Erschließungsbeiträge in Bremen

Warum Anwohner einstiger preußischer Straßen nicht mehr zahlen müssen

Ulf Buschmann22. April 2023
Schlagloch-Erschließungsbeitrag-Straße
Die meisten der einst prußischen Straßen in Bremen müssen grundsaniert werden.
Der Bremer Senat hat beschlossen, mit dem preußischen Erbe Schluss zu machen: Erschließungsbeiträge für alte Straßen werden nicht mehr fällig.

Unter dem Asphalt von rund 400 Bremer Straßen findet sich Historisches: mal grob, mal fein verlegtes Kopfsteinpflaster. Einst rumpelten dort Pferdefuhrwerke, später waren es Autos. Je mehr der Verkehr zunahm, desto lauter wurde es. Also kamen vor allem in den 1960er- und teilweise noch in den 1970er-Jahren Baukolonnen, um das Kopfsteinpflaster mit einer Asphaltschicht zu überziehen. Für einen zeitgemäßen Ausbau war kein Geld da. Taten sich Schlaglöcher auf, wurden diese eben geflickt.

Anwohner, Politik und Verwaltung gewöhnten sich an den Zustand. Erst Jahrzehnte später zeigte sich: Die bisherige Praxis der Flickkolonnen funktioniert nicht mehr. Einige Straßen sollten in den kommenden Jahren fachgerecht von Grund auf neu gebaut werden. Dafür sollten die Anwohner, die oftmals seit Generationen dort wohnen, plötzlich tausende Euro an Erschließungsbeiträgen zahlen. Die Bauverwaltung sah sich mit zahlreichen Protesten konfrontiert.

Straßen meistens im Norden der Stadt

Das Besondere an diesen 400 Straßen: Sie befinden sich zum Großteil Norden Bremens. Auch im Süden der Stadt gibt es einige. Diese Stadt- und Ortsteile waren bis zu ihrer Eingemeindung in die Hansestadt im Jahr eigenständige preußische Landgemeinden. Sie spielten über viele Jahre bei der Entwicklung Bremens mit dem entsprechenden Straßenausbau meistens eine untergeordnete Rolle.

Mit diesem Umstand sind nicht nur die Norddeutschen konfrontiert. Denn Eingemeindungen und Neuzuschnitte von Kommunen, etwa durch Gebietsreformen, kommen immer wieder vor. Und nicht immer sind die betroffenen Einwohner mit dem zufrieden, was Politik und Verwaltung auf den Weg bringen. Dies betrifft neben einer fremdelnden Identität als Bewohner einer neuen Gemeinde eben auch etwaige Erschließungsbeiträge.

Verabschiedung noch im April?

Das sozialdemokratisch regierte Bremen macht sich nun daran, sein preußisches Erbe über Bord zu werfen. Der Senat hat jüngst den Weg freigemacht für eine Änderung des Landesgesetzes zur Neuregelung von Erschließungsbeiträgen – der Entwurf solle auf den Weg Richtung Bürgerschaft gehen, teilt die zuständige Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, Maike Schaefer (Grüne), mit. Ebenfalls befreit werden sollen demnach nicht nur die einstigen preußischen Straßen. „Gleiches trifft zudem auf Straßen zu, die seit Inkrafttreten des Baugesetzbuches 1961 bautechnisch hergestellt und über 20 Jahre noch nicht abgerechnet wurden“, heißt es in der Mitteilung. Grundsätzlich könne das Gesetz noch in erster und zweiter Lesung noch im April, also noch vor den Bürgerschaftswahlen am 14. Mai, behandelt werden.

Aber weil Bremen ein besonderes Bundesland mit zwei weitgehend unabhängigen Kommunen ist, müssen die Stadtgemeinde und die Stadt Bremerhaven noch jeweils eigene Ortsgesetze verabschieden. Auch die zuständige Deputation ist noch gefragt – diese hat bereits grünes Licht gegeben.

Noch kein Überblick über die Kosten

Was speziell die Stadtgemeinde Bremen die vollständige Kostenübernahme für die Sanierung der betroffenen Straßen kosten wird, lässt sich bislang nicht sagen. Für die Stadtgemeinde Bremen gelte, dass in den vergangenen 20 Jahren insgesamt 25 Straßen als ersterschlossen abgerechnet wurden, wovon jedoch nur 14 unter die Neuregelungen für Altstraßen gefallen wären. Im Zeitraum der letzten zehn Jahre sogar nur eine Straße.

Der umlagefähige Aufwand jener Straßen, die in den vergangenen 20 Jahren unter die Neuregelungen gefallen wären, habe insgesamt etwa acht Millionen Euro betragen – macht rund 400.000. Genau 90 Prozent der Erschließungskosten seien auf die Anlieger umgelegt worden. Der umlagefähige Aufwand der fraglichen Straßen betrug auf die letzten zehn Jahre umgelegt hingegen nur rund 278.000 Euro.

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