FAQ zur Finanzierung

Die wichtigsten Antworten zur geplanten Krankenhausreform

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Vorhalteleistungen statt Fallpauschalen, mehr Fokus auf Qualität und Daseinsvorsorge: Seit Gesundheitsminister Lauterbach Pläne für eine Krankenhausreform vorgestellt hat, werden diese kontrovers diskutiert. Wir erklären, worum es geht und was die Reform für die Kommunen bedeutet.

Mit der Krankenhausreform hat die vom Gesundheitsministerium ins Leben gerufene Regierungskommission Vorschläge für eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vorgelegt. Bis zum Sommer 2023 wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf dieser Grundlage konkrete Eckpunkte erarbeiten.

Was sollen die Reformvorschläge bringen und was ändert sich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie hat die Krankenhausfinanzierung bisher funktioniert?

Bislang wurden Kliniken über sogenannte Fallpauschalen finanziert: das DRG-System. Das ist ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Patient*innen anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden. Seit rund 20 Jahren bildet es die Grundlage der Vergütungen pro Behandlungsfall – unabhängig davon, wie aufwendig die Behandlung tatsächlich ausfällt.

Warum gibt es Kritik an den Fallpauschalen?

Sie führen dazu, dass manche Behandlungen als besonders lukrativ gelten, beispielsweise Hüft-OPs. Ihre Zahl hat deswegen zugenommen. Andere Bereiche sind wirtschaftlich weniger attraktiv. Viele Kinderstationen wurden in den vergangenen Jahren dichtgemacht, weil der damit verbundene Aufwand sich aus Sicht der Kliniken nicht rechnete. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisiert: Mit den DRG-Pauschalen dominiere die Ökonomie in der Medizin.

Wie soll die Krankenhausfinanzierung in Zukunft aussehen?

Fallpauschalen sollen künftig nur noch eingeschränkt zur Finanzierung herangezogen und Kliniken anders honoriert werden. Kriterien hierfür sollen sein: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen.

Was sind Vorhalteleistungen?

Die Regierungskommission empfiehlt, künftig einen festen Betrag als Vorhaltekosten zu definieren, den Krankenhäuser – je nach ihrer Zuordnung (Versorgungsstufen) – erhalten. Die Kliniken bekommen also Geld dafür, dass sie eine medizinische Versorgung für den Bedarfsfall bereitstellen – unabhängig davon, wie viele Krankenfälle es gibt. Damit soll wirtschaftlicher Druck von den Krankenhäusern genommen werden.

Was sind Versorgungsstufen?

Danach sollen Krankenhäuser künftig in drei Stufen (Level) eingeordnet und gefördert werden: In die Grundversorgung (Level I) fällt die medizinische und pflegerische Basisversorgung, zum Beispiel grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle. Bei der Regel- und Schwerpunktversorgung (Level II) geht es um Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten. Eine Maximalversorgung (Level III) wird beispielsweise in Universitätskliniken geboten. Für jede Stufe sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten.

Krankenhäuser der Stufe I müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren und nochmals unterteilt werden in Kliniken, die eine Notfallversorgung sicherstellen (Level I n) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level I i). Letzteren wird eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur integrierten Gesundheitsvorsorge eingeräumt. Sie sollen wohnortnah ambulante fachärztliche Leistungen mit Akutpflegebetten verbinden und werden abweichend geplant und vergütet. Die Regierungskommission empfiehlt, sie vollständig aus dem Fallpauschalen-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Außerdem sollen sie unter pflegerischer Leitung stehen können.

Für die Krankenhäuser der Level In, II und III wird für jede Leistungsgruppe der Anteil des Vorhaltebudgets festgelegt.

Was sind Leistungsgruppen?

Künftig sollen Behandlungen nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Die Voraussetzungen für die Zuteilung hängen beispielsweise von der personellen und apparativen Ausstattung einer Klinik ab. Ziel ist es, die Behandlungsqualität für die Patient*innen zu verbessern. Für jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt.

Für die Leistungsgruppen der Intensivmedizin, der Notfallmedizin, Geburtshilfe und Neonatologie (Spezialbereich der Kinder- und Jugendmedizin) soll es künftig einen Vorhalteanteil von 60 Prozent geben, für alle übrigen Leistungsgruppen einen 40-prozentigen Anteil.

Wie schnell soll die Reform umgesetzt werden?

Die Regierungskommission empfiehlt darüber hinaus, die Regelungen in einer großzügigen Übergangsphase schrittweise einzuführen (Konvergenzphase von 5 Jahren). Damit bleibt den Krankenhäusern, den Ärzt*innen, Krankenkassen und Ländern ausreichend Zeit, sich auf das veränderte Finanzierungssystem einzustellen.

Warum betrifft die Krankenhausreform auch die Kommunen?

Der Anteil kommunaler Krankenhäuser nimmt zwar kontinuierlich ab, dennoch machen sie einen wichtigen Teil der Kliniklandschaft aus. 29 Prozent der deutschen Krankenhäuser befinden sich in öffentlicher Trägerschaft (Stand 2021). Weil es sich häufig um große Häuser handelt, stellen die öffentlichen Einrichtungen sogar fast die Hälfte aller Betten.

In der Debatte um die Krankenhausreform geht es auch darum, wie künftig die Versorgung im ländlichen Raum organisiert werden kann. Ein Krankenhaus zu betreiben ist teuer, und die Kosten steigen. Seit Jahrzehnten schreitet das Kliniksterben voran: Von den 2.221 Krankenhäusern, die es im Jahr 2001 in Deutschland gab, waren 20 Jahre später nur noch 1.887 übrig (Quelle: Statistisches Bundesamt). Nach Ansicht vieler Expert*innen wird sich diese Entwicklung fortsetzen, ob mit oder ohne Reform. Diese muss die Frage beantworten, wie künftig mit weniger Kliniken eine gute Gesundheitsversorgung gewährleistet werden kann.

Welche Auswirkungen wird die Reform in der Fläche haben?

Das lässt sich aktuell nicht abschließend beantworten, weil viele Details der Reform erst noch in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe festgelegt werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat auf Grundlage des Konzepts der Regierungskommission eine Auswirkungsanalyse erarbeitet. Demnach würden von 1.700 untersuchten Standorten künftig noch 230 Krankenhäuser den oberen beiden Leveln zugeordnet. 630 Kliniken wären entweder dem neuen Level 1i zugehörig oder könnten aktuell gar keinem Level zugeordnet werden. Darunter fallen viele potenzielle Fachkliniken. Etwa 830 Kliniken wären für das Level 1n ausgestattet – also Notfallversorgung. Von ihnen könnten viele diesen Status jedoch noch abgesprochen bekommen, wenn innerhalb der näheren Umgebung (30 Minuten Fahrtzeit) eine größere Klinik erreichbar ist.

„Das macht uns Sorgen, vor allem mit Blick auf die Erreichbarkeiten der Kliniken in der Fläche und die unter Umständen gravierenden Veränderungen der Patientenströme“, kommentierte der Präsident des Deutschen Landkreistages Reinhard Sager die Analyse der DKG. Der Ansatz, größere und stärker spezialisierte Krankenhäuser zu schaffen, sei aber nicht per se zu kritisieren.

Wer unterstützt die Reformpläne?

Unter anderem kommunale Großkrankenhäuser, Universitätskliniken und Betriebskrankenkassen. Ihre Interessenverbände (AKG, VUD und BKK) betonen in einer gemeinsamen Mitteilung: „Alle Akteure im Gesundheitswesen halten die Reform für zwingend notwendig.“ Diese dürfe nicht durch Länderöffnungsklauseln und Ausnahmetatbestände verwässert werden.

Der VUD-Vorsitzende Jens Scholz erklärt: „Es macht keinen Sinn, dass jedes Krankenhaus jede Behandlung vornehmen darf, obwohl die strukturellen Voraussetzungen wie qualifiziertes Personal für eine hochwertige 24/7-Versorgung dort nicht vorhanden sind.“

Matthias Bracht, Vorstandsvorsitzender des Interessenverbandes kommunaler Großkrankenhäuser, mahnt: „Wir haben keine Zeit mehr für ein unendliches Ping-Pong zwischen Bund und Ländern.“ Eine schnelle Einigung auf ein gemeinsames Zielbild sei die besten Hilfe für alle Krankenhäuser. „Mit einer verbindlichen Rollenverteilung entstehen neue Perspektiven für eine nachhaltige Zusammenarbeit vor Ort.“

 

Weiterführende Informationen: