Zukunft des Heizens

Fernwärme: Warum Deutschland wie Dänemark sein will

Kai Doering12. Juni 2023
Deutschland soll schneller werden: Nur sechs Millionen Haushalte im Land sind bisher an das Fernwärmenetz angeschlossen.
Günstige Energie und das CO2-neutral – das verspricht sich die Bundesregierung von der Fernwärme. Welche Möglichkeiten es gibt und wo Probleme lauern, war Thema beim Fernwärmegipfel am Montag.

Dänemark hat vorgemacht, wie es geht. 65 Prozent aller Haushalte von Deutschlands nördlichem Nachbarn heizen mit Fernwärme. In der Hauptstadt Kopenhagen sind es fast alle. Konkret bedeutet das, dass in den Kellern keine Heizungen stehen. Die Häuser sind stattdessen über große Rohre an Kraftwerke angeschlossen. Durch diese Rohre strömt heißes Wasser, das für warme Wohnungen und warmes Wasser sorgt.

100.000 Gebäude neu ans Netz, jedes Jahr

Kein Wunder also, dass die Bundesregierung den Chef der dänischen Energieagentur zu ihrem „Fernwärmegipfel“ am Montag eingeladen hatte. Und so schwärmt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der anschließenden Pressekonferenz vom dänischen Vorbild. Die Dän*innen hätten die richtigen Schlüsse aus der Ölpreiskrise in den 70er-Jahren gezogen. „Was Dänemark in 50 Jahren erreicht hat, müssen wir in 25 schaffen.“ Bis 2045 will Deutschland klimaneutral werden.

„Wir müssen schneller werden“, lautet so auch Habecks Plädoyer. 100.000 Gebäude müssten jedes Jahr neu ans Fernwärmenetz angeschlossen werden, rechnet der Minister vor. Laut Statistischem Bundesamt wird zurzeit jede siebte Wohnung mit Fernwärme beheizt. Das sind etwa sechs Millionen der 43 Millionen Wohnungen in Deutschland, vor allem in Städten. Die Branche strebt an, diese Zahl auf 18 bis 20 Millionen zu erhöhen, die Hälfte aller Haushalte also.

Wo es noch Hürden gibt

„Wir sind bereit, die Wärmewende anzugehen“, betont so auch Hansjörg Roll, der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme. In ihr sind Unternehmen organisiert, die Heizkraftwerke und Fernwärmenetze in Deutschland betreiben. „Die grüne Wärmewende muss ein wichtiges Standbein für die CO2-neutrale Wärmeversorgung sein“, ist Roll überzeugt. Dafür gelte es jedoch, noch einige Hindernisse zu überwinden: die Sicherung des notwendigen Fachkräftedarfs etwa und die Ermittlung von Ausbaumöglichkeiten. Hierfür erarbeitet die Bundesregierung gerade ein Gesetz für die kommunale Wärmeplanung.

Von der sollen vor allem die Verbraucher*innen profitieren: Wer absehen kann, dass sein Haus an ein Fernwärmenetz angebunden wird, muss seine Öl- oder Gasheizung nicht durch eine Wärmepumpe ersetzen. Denn wer mit Fernwärme heizt, erfüllt automatisch die geplante Vorgabe des neuen Gebäudeenergiegesetzes, das vorsieht, dass Heizungen künftig zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden.

„Preiswert heizen heißt effizient heizen“

Allerdings reiche es nicht aus, das Fernwärmenetz nur auszubauen. Darauf weist Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, bei der Pressekonferenz hin. „Ausbau und Regulierung müssen Hand in Hand gehen.“ Denn anders als bei Energieversorgern können sich Kund*innen ihren Fernwärme-Anbieter nicht aussuchen. Pop warnt vor der Bildung von Monopolen. „Wir brauchen eine vernünftige Kontrolle der Preise“, sagt sie deshalb. „Wenn Fernwärme verbraucherfreundlich ausgestaltet wird, hat sie großes Potenzial“, ist Ramona Pop überzeugt.

Großes Potenzial sieht Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dabei auch in der Geothermie, eine in Deutschland bisher nur sehr wenig genutzte Wärmequelle. „Wir wollen preiswert heizen, deshalb müssen wir effizient heizen“, sagt Geywitz am Montag nach dem Fernwärmegipfel. Auch die Abwärme etwa von Rechenzentren will die Ministerin noch deutlich stärker als bisher nutzen. Die unterschiedlichen Themen sollen nun in Arbeitsgruppen über den Sommer weiter bearbeitet werden. „Im Spätsommer oder im Frühherbst“ soll es dann, so Robert Habeck, einen weiteren Fernwärmegipfel geben.

Weiterführende Informationen:
Der Referentenentwurf für das Kommunale Wärmeplanungsgesetz ist auf der Website des Bundesbauministeriums veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte findet sich ebenfalls auf bmwsb.bund.de.

Reaktionen zum Fernwärmegipfel

„Die heute verabschiedete Erklärung ist ein wichtiges Signal und muss ein Startschuss für den Ausbau der Fernwärme in Deutschland sein”, sagte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nach dem Fernwärmegipfel. Schubert ist auch Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages. „Die Städte unterstützen ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 aus dem Heizen mit fossilen Brennstoffen auszusteigen”, so Schubert. Die Transformation der Wärmeversorgung müsse für die Bürger*innen in den Städten sozial verträglich erfolgen. Für die Wärmewende und den Ausbau der Wärmenetze bräuchten die Städte und die kommunalen Energieversorger die richtigen Rahmenbedingungen, langfristig Investitionssicherheit und finanzielle Unterstützung beim Aufbau der Netze und bei der Dekarbonisierung der Erzeugung. „Die Ergebnisse des Fernwärmegipfels und die gemeinsame Erklärung sind dafür eine solide Grundlage”, kommentiert der Potsdamer OB.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) äußerte sich ähnlich. „Das klare Bekenntnis der zuständigen Ministerien, die Voraussetzungen für einen massiven Ausbau der Fernwärme zu schaffen, bewertet der VKU außerordentlich positiv”, teilte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing mit. „Die Fernwärme als Option zum klimaneutralen Heizen braucht aus unserer Sicht drei Dinge: mehr Zeit, mehr Geld und mehr Akzeptanz. Die gesetzlichen Regelungen müssen Kommunen und kommunale Unternehmen befähigen, die notwendigen Investitionen in den Ausbau und die Erzeugung sowie Erschließung klimaneutraler Wärmequellen zu stemmen.”

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