Neue Statistik

Windkraftausbau nimmt Fahrt auf – aber zu langsam

Carl-Friedrich Höck18. Juli 2023
Windräder in Meyenburg
In diesem Jahr werden voraussichtlich deutlich mehr Windräder gebaut als im Vorjahr. Trotzdem mahnen Branchenverbände: Um die Ausbauziele der Bundesregierung zu erreichen, brauche es mehr Flächen und schnellere Genehmigungen.

Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Deutschland 331 neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 1.56 Gigawatt fertiggestellt. Damit wurden schon jetzt 65 Prozent der Leistung erreicht, die im gesamten Vorjahr neu installiert wurde. Das geht aus neuen Zahlen hervor, die der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Anlagenbauer-Verband VDMA am Dienstag veröffentlicht haben.

Schleswig-Holstein ist Vorreiter

„Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Silke Lüers. Sie arbeitet als Projektmanagerin für das Beratungsunternehmen Deutsche Windguard, das die neuen Zahlen ausgewertet hat. Regional gebe es deutliche Unterschiede. Klarer Spitzenreiter beim Zubau sei Schleswig-Holstein, gefolgt von Niedersachsen. Auf den hinteren Plätzen landen die Stadtstaaten, Bayern, Thüringen und das Saarland. Schlusslicht ist Sachsen: Hier sind die Kapazitäten sogar rückläufig, weil bestehende Anlagen abgebaut wurden.

Trotz insgesamt positiven Trends reicht das Ausbautempo bisher nicht, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Ab dem Jahr 2025 sollen jährlich zehn Gigawatt neu zugebaut werden. In diesem Jahr werden es, wenn sich der Trend aus dem ersten Halbjahr fortsetzt, etwas über drei Gigawatt sein.

Reformen wirken mit Verzögerung

Die aktuellen Zahlen resultieren aus Genehmigungen, die schon vor längerer Zeit erteilt wurden. „Bei einer Beantragung einer Windenergieanlage vergehen im Schnitt immer noch vier Jahre, bis der erste Strom erzeugt werden kann. Das ist deutlich zu lang“, erklärt Dennis Rendschmidt vom VDMA.

Das bedeutet auch: Was die aktuelle Bundesregierung für den Windkraft-Ausbau unternommen hat, spiegelt sich in der Statistik noch kaum wider. Die bisherigen Maßnahmen der Ampel-Koalition bewerten die Lobbyverbände durchaus positiv. Im Februar 2023 ist ein Windenergie-an-Land-Gesetz in Kraft getreten. Es soll die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Außerdem sieht es vor, dass die Länder bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen. Bis 2027 sollen es 1,4 Prozent sein. Derzeit sind 0,8 Prozent der Flächen für die Windkraft vorgesehen.

Fehlende Flächen, lange Verfahren

Genau hier hakt es auch nach Meinung der Branchenverbände. „Langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Mangel an verfügbaren Flächen stellen weiter die größten Zubauhürden dar“, kommentiert Rendschmidt. Mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 24,5 Monaten sei sogar ein neuer Höchstwert erreicht worden. Das Problem aus seiner Sicht: Die vereinfachten Verfahren würden in den Bundesländern noch kaum angewandt.

Ein „echter Flaschenhals“ seien die Genehmigungen, die für den Transport der Windkraft-Anlagen benötigt würden. In den Niederlanden sei die Erlaubnis nach wenigen Tagen da. In Deutschland müsse man im Schnitt zwölf Wochen auf die Genehmigung für einen Schwertransport warten, kritisiert Rendschmidt.

Stimmungswandel in Kommunen

Weil Flächen bisher knapp sind, könnte dem Repowering eine wichtige Rolle zukommen – dabei werden bestehende alte Windräder durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt. „Das Repowering wird bei weitem noch nicht ausreichend genutzt“, resümiert Bärbel Heidebroek, Präsidentin des BWE. Kurz- bis mittelfristig könne hier ein Potenzial von 54 Gigawatt gehoben werden, rechnet sie vor.

Nach Heidebroeks Eindruck nimmt die Unterstützung der Kommunen für den Windkraftausbau zu. „Da sehen wir viel Aufbruchstimmung“, sagt sie. Viele Kommunen wollten Flächen ausweisen und klimaneutral werden. Eine Rolle spiele auch, dass Kommunen seit diesem Jahr an den Einnahmen aus Windparks beteiligt werden können. 0,2 Cent pro Kilowattstunde Strom fließen dann in die Gemeindekasse. Doch nach wie vor gebe es auch Landkreise, die den Ausbau blockieren, sagt Heidebroek. Insbesondere in Süddeutschland stocke der Ausbau.

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