Blog Aus den Bundesländern

Wie Mainz das Innenstadt-Leben zurückholen will

Wolfgang Kröhler11. Mai 2021
Der Mainzer OB Michael Ebling in der City
Der Corona-Lockdown legt die Innenstädte lahm – und es drohen Langzeit-Folgen. Dagegen stemmt sich die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt mit dem Programm „Mainz startet durch“. Wir haben Oberbürgermeister Michael Ebling gefragt, wie der Strukturwandel gelingen soll.

Die Corona-Pandemie, die schon jetzt seit über einem Jahr unseren Alltag mehr oder weniger bestimmt, hat Strukturprobleme schonungslos offengelegt. So stehen zum Beispiel unsere Innenstädte vor einem großen Wandel. Die zeitweisen Schließungen von Handel, Gewerbe, Kultur  und Gastronomie haben die Citys in leblose Zonen verwandelt. Die Angst geht um: Können sich unsere Innenstädte nach der Pandemie wieder erholen, kehrt das Leben zurück? Oder stehen sie vor einem grundsätzlichen Wandel? Corona hat die Probleme aufgezeigt, aber auch schon davor deutete sich an, dass die Innenstädte vor großen Herausforderungen stehen. Die Politik muss dringend Konzepte und Zukunfts­ideen entwickeln, um ein pulsierendes Leben in den Citys auch in Zukunft zu gewährleisten. Mit dem SGK-Landesvorsitzenden und Mainzer Oberbürgermeister Michael ­Ebling führte DEMO zu dem Thema nachfolgendes Interview.

DEMO: Die Corona-Pandemie hinterlässt vor allem in den Innenstädten negative Spuren. Seit einem Jahr sind sie mehr oder weniger „dicht“, das pulsierende Leben hat sich weitgehend verabschiedet. Wie hat sich Mainz in dieser Zeit verändert?

Michael Ebling: Mein Eindruck ist: Die Stadt ruht, aber sie schläft nicht. Die Fußgängerzonen sind nicht mehr mit Menschen gefüllt, und wenn, halten sie sich zum allergrößten Teil an die AHA-Regeln. Gastronomie und Cafés und in der Nacht die Clubs fehlen, was die Stadt eben nicht belebt. Für den Einzelhandel wird die lange Zeit des Lockdowns zunehmend bedrohlich. Das ist eine wirklich sehr ernste Situation, zerrt an den Nerven und Ersparnissen der inhabergeführten Geschäfte. Gleichsam werden die Geschäftsleute und Wirte in Mainz nicht müde, sich neu zu erfinden und auf schnell verändernde Gegebenheiten einzustellen: Abhol- und To-go-Angebote, lokale Lieferdienste, Gutscheinsysteme, neue Koopera­tionen zwischen den Einzelhändlern und innovativen Start-ups halten den Puls einer Stadt zum Glück aufrecht. Ich wünsche mir, dass neu Entstandenes, insbesondere an regionaler Qualität und Kooperation, über die Pandemie fortbesteht.

Ein Strukturwandel in den ­Citys hatte sich aber schon vor den pandemiebedingten Einschränkungen im Einzelhandel angedeutet, ist aber natürlich jetzt nochmals massiv beschleunigt worden. Wie will sich die ­Landeshauptstadt gegen sich leerende Innenstädte stemmen und das Leben zurückholen?

Die Sorge teile ich, dass sich durch die Pandemie die Trends des Strukturwandels samt ihrer problematischen Folgen in den Innenstädten beschleunigt haben. In der Analyse darüber herrscht auch unter allen Akteuren Einigkeit, das zeigt auch der Handelsgipfel des Wirtschaftsministeriums. Die Lösung hierfür liegt aber nicht auf dem Silbertablett bereit.

In Mainz wollen wir umfassend gegensteuern. Unser Ziel ist gemeinsam mit dem Handel und der Gastronomie eine vitale, eine vielfältige, eine attraktive Innenstadt, die als ­Mainzer Zentrum und Schaufenster unverwechselbar erlebbar sein muss. In den vergangenen Jahren haben wir bereits bewusst angefangen, die ­Attraktivität der Mainzer Innenstadt in einem seit Jahrzehnten beispiellosen Umfang zu steigern, indem wir dank der Städtebauförderung des Landes investieren. In der Konsequenz setzen wir die Meilensteine des „Integrierten Entwicklungs­konzeptes“ für die Mainzer Innenstadt um. Wir schaffen neue attraktive Straßen und Plätze, wandeln dabei graue in grüne Fläche um, um die Aufenthaltsqualität weiter zu steigern.

Zeitgleich wollen wir den Mainzerinnen und Mainzern und allen Gästen des Umlandes zeigen, dass es sich lohnt, in unsere Stadt zu kommen und dass es sich besser anfühlt, vor Ort als online einzukaufen – Mainz ist regional, nachhaltig und erlebnisreich.

Das Land Rheinland-Pfalz hat jetzt ein Modellvorhaben ­„Innenstadt-Impulse“ ­aufgelegt. Ist dies ein Instrument, um die Städte zukunftsfähiger zu ­machen und wie kann Mainz ­davon profitieren?

Ja, es ist ein sehr hilfreiches Instrument. Es gibt den Städten unmittelbar Handlungsspielraum, die sie mit den Öffnungen nach dem Lockdown geradewegs brauchen. Wir sind aktiv dabei, die Mittel in Abstimmung mit den lokalen Kammern und Verbänden umgehend in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Die „Innenstadt-Impulse“ unterstützen und beflügeln das Mainzer Aufbruchprogramm „Mainz startet durch“. Der Handlungsspielraum, den die Landesregierung den Kommunen gibt und lässt, ist klug, denn jede Innenstadt hat ihren eigenen Charakter, aber auch ihre eigenen Schwächen. Das Programm erlaubt es damit den großen Städten im Land als Versuchsballons voranzugehen, um zu sehen was wirkt.

Eine moderne ­Stadtentwicklung muss viele Gesichtspunkte ­berücksichtigen. Reine Einkaufsstätten gehören wohl der ­Vergangenheit an. Vielmehr wünschen sich die Menschen einen Mix aus Wohnen, ­Kultur, Arbeit, Einkaufen, aber auch viel mehr Grün. Haben Sie schon ­Ideen, wie vor diesem ­Hintergrund die Landeshauptstadt ihr Gesicht ändern wird?

Eine Stadt, insbesondere die Innenstadt, sollte auf das Leben der Menschen und ihre Zukunftswünsche Antwort geben. Dabei muss sie stets neuartig und kreativ bleiben, um nichts von ihrer Anziehungskraft zu verlieren. Ich würde die Zukunft von Innenstädten heute mit „Erlebbarer Nachhaltigkeit“ überschreiben und nicht mehr mit „Einkaufserlebnis“.Für mich gehört dazu, dass wir fairen und nachhaltigen Handel in unserer Stadt stärken und ihn sichtbar machen. In Mainz haben wir einen Nachhaltigkeits-Stadtplan ­(„MaNaMa“) aufgelegt, in dem wir Orte sichtbar machen, die für gesunde Ernährung und nachhaltigen Konsum stehen, und zeigen die Vielzahl an Möglichkeiten nachhaltigen Konsums, Tausch-, Teil-, Upcycle- und Repairangebote auf.

Wir wollen als weiteres Beispiel „Mainzer Wandertage“ starten, von den Stadtteilen in die Mainzer Innenstadt und umgekehrt. Dabei kombinieren wir regionale Angebote mit historischen Führungen und schaffen im besten Sinne der Sache neue Zugänge zur Innenstadt und den Stadtteilen. Die Stadt in ihrer Vielfalt immer wieder neu zu entdecken, das wollen wir dabei erreichen.

Genauso wichtig ist, die Stadt auf vielen Wegen erreichen zu können. Das Auto hat dabei nicht mehr Priorität. Ein Angebot aus guter Erreichbarkeit mit Fahrradrouten und gut getaktetem ÖPNV mit Innovationen – von selbstfahrenden Bussen bis On-Demand-Shuttles mit E-Autos – hält die Stadt zukunftsorientiert mobil und hinterlässt beim Besuch ein nachhaltiges Gefühl.

Die Oberzentren genießen beim geplanten ­Strukturwandel ­zunächst Priorität. Ist es aber nicht genauso wichtig, die kleineren und mittleren Städte zukunfts­fähig zu machen? Ist auch hier die Landesregierung als ­Impulsgeberin mit finanzieller ­Unterstützung gefordert? 

Absolut. Die kleineren und mittleren Städte müssen ebenso Unterstützung erhalten, das ist keine Frage für mich. Sie haben neben der Pandemie eben auch halt nochmal andere Herausforderungen, bedingt durch den strukturellen Wandel, als es die großen Städte haben. Um ­flächendeckend gute Lebensverhältnisse in Rheinland-Pfalz zu haben, sind wir auf die kleineren und mittleren Städte stark angewiesen. Ich bin froh, dass die Landesregierung mit der Vorstellung der „Innenstadt-­Impulse“ für die Oberzentren zeitgleich zugesichert hat, dass es im kommenden Jahr Mittel und Förderungen für die kleineren und mittleren Städte geben wird.

Mehr Informationen:
www.mainz.de/mainz-startet-durch

 

Dieses Interview stammt aus dem Landes-SGK EXTRA Rheinland-Pfalz der gedruckten DEMO (erschienen im April 2021). Es wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Rheinland-Pfalz veröffentlicht.