Kommunalwahl 2024

Kandidat*innen-Suche gestaltet sich teils schwierig

Uwe Roth01. Juni 2023
Wer will auf die Liste? Zeitgleich zur Europawahl finden im kommenden Jahr in vielen Bundesländern Kommunalwahlen statt – nun werden Kandidierende gesucht.
2024 finden in acht Bundesländern Kommunalwahlen statt. Ortsvereine und Stadtverbände suchen händeringend Kandidat*innen. Das Ehrenamt stößt zwar auf Interesse. Doch es passt oftmals nicht ins Zeit-Management jüngerer Menschen.

Dagmar Wirtz ist Trainerin in der Erwachsenenbildung. Momentan tourt sie durch Baden-Württemberg, um mit Erklär-Seminaren Ortsvereine bei der Suche nach Kandidat*innen zu unterstützen. Die SPD vor Ort lädt öffentlich ein. Jeder und jede ist zum Grundlagenkurs Kommunalpolitik herzlich willkommen – ob Mitglied in der Partei oder nicht. Dagmar Wirtz kennt das Thema nicht allein aus Fachbüchern, sondern sie ist selbst SPD-Gemeinderätin in Laupheim bei Ulm an der Donau.

Nicht nur darüber meckern, was am Wohnort nach eigenem Empfinden schiefläuft, sondern sich in die Kommunalpolitik einbringen und mitgestalten, beschreibt sie ihre Motivation. Ihr Antrieb dürfte deckungsgleich sein mit dem der meisten Genoss*innen, freiwillig die vielen Stunden in Sitzungssälen durchzuhalten. Bei den vergangenen Kommunalwahlen 2019 hat die Partei im Südwesten mit 14 Prozent sind sonderlich gut abgeschnitten. Außerhalb der Städte dominieren nach wie vor CDU und Freie Wähler (in Baden-Württemberg keine Partei). Um ihre Anträge durchzusetzen, müssen die kleineren Fraktionen die sprichwörtlichen dicken Bretter bohren und dabei häufig auch Niederlagen hinnehmen. Nun besteht die Hoffnung, als Kanzler-Partei im kommenden Frühjahr mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Jusos zeigen Interesse an einer Kandidatur

Dagmar Wirtz war mit ihrem Schulungsprogramm in Ludwigsburg. Die Veranstaltung war entlang einer Hauptverkehrsstraße auf Plakaten angekündigt. Das hat funktioniert. Neugierige erfuhren darüber von der Einladung, nicht durch die lokalen Medien. Neben Gemeinderät*innen, die die unbekannten Interessent*innen „von der Straße“ kennenlernen wollten, waren einige Jusos da. Sie könnten sich vorstellen, ihren Namen auf die Wahlliste zu setzen. Der Gemeinderat in Ludwigsburg hat 40 Sitze, und so viele Freiwillige müssen gefunden werden. In der langen Tabelle auf dem Wahlschein ist ausreichend Platz für Amtsinhaber*innen und Neukandidat*innen. Alt und neu kommen sich nicht in die Quere.

Jung und Alt könnten dies hingegen schon: Denn die Vorstellung, wie sie das Ehrenamt gestalten möchten, gehen auseinander. Die Gemeinderät*innen sind in der Mehrzahl über 50, die Kinder meistens aus dem Haus. Fraktions-, Ausschuss- und Gemeinderatssitzungen sind für sie auch ein soziales Event. Ebenso die Veranstaltungen, zu denen sie als Ehrengäste geladen sind. Die Jüngeren haben andere Prioritäten, nicht nur weil es Kinder in der Familie gibt. Während der Corona-Pandemie haben sie das Home-Office schätzen gelernt. Auch nach Ende der Pandemie arbeiten viele von ihnen – zumindest tageweise – von zuhause aus.

Ehrenamt sollte effizient gestaltet sein

Dass Rathäuser und Landratsämter komplett zur Präsenz zurückgekehrt sind, auch keine Hybrid-Sitzungen mehr möglich sind, „finde ich schwierig“, sagt einer, der Kommunalpolitik gerne machen möchte, aber aus diesem Grund wahrscheinlich nicht kandidieren wird. „Ehrenamt ist auch Arbeit“, stellt er fest, „und wir nutzen für die Arbeit die digitalen Möglichkeiten. Für uns gehören Chat-Gruppen in ‚Teams‘ einfach dazu.“ Arbeit ist auf Effizienz getrimmt, Kommunalpolitik sollte das aus seiner Sicht ebenfalls sein. Online, so hat er festgestellt, werde nicht lange am Stück geredet. In Präsenz hingegen schon, insbesondere wenn es keine Redezeitbegrenzung gibt.

Außer in Baden-Württemberg finden zeitgleich mit der Europawahl 2024 in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Kommunalwahlen statt. In Rheinland-Pfalz hat die Landesgruppe der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) gemeinsam mit einer externen Agentur eine Kampagne für die Kandidat*innen-Suche gestartet. Angelehnt an Methoden, mit denen Unternehmen Arbeitskräfte finden. Eine Internetseite ist eingerichtet.

SGK-Landesgeschäftsführer Nico Steinbach bestätigt den allgemeinen Eindruck: „Für Ortsvereine ist es tatsächlich sehr schwierig, ausreichend Kandidaten zu finden. Vor allem im ländlichen Raum in kleineren Orten.“ Hier seien manchmal sogar „offene“ Listen notwendig. Eine repräsentative Mischung hinzubekommen, sei fast unmöglich. „Oftmals ist man froh, wenn man wenigstens ausreichend weibliche Kandidaten findet.“ Noch schwieriger sei es meistens, einen geeigneten Ortsbürgermeister zu finden. Der Aufwand sei im Rahmen von Verbandsgemeinden nicht so leicht mit jedem Beruf zu vereinbaren.

Kein einheitliches Bild in Brandenburg

Rachil Ruth Rowald ist die Geschäftsführerin der SGK Brandenburg. Sie sagt, man könne die Suche nicht verallgemeinern: „In einigen Kommunen und Landkreisen läuft es wie geschnitten Brot, in anderen läuft es sich eher zäh an.“ Es komme immer etwas darauf an, wie gut der Kontakt und die Kommunikation mit den ehrenamtlichen Vertreter*innen während der laufenden Wahlperiode gewesen sei. „Wir haben Regionen, in denen die Mitgliederzahlen eher niedrig sind. Vereinzelt ist es schwerer jemanden zu finden, die oder der Mitglied in der SPD ist. Das führt dann dazu, dass vereinzelt Parteilose mit aufgenommen werden.“ Anderenortes gebe es „Kampfkandidaturen um Listenplätze“. Aber es sei nicht grundsätzlich schwerer in den ländlichen Räumen jemanden zu finden, denn da sei der Zusammenhalt und der Kontakt oftmals sehr viel direkter.

In einigen Regionen sei es schon schwierig, Frauen zu finden, die noch die Zeit finden, sich kommunalpolitisch zu engagieren. „Wir haben gute Beispiele für das Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund, weit verbreitet ist das aber eher nicht.“ Junge Menschen werden durch die Aufnahme in die Kommunalverfassung besonders angesprochen. „Da sorgen auch aktive Juso-Gruppen dafür, dass sich da mehr bewegt.“

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