Fachgespräch im Bundestag mit jungen Menschen

Jugend findet in der Kommune nur schwer ihren Platz

Uwe Roth05. Juli 2023
Schüler*innen setzen sich im Verein SV-Bildungswerk für ihre Belange ein. Am Mittwoch hatten sie im Bundestag einen Termin bei der Kinderkommission. Ihre wiederkehrende Forderung lautete: Kommunalpolitik soll Jugendliche Ernst nehmen.

An der Eingangspforte zum Bundestag staunten die Wachhabenden: Die jungen Menschen wollten nicht - wie üblich für die Altersgruppe - auf die Tribüne für Besucher*innen oder in das Büro eines Abgeordneten oder einer Abgeordneten. Stattdessen zeigte die Gruppe eine Einladung der „Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder“ zu einem öffentlichen Fachgespräch vor. Sie waren als Expert*innen in eigener Sache in Berlin, um über ihre Erfahrungen mit „Freizeit, Kultur, Stadtplanung“ in ihrer Stadt und dem Landkreis zu berichten. Die Herkunftsorte waren die Städte Kassel (Hessen), Cottbus (Brandenburg), Pirmasens (Rheinland-Pfalz) sowie der Märkische Kreis (Nordrhein-Westfalen).

Das Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung in Berlin hat die Einladung im Rahmen des Projekts „Lückenschluss“ organisiert. Es soll die kommunale Jugendbeteiligung voranbringen: Die Lückenschluss-Teilnahme, so heißt es in der Projektbeschreibung, „schließt das Stück zwischen Engagement (wie Protesten) von jungen Menschen und dessen Übersetzung in die Politik. Projektleiterin ist Anna Lydia Will, mit 42 Jahren die mit Abstand Älteste in der Gruppe. Die jungen Menschen ragen vorbildlich heraus, wenn die kommunalpolitische Elite auf die Jugend der Stadt oder des Landkreises schaut: Sie engagieren ich nicht nur in ihrer Schule in der Schülermitverantwortung (SMV), sondern sind auch ansonsten in der Jugendarbeit oder auch im Jugendgemeinderat tätig. Sie sind eloquent und politisch gebildet.

Für Jugendhäuser fehlen moderne Konzepte und Geld für Renovierung

Das Lob für ihr Engagement wollten die Jugendlichen im Fachgespräch allerdings nicht an die Kommunal-Verantwortlichen zurückgeben. Sie bescheinigten ihnen zwar deren guten Willen, wenn sie mit einem Wunsch ins Rathaus kommen. Doch vermissten sie die Unterstützung bis zur letzten Konsequenz. Im Zweifel liegen die Prioritäten doch woanders. In den Statements wiederholte sich die Feststellung, von der Kommunalpolitik schlussendlich nicht ernstgenommen zu werden. Paula Ebbers (20 Jahre) aus Kassel berichtete „ihren“ Fall: Die Jugend sucht eine Grünfläche für einen Skaterpark. „Rollsport-Arten sind sehr populär. Und der Skaterpark wäre ein attraktiver Treffpunkt. Wir brauchen 3000 Quadratmeter“, beschreibt sie die Rahmenbedingungen. Das sei die Hälfte eines Fußballfeldes. Nach ihrer Beobachtung sind Fußballplätze nicht mehr so ausgelastet. Im Gegensatz zu den Skaterparks. Das Pech der jugendlichen Initiator*innen ist aus ihrer Sicht, dass die Zuständigkeit nicht beim Jugendamt liegt, sondern beim Grünflächenamt. Und dort stößt Beton auf Ablehnung.

Die jungen Menschen kämpfen für ihre Interessen gegen viele Widrigkeiten an: Die Jugendhäuser in vielen Städten sind marode und stehen weitgehend leer. Für Renovierungen scheint kein Geld vorhanden zu sein. Leon Gaubatz und Robin Haas berichteten aus Primasens, dass ihr Jugendhaus mit dem ÖPNV nur schwer erreichbar sei. Die Jugendlichen seien auf die Fahrdienste der Eltern angewiesen. Gleiche Probleme berichtete Julius van der Burg aus dem Märkischen Kreis. „Wie komme ich wohin“, sei die zentrale Frage bei der Gestaltung der Freizeit. Maryam Barry ergänzte: Die Öffnungszeiten des Jugendhauses harmonierten nicht mit den Busfahrplänen. Man komme hin, aber abends nicht mehr zurück.

Jugendliche bleiben lieber zuhause bei den sozialen Medien

Was die Jugend von den Kommunen erwartet, formulierte Sarah Eckert aus Cottbus: „Wir wollen einen Jugendclub nach unseren eigenen Vorstellungen schaffen und selbstverwaltet betreiben.“ Der Wunsch nach Selbstverwaltung ist so alt wie die Geschichte der Jugendhäuser in Deutschland. Der harte Kern der Engagierten findet unter Gleichaltrigen schwer Mitstreiter*innen. Häufig fehle es an der breiten Unterstützung durch die Jugend in einer Kommune, bedauerten sie in der Gesprächsrunde. Corona und die sozialen Medien hätten dazu beigetragen, dass junge Menschen lieber zuhause abhängen, als sich aushäusig zu engagieren, so ihre Beobachtung. Als es noch kein Internet und WLan im eigenen Zimmer gab, fiel einem irgendwann vor Langeweile die Decke auf den Kopf. Nun trifft man sich mit anderen virtuell und nicht im Jugendhaus oder auf dem Sportplatz.

Die jungen Expert*innen wünschten sich von der Stadt mehr Unterstützung bei der Werbung für ihre Ideen. Jugendliche sind schwer zu erreichen, über die Lokalzeitung schon gar nicht. Da müssten gemeinsam mit der Kommune neue Wege zu den jüngeren Generationen gefunden werden.

weiterführender Artikel