„Rent a Bürgermeister“

Timur Özcan: „Ich erhalte unglaublich viele Einblicke“

Uwe Roth27. März 2024
Timur Özcan (SPD) im Miet-Einsatz. Mit seiner Aktion „Rent a Bürgermeister“ hat er über die Grenzen der Gemeinde Walzbachtal Aufsehen erregt.
Mit „Rent a Bürgermeister“ hat Timur Özcan (SPD) in seiner Gemeinde Walzbachtal und darüber hinaus Aufmerksamkeit erregt. Vom Staatsanzeiger Baden-Württemberg erhielt der 33-Jährige eine Auszeichnung für seine „wegweisende Initiative“.

Herr Özcan, was war bisher Ihr interessantester Miet-Einsatz?

Die Einsätze als Rent-a-Bürgermeister sind allesamt sehr interessant, und ich erhalte unglaublich viele Einblicke in die jeweiligen Bereiche. Mein Einsatz in der vollstationären Pflege war beeindruckend. Es war schön zu sehen, wie sich hier vor Ort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zeit nehmen, um die Menschen im Alltag zu begleiten.

Müssen die Vereine, oder wer auch immer Sie mietet, etwas spenden oder irgendeine andere Gegenleistung erbringen?

Bei Vereinen oder sozialen Einrichtungen wie beispielsweise ein Pflegezentrum wird keine Gegenleistung eingebracht. Lediglich bei Gewerbetreibenden gilt die Regel, Einsatz des Bürgermeisters gegen eine Spende für einen guten Zweck. Beispielsweise war ich an der Kasse eines Supermarkts. Die Spende der Geschäftsleitung ging dann an das Martinshaus. Das ist ein Angebot für erwachsene Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen.

Gibt es eine Warteliste bzw. wie oft sind Sie im Einsatz?

Die Aktion hat sich sehr schnell verbreitet über unser Amtsblatt, Sozialen Medien, der Presse und vor allem über persönliche Gespräche. Also, ich bin gut beschäftigt.

Gehen Sie aktiv auf die Bevölkerungsgruppen zu, die man nicht über die Lokalzeitung, das Gemeindeblatt oder die Vereine erreicht?

Das Engagement von mir als Bürgermeister in den Vereinen, Gewerbetreibenden oder sozialen Einrichtungen wurde und wird sehr gut aufgenommen. Unabhängig von der Partei habe ich auch aus dem Gemeinderat positive Rückmeldungen erhalten.

Sie waren noch keine 30, als Sie gewählt wurden. Lassen Sie zum Beispiel alte Vereinsvorstände spüren, dass man Sie für einen Jungspund hält?

Mit 28 Jahren wurde ich zum Bürgermeister der Gemeinde Walzbachtal gewählt. Damals war ich jüngster Bürgermeister im gesamten Landkreis Karlsruhe. Inzwischen bin ich 33 Jahre und bin zwar immer noch jung, aber das Altersproblem wird Jahr für Jahr von allein geringer 😊. Spaß bei Seite, das Alter wurde bei vielen mir gegenüber als Vorteil zurückgemeldet. „Jung und Dynamisch“. Das Alter war nie ein Problem.

In Ostdeutschland initiiert die AfD solche Aktionen, um ihre vermeintliche Bürger-Nähe und die Bürger-Ferne der etablierten Parteien zu demonstrieren. Sind ihre Einsätze nicht allein deswegen wichtig, um öffentlich zu zeigen, dass Bürgernähe nicht der AfD gehört?

Bürgernähe, Kommunikation und Transparenz habe ich mir von Anfang an auf die Fahne geschrieben. Es ist unglaublich wichtig die Menschen in der Gemeinde mitzunehmen. Meine Aktion „Rent a Bürgermeister“ ist keine Wahlkampfaktion, sondern fester Bestandteil meines Bürgermeister-Daseins.

Demnächst sind Kommunalwahlen und die Europawahl. Müssen Sie als SPD-Mitglied in nächster Zeit auf solche Einsätze verzichten, weil ansonsten die politischen Gegner dies als Verstoß gegen die Neutralitätspflicht bezeichnen könnten?

Die Neutralitätspflicht werde ich selbstverständlich einhalten und entsprechend wird die Karenzzeit berücksichtigt.

Haben Sie Tipps für Ihre Bürgermeister-Kolleg*innen, wie sie „Rent a Bürgermeister“ planen sollten?

Inzwischen wurde meine Aktion, die von mir ins Leben gerufen wurde, schon mehrfach übernommen. Auch hatte ich einige Anfragen erhalten, die wissen wollten, wie die Aktion geplant beziehungsweise umgesetzt werden kann. Ich kann die Aktion oder ähnliche nur jedem Kollegen, jeder Kollegin empfehlen, um vor allem Bürgernähe, das persönliche Kennenlernen der jeweiligen Einrichtungen oder Institutionen und besonders die Menschen dahinter kennenzulernen.