Hetze in Sozialen Medien

Wie ein digitales Gewaltschutzgesetz aussehen könnte

Christian Rath22. Mai 2023
Neue Regeln für Soziale Medien: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat ihren Vorschlag für ein Gesetz vorgestellt.
Hass und Verleumdungen in Sozialen Medien sind ein Problem, nicht nur für Kommunalpolitiker*innen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte präsentierte ihren Entwurf für ein „digitales Gewaltschutzgesetz”, während Justizminister Buschmann noch mit Vorarbeiten zugange ist.

Wer persönlich von strafbarer digitaler Hetze betroffen ist, soll künftig bei sozialen Plattformen wie Twitter die Sperrung der entsprechenden Hetz-Accounts verlangen können. Das sieht ein Gesetzentwurf der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor, der an diesem Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Normalerweise machen zivilgesellschaftliche Organisationen Vorschläge und die Politik setzt diese (manchmal) in Gesetzentwürfen um. Hier läuft es umgekehrt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat im April nur Eckpunkte für ein „Digitales Gewaltschutzgesetz” vorgelegt, während die GFF nun schon einen 35-seitigen Gesetzentwurf präsentierte.

Betroffene von Hetze werden gestärkt

Konkret sollen Menschen gestärkt werden, so die GFF, die im Netz Opfer von Beleidigungen, Verleumdungen und Bedrohungen werden. Auch jede sonstige Verletzung von Persönlichkeitsrechten, etwa das unbefugte Verschicken von Nacktbildern, soll den Betroffen Ansprüche gegen die dabei genutzte Online-Plattform geben. Die Opfer können zumindest verlangen, dass der Zugang zum verletzenden Inhalt gesperrt wird. Aber sie können laut Gesetzentwurf auch beantragen, dass der Account des entsprechenden Nutzers „für eine angemessene Zeit” gesperrt wird.

Der Anspruch richtet sich gegen die jeweilige Plattform, weil die Hetzenden meist unter dem Schutz von Pseudonymen agieren und deshalb rechtlich nicht greifbar sind. „Accountsperren sind das einzige Mittel, das schnell und effektiv dort ansetzt, wo digitale Angriffe stattfinden”, sagte Ulf Buermeyer, der GFF-Vorsitzende, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Zugleich bleibe so das Recht auf anonyme Internet-Kommunikation unangetastet.

Gelegenheit zur Stellungnahme

Damit das neue Recht nicht missbraucht wird, um legitime Meinungsäußerungen mundtot zu machen, müssen die vermeintlichen Hetzer*innen im Verfahren beteiligt werden. Die jeweilige Online-Plattform hat ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, so der GFF-Gesetzentwurf. Diese Stellungnahme sollen sie auch unter ihrem Netz-Pseudonym abgeben können.

Mit dem Gesetzentwurf wollen die GFF-Bürgerrechtler nicht nur den Betroffenen von so genannter „digitaler Gewalt” helfen, sondern auch die freie gesellschaftliche Debatte verteidigen. Es bestehe die Gefahr, dass Menschen sich aus Angst vor Drohungen aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen. „Wenn Menschen auf diese Weise mundtot gemacht werden und nur die lautesten und extremsten Stimmen im Netz übrig bleiben, gefährdet das unsere Demokratie”, kritisierte Steffen Jost von der Alfred Landecker-Stiftung, die das Projekt unterstützt.

Unterschiede zum Entwurf des Ministeriums

Der Gesetzentwurf der GFF geht an zwei Punkten über die Eckpunkte des Justizministeriums hinaus. So sollen die Opfer von strafbarer Hetze sofort Accountsperren beantragen können und nicht nur bei Wiederholungsgefahr wegen wiederholter Angriffe. Außerdem sollen Nutzerkonten auch wegen Volksverhetzung gesperrt werden können. Antragsberechtigt wären dann alle Mitglieder der angegriffenen Gruppen.

Vor allem aber verzichtet der GFF-Entwurf auf verbesserte Auskunftsrechte der Betroffenen. Während Justizminister Buschmann den Opfern einen Anspruch auf Mitteilung der vom Hetzer benutzten IP-Adresse geben will, damit diese so dessen Klarnamen recherchieren können, lehnt die GFF dies ab. Sie sorgt sich, dass damit ein neuer Grund für die Einführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung geschaffen wird. Das aber ist sicher nicht die Absicht von Buschmann, der ja selbst einer der größten Gegner von Vorratsdatenspeicherungen ist.

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