu trotzen. Egal wie viel Wert auf paritätisch besetze Listen für Kreistags- oder Gemeinderatswahlen gesetzt wird: Wenn es zu wenige Frauen gibt, die sich engagieren wollen, läuft es im Zweifel eben doch darauf hinaus, dass sich mehrheitlich Männer zur Wahl stellen. Das kann man ihnen schlecht verübeln. Die kommunalpolitisch aktiven Männer haben Spaß an dieser Art der Freizeitbeschäftigung und tun ganz nebenbei auch noch etwas für das Gemeinwohl. Das verdient Respekt. Und wie bei jeder ehrenamtlichen Tätigkeit ist es nicht selbstverständlich, dass sie ihre Freizeit für andere „opfern“.
Bei der Diskussion um mehr Frauen in Partei- und kommunalpolitischen Strukturen geht es allzu oft, um eine Substitutions-Debatte. „Mehr Frauen in der Kommunalpolitik“ ist eben nicht der Ersatz für „die Männer müssen Platz machen“. Wären sie nicht, würden manche Listen zu Kommunalwahlen traurig aussehen. Denn wenn nach dem Reißverschlussprinzip „ein Männlein, ein Weiblein“ schon Schluss wäre, geriete manche Liste äußerst kurz. Das Problem ist häufig nicht, dass die vielen Männer die wenigen Frauen verdrängen, sondern eher, dass die „Ressource Frau“ nicht im ausreichendem Maße vorhanden ist bzw. sich zum Mitmachen bereit erklärt. Muss man also schlussfolgern, dass Frauen schlicht und ergreifend weniger interessiert an politischen Entscheidungsprozessen sind und sich deshalb weniger ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagieren?
Frauen sind anders engagiert
In einer nicht repräsentativen Umfrage und Umschau in meinem eigenen ehrenamtlichen Gefilde fällt auf, dass Frauen durchaus engagiert sind. Ihr Engagement unterscheidet sich jedoch sowohl temporär als auch thematisch. Sie sind Elternvertreterinnen im Kindergarten und in der Grundschule, sie sind Mitglied im Kita-Ausschuss und engagieren sich als Trainerinnen im Sportverein oder als Helferinnen in der Flüchtlingsinitiative. Die Frauen engagieren sich demnach in Tätigkeitsbereichen, die zeitlich begrenzt sind (meist ein bis zwei Jahre bei Elternvertretungen in Schulklassen und Kita-Ausschüssen), die sie gemeinsam mit ihren Kindern wahrnehmen können (Sportvereine, Bastelgruppen u.ä.) und die flexibel in den Tagesablauf integriert werden können (Helferinnen in der Flüchtlingsinitiative).
In der Kommunalpolitik engagieren sich die Frauen in meiner nicht-repräsentativen Umfrage aus folgenden Gründen bislang nicht: Einige können sich nicht vorstellen, dass sie Beruf und Familie mit den Sitzungszeiten und der Sitzungsdauer vereinbaren können. Andere sagen, sie hätten keine Ahnung von Politik und wüssten nicht, was man in einer Gemeindevertretung alles beachten und wissen muss. Und die ein oder andere sagt offen, dass sie die meisten Themen auf der Tagesordnung nicht interessieren.
Strukturen könnten angepasst werden
Zugegeben: Meine Feldstudie hinkt. Sowohl die Datengrundlage als auch die wissenschaftliche Aufarbeitung sind nicht ganz fachgerecht … Dennoch: Kennen wir in unserem Umfeld nicht alle Frauen, wie die hier beschriebenen? Wenn das Problem also ein landesweites ist, wie bereiten wir uns mit Blick auf die Kommunalwahlen 2019 darauf vor? Mit welchen Strategien wollen wir versuchen, mehr Frauen für die Kommunalwahllisten und schlussendlich für die kommunalen Vertretungen zu gewinnen? Welche kurzfristigen Lösungen gibt es bis 2019 und was müssen wir uns langfristig für kommende Wahlen einfallen lassen? Braucht es vielleicht gar eine Neuordnung der tradierten, kommunalen Versammlungsstrukturen? Strukturen, die sich einzelnen Themen zuwenden und zeitlich kürzer agieren?! Strukturen, die auch auf einen intermedialen Austausch setzen und die physische Anwesenheit zum Teil ersetzen könnten?!
Es bleiben uns kommunalpolitisch Aktiven nur wenige Monate, um den vielen Fragen auf den Grund zu gehen und das Ziel paritätisch besetzter kommunaler Vertretungen anzupacken. Wer Ideen hat, Vorschläge unterbreiten möchte oder das alles hier ganz anders sieht, der und die kann sich gern an mich wenden.
Dieser Text ist zuerst im „Landes-SGK EXTRA Brandenburg” der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg veröffentlicht. Im Blog „Meine Sicht” schreiben wechselnde Autor/innen aus persönlicher Perspektive über unterschiedliche kommunale Themen.
wohnt in der Gemeinde Linthe und ist dort seit zehn Jahren Mitglied der Gemeindevertretung. Seit 2014 ist sie Mitglied des Kreistages Potsdam-Mittelmark und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie ist Mitglied der SPD und im Ortsvereins-, Unterbezirks- und Landesvorstand parteipolitisch aktiv.