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Wie umgehen mit der Debattenkultur im Internet?

Erst das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, nun ein Gesetz gegen Hetze: Die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl beschreibt, was der Bund gegen Hass-Postings im Netz unternimmt. Sie meint: Wenn Nutzer*innen sich wegen Beschimpfungen zurückziehen, sei das für den politischen Diskurs fatal.
von Rita Hagl-Kehl · 22. Dezember 2020
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Die Bedeutung des Internets in unserem Alltag wächst von Jahr zu Jahr. Die sozialen Netzwerke spielen dabei gerade für den Austausch untereinander eine entscheidende Rolle. Sie bieten eine Plattform für den sozialen, aber auch den politischen Diskurs und ermöglichen das Aufrechterhalten von Kontakt mit Bekannten. Die sozialen Netzwerke sind aus unserem Alltag nicht mehr hinwegzudenken.

Debattenkultur in Schieflage

Umso erschreckender ist es, dass die auf diesen Plattformen vorherrschende Debattenkultur seit einigen Jahren in Schieflage geraten ist. Manchmal werden öffentliche Diskussionen von Rechtsextremen gekapert, manchmal für persönliche und beleidigende Angriffe genutzt. Die Beschimpfungen können dazu führen, dass Nutzer*innen sich zurückziehen und davor zurückschrecken, sich an Diskussionen zu beteiligen, da sie verletzende Kommentare befürchten. Das ist gerade für den politischen Diskurs fatal.

Zunehmend werden beispielsweise Kommunalpolitiker*innen Opfer von Anfeindungen und Drohungen. Auch in Bayern wird von Fällen berichtet, in denen Kommunalpolitiker*innen beschimpft, wenn nicht sogar mit dem Tod bedroht wurden. Deutschlandweit kam es aufgrund solcher Vorfälle auch zum Rückzug von öffentlichen Ämtern, weil die Bedrohungslage für die Betroffenen ein unerträgliches Maß erreicht hatte.

Mit NetzDG nimmt Deutschland Vorreiterrolle ein

Um der Verbreitung von Hass im Netz etwas entgegenzusetzen, hat der Deutsche Bundestag 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verabschiedet. Damit werden Anbieter sozialer Netzwerke u.a. verpflichtet, eine nutzerfreundliche Möglichkeit zur Meldung von rechtswidrigen Inhalten bereitzuhalten. Außerdem müssen die Anbieter gemeldete Inhalte, die eindeutig rechtswidrig sind, zügig von ihren Plattformen entfernen.

Mit dem NetzDG nahm Deutschland damals eine Vorreiterrolle in der Regulierung von Online-Plattformen ein. Das NetzDG ist ein Instrument, um die Anbieter sozialer Netzwerke stärker als bisher in die Pflicht zu nehmen und strafbare Inhalte schneller zu entfernen. Dabei müssen die Anbieter genau prüfen, ob es sich um einen rechtswidrigen Inhalt handelt. Wichtig ist mir dabei, dass wir mit dem NetzDG ein ausgewogenes System zwischen der Beseitigung von strafbaren Inhalten und der Sicherstellung der Meinungsäußerungsfreiheit auf den Weg ­gebracht haben.

Das NetzDG war damit Vorbild für andere europäische Staaten. Sowohl in Frankreich als auch zuletzt in Österreich wurden Gesetze vorgestellt, die dem deutschen NetzDG nachempfunden sind. Daran wird auch deutlich, dass Hasskriminalität kein spezifisch deutsches, sondern ein europäisches Phänomen ist. Deshalb ist auch zu begrüßen, dass sich die Europäische Kommission im Rahmen des für den Dezember 2020 angekündigten Digital Services Act auch dem Thema Hassrede widmen wird, es steht dort ganz oben auf der Agenda. Das NetzDG war damit auch ein wichtiger Impuls, sich stärker als bisher gegen strafbare Inhalte im Netz einzusetzen.

Das Gesetz zeigt Wirkung

Aus dem kürzlich vorgelegten Evaluierungsbericht zum NetzDG wird deutlich, dass die Regulierung von Anbietern sozialer Netzwerke durch das NetzDG Wirkung zeigt. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass eine deutliche Verbesserung beim Umgang der sozialen Netzwerke mit Nutzerbeschwerden über strafbare Inhalte zu verzeichnen ist. Außerdem lassen sich durch die Transparenzpflichten die Löschpraktiken der Anbieter besser nachvollziehen.

An verschiedenen Stellen zeigte sich jedoch auch Verbesserungsbedarf. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hass­kriminalität soll deshalb eine Meldepflicht für besonders schwere Straftaten eingeführt werden. Die Anbieter sollen künftig strafbare Inhalte, die sie auf eine NetzDG-Beschwerde hin gelöscht haben, dem Bundes­kriminalamt melden, damit von dort die zuständige Staatsanwaltschaft informiert werden kann. Viel zu lang wurde nur gelöscht, ohne dass die Straftäter zur Rechenschaft gezogen wurden. Damit soll sichergestellt werden, dass Anbieter sozialer Netzwerke strafbare Inhalte auf ihren Plattformen nicht nur entfernen, sondern darüber hinaus auch an die Strafverfolgungsbehörden melden. In diesem Zusammenhang wurde auch die besondere Betroffenheit von Kommunalpolitiker*innen in den Blick genommen. Die neue Fassung des § 188 StGB stellt klar, dass üble Nachrede oder Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens auch dann strafbar sein kann, wenn diese sich auf kommunaler Ebene engagieren. So kann ein besserer Schutz von Kommunalpolitiker*innen gewährleistet werden.

Gesetze alleine reichen nicht

Weitere Verbesserungen sind mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des ­Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vorgesehen, der derzeit im Deutschen Bundestag beraten wird. So soll u.a. sichergestellt werden, dass Anbieter sozialer Netzwerke die ­Nutzerfreundlichkeit der Meldewege für Beschwerden weiter verbessern. Außerdem soll ein Verfahren eingeführt werden, welches Nutzer*innen erlaubt, die Entscheidung der Anbieter über die Entfernung oder Nicht­entfernung eines Inhalts, einer zweiten Prüfung unterziehen zu lassen.

Gesetzliche Maßnahmen allein reichen nicht aus, um Hassrede aus dem Diskurs zu verdrängen. Sie bieten aber eine Grundlage, um die schwersten Anfeindungen wirksam zu entfernen. Auf dieser Grundlage kann eine starke Zivilgesellschaft aufbauen, die bereits jetzt mit vielen Initiativen der wichtigste Faktor für einen konstruktiven und demokratischen Diskurs ist.

Autor*in
Rita Hagl-Kehl

Mitglied der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und Parlamentarische Staatssekretärin

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