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Demokratiefördergesetz: Warum gerade jetzt so viele darauf warten

Eigentlich wollen SPD, Grüne und FDP ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen. Doch nun melden die Liberalen Bedenken an. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind empört – und fürchten fatale Konsequenzen.
von Finn Lyko · 21. Februar 2024
Das Demokratiefördergesetz soll zivilgesellschaftliche Organisationen nachhaltig fördern.

Der Schock im Verein RosaLinde Leipzig e.V. ist groß. Seit fast 30 Jahren wird hier Arbeit im Bereich queere Begegnung, Bildung und Beratung geleistet – doch nun soll damit Schluss sein. Denn der Antrag der RosaLinde auf Gelder aus dem entsprechenden Fördertopf des Sächsischen Sozialministeriums wurde für dieses Jahr nicht bewilligt, erzählt Stefanie Krüger, Bildungsreferentin des Vereins.

Für RosaLinde bedeutet das: Die bereits geplanten Projekte und Workshops in Schulklassen und für Erwachsene müssen abgesagt werden. „Die Bildungsarbeit liegt seit Januar brach“, sagt Krüger, dabei gebe es eine starke und steigende Nachfrage nach den Angeboten des Vereins.

Eine Situation wie die der RosaLinde in Leipzig wäre vermeidbar, gäbe es ein entsprechendes Gesetz, das eine dauerhafte Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen regelt. Eigentlich sollte das von der Ampel-Koalition geplante Demokratiefördergesetz genau hier ansetzen – denn neben den Eckpunkten einer bedarfsorientierten und altersunabhängigen Förderung spielt insbesondere der Aspekt einer längerfristigen Förderung für viele Vereine eine besonders große Rolle. Die sichere Planung von Angebot und Personal wäre so erstmals möglich.

FDP fordert Überarbeitung des Gesetzentwurfs

Das Demokratiefördergesetz könnte das zivilgesellschaftliche Engagement mit mehr Planungssicherheit stärken, doch nun ist unklar, in welcher Form das im Ampel-Koalitionsvertrag zentrale Gesetzesprojekt verabschiedet wird. Der Grund: Aus den Reihen der FDP werden Forderungen nach einer Überarbeitung des Gesetzentwurfs immer lauter.

Bereits im vergangenen Jahr meldete die FDP Bedenken an, es brauche klarere Kriterien für die Förderung. In den vergangenen Wochen hat sich die Debatte um das Gesetz weiter zugespitzt – der Zeitplan für die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag droht sich zu verschieben. „Die Projektträger wollen und brauchen eine gesetzliche Grundlage für die Förderung“, sagt der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Felix Döring. „Deshalb sollten wir die Beratungen auch bald zu einem guten Ende bringen.“

Streit um Extremismusklausel

Doch die Liberalen fordern eine Überarbeitung des Gesetzesentwurfs inklusive der Aufnahme einer Extremismusklausel. Zudem wird argumentiert, dass eine staatliche Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen in dem derzeit geplanten Umfang die Kompetenzen des Bundes überschreite – vereinzelt geht man sogar so weit, von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die angeblich selektive staatliche Förderung von Organisationen zu sprechen.

Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen sehen das anders. Das Grundgesetz habe den klaren Auftrag, die Würde jedes Menschen zu schützen, meint Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Wenn diese Würde jedoch, wie derzeit durch das Erstarken rechtsextremer Kräfte, angegriffen werde, brauche man eine Antwort.

Auch das Argument, eine Extremismusklausel sei notwendig, um möglichen Missbrauch der staatlichen Gelder zu verhindern, hält Reinfrank für unbegründet. Denn: „Es gibt bereits ein passives Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Teil des Förderbescheides“ – eine explizite Extremismusklausel sei schlichtweg nicht notwendig und gleiche einem Generalverdacht gegenüber allen Engagierten.

Ein fatales Signal an die Gesellschaft

Entgegen der Überzeugung der FDP erleichtere ein Demokratiefördergesetz nicht nur die Arbeit von Vereinen mit politischen Themen, so Reinfrank. Das Geld fließe auch an die Länder und Kommunen, sodass selbst örtliche Schützen- oder Gesangsvereine vom Demokratiefördergesetz profitieren würden. Nicht anzuerkennen, wie breit gesellschaftliches Engagement sei, sei „eine Unverschämtheit den Leuten gegenüber, die sich engagieren“. Hier gehe es um die Vielfalt der demokratischen Gesellschaft.

Gerade mit Blick auf die aktuelle politische Lage fordern deshalb viele ein schnelles Handeln, dazu gehört auch eine Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes. Sollte es, gerade in Zeiten, in denen so viele Menschen für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit demonstrieren, nicht zustande kommen, wäre das „ein ganz fatales Signal“, meint Susanne Rindt, Abteilungsleiterin bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Für eine dauerhafte Stärkung der Demokratie müsse der Staat übergreifend Verantwortung übernehmen und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, sagt Rindt.

Konflikt mit offenem Ende

Wann und in welcher Form das Demokratiefördergesetz vom Bundestag beschlossen wird, bleibt unklar. Zwar drängten insbesondere Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser gerade in den vergangenen Wochen verstärkt auf den Beschluss, auf Seiten der FDP hält man jedoch weiter an den Kritikpunkten fest. Dabei wünscht sich die Zivilgesellschaft gerade jetzt ein entschiedenes Zeichen für die Demokratie – denn genau dafür gehen seit Wochen Hunderttausende in ganz Deutschland auf die Straße.

 

Autor*in
Finn Lyko

ist Volontärin in der Redaktion des vorwärts.

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