Neuer SGK-Vorsitzender

Kornblum: „Die SPD hatte immer die Kraft zum Kompromiss”

Karin NinkCarl-Friedrich Höck15. Juni 2023
Thorsten Kornblum
Thorsten Kornblum ist neuer Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK). Im Interview erklärt der Braunschweiger Oberbürgermeister, was ihn an der neuen Aufgabe reizt und warum die SPD eine „Kommunalpartei” ist.

Sie wurden am vergangenen Wochenende zum neuen Vorsitzenden der Bundes-SGK gewählt. Was reizt Sie an dieser neuen Aufgabe?

In den Kommunen wird pragmatische Politik gemacht, hier ist man nah bei den Menschen. Der Erfolg der Sozialdemokratie war immer auch darin begründet, dass sie den Sachverstand und den Pragmatismus aus den Kommunen in die Debatten auf Landes- und Bundesebene geholt hat. Das ist auch jetzt wichtig, wenn wir uns mit den großen Herausforderungen befassen wie dem Klimawandel, der Transformation unserer Industrie oder der Zukunft unserer Krankenhäuser. Die Kommunalen müssen in der SPD die Stimme heben, damit die Partei vor Ort verwurzelt bleibt. Die SGK unterstützt sie dabei.

Die SPD bezeichnet sich selbst gerne als „die Kommunalpartei“. Was bedeutet dieser Begriff für Sie?

Erstens drückt das den Anspruch aus, dass wir die bestimmende und gestaltende Kraft sein wollen in den Städten, Kreisen und Gemeinden. Zweitens wollen wir in den Kommunen die Probleme lösen, die die die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen mit sich bringen. Die SPD hatte immer die Kraft zum Kompromiss. Leider ist das heutzutage ein bisschen out geworden. Viele Leute wollen ihre eigenen Interessen zu 100 Prozent durchsetzen. Die Demokratie ist aber gerade dann stark, wenn man es schafft, unterschiedliche Interessen zusammenzubringen. Die SPD kann das, sie hat stets Ökologie, Ökonomie und das Soziale zusammengeführt. Auch in den Kommunen ist die SPD die verbindende Kraft, die Interessen ausgleicht und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.

Welche Schwerpunkte möchten Sie als SGK-Vorsitzender setzen?

Ich bin Oberbürgermeister in einer Region mit einer starken Automobil- und Stahlindustrie, die gerade im Wandel ist. In Salzgitter wird die Stahlindustrie auf grünen Wasserstoff umgestellt, wir müssen die Wende hin zur E-Mobilität hinbekommen. Solche Prozesse funktionieren nur, wenn man die Menschen mitnimmt und das nicht gegen die Beschäftigten durchsetzt. Sonst bekommen populistische Strömungen Oberwasser, so wie es in den USA zu beobachten ist. Deshalb will ich als SGK-Vorsitzender daran mitwirken, dass wir den Wohlstand vor Ort mit einer starken industriellen Basis erhalten, die sozialen Sicherungssysteme stärken und zugleich die ökologischen Lebensgrundlagen nicht zerstören.

Populistische Strömungen gibt es auch in Deutschland, die AfD sitzt in vielen Kommunalparlamenten. Nicht nur aus der Union hört man Stimmen, die sich für eine Zusammenarbeit auf lokaler Ebene aussprechen. Was ist Ihre Position?

Ich habe da eine ganz klare Meinung. Schon im Wahlkampf habe ich mich nicht mit AfD-Politikern auf ein Podium gesetzt. Denn die Voraussetzung für eine Debatte ist für mich, dass man eine gemeinsame Basis hat, auf der man diskutiert. Dazu gehören die Grundrechte und Grundwerte, die in unserer Verfassung verankert sind. Wir sollten die AfD nicht salonfähig machen. Das sind Extremisten. Leider ist es so, dass die Brandmauer gegen rechts auch auf kommunalpolitischer Ebene teilweise Risse bekommt. Zum Beispiel, wenn die AfD in eine Stichwahl einzieht und andere Parteien sich lieber gar nicht positionieren, als den demokratischen Kandidaten zu unterstützen. Das geht gar nicht! In so einem Fall müssen sich alle Demokraten hinter dem demokratischen Bewerber versammeln und das auch laut sagen.

Wie kann die SPD politischen Nachwuchs gewinnen und fördern, damit sie auch in Zukunft kommunal verankert bleibt?

In der SGK gibt es dazu gute Best-Practice-Beispiele. Es gibt Stellenbörsen, mit denen junge Ratsherren und -frauen gezielt angesprochen werden, ob sie sich für ein Hauptamt bewerben wollen. Netzwerke sind wichtig, damit kommunalpolitisch Interessierte, Ratsmitglieder und Hauptamtliche miteinander in Kontakt kommen. So kann man dem potenziellen Nachwuchs aufzeigen, welche beeindruckenden Gestaltungsmöglichkeiten man in der Kommunalpolitik hat. Wir setzen außerdem auf Bildungswerke. Die werden leider noch nicht in allen Bundesländern gefördert, daran wollen wir arbeiten. Natürlich brauchen wir auch positive Vorbilder. Davon haben wir in der SPD zum Glück viele.

Wir sollten uns außerdem über die Vereinbarkeit von Familie, Partei und Beruf unterhalten. Müssen es wirklich immer mehrstündige Sitzungen sein oder gibt es auch andere Formate? Ich sehe in der Digitalisierung eine Chance, mehr Menschen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, die gerade eine Familie gründen oder Angehörige pflegen. Auch wenn ich natürlich weiß, dass es gute Argumente gegen digitale Ratssitzungen gibt, weil die Debattenkultur darunter leiden kann.

Sie haben ihre ersten Schritte in die Kommunalpolitik in Münster gemacht, in der Bezirksvertretung Münster-West und später im Stadtrat. Gab es ein Aha-Erlebnis, das Ihnen gezeigt hat: Kommunalpolitik macht Spaß und lohnt sich?

Als ich zum Studieren nach Münster gekommen bin, habe ich im SPD-Ortsverein mitgearbeitet. Irgendwann stand eine Kommunalwahl an, und so kam die Frage auf, wer kandidieren möchte. Da habe ich mich zum ersten Mal wirklich mit Kommunalpolitik auseinandergesetzt und mich für eine Kandidatur entschieden. Die Arbeit im Stadtrat war dann tatsächlich so ein Aha-Erlebnis. Ich habe Jura studiert und wollte immer Anwalt werden . Bis dahin hatte ich gar nicht so richtig auf dem Schirm, dass ich nicht nur Anwalt, Richter oder Unternehmensjurist werden, sondern auch in die Verwaltung gehen könnte. Als Ratsmitglied habe ich jedoch gesehen, welche Gestaltungsmöglichkeiten die Dezernentinnen und Dezernenten haben, was sie vor Ort alles bewirken können.

Im Jahr 2020 wurden Sie selbst Dezernent in Braunschweig, bald darauf sogar Oberbürgermeister. Welches Rüstzeug benötigt man für diesen Beruf?

Das klingt ein bisschen langweilig, aber man muss Verwaltungen kennen und wissen, wie sie arbeiten. Gute Verwaltung heißt, sein Handwerk zu beherrschen. Sonst kann man die schönsten politischen Vorstellungen haben, bekommt sie aber nicht umgesetzt. Man muss auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Auch dann, wenn ich heute noch gar nicht zu 100 Prozent absehen kann, ob das die richtige oder falsche Entscheidung ist. Und man sollte sich vorher informieren über den Job. Man sieht von Bürgermeisterinnen oder Landräten meistens nur den repräsentativen Teil: Die Spatenstiche, Eröffnungen, Empfänge für Gäste – also das, was in der Zeitung steht. Der größte Teil der Arbeit findet aber woanders statt: Die Verwaltungsleitung, die Steuerung von Stadtwerken, kommunalen Kliniken oder Nahverkehrsunternehmen. Man muss sich schon beides zutrauen, die Steuerungsarbeit und das Repräsentieren.

Sie haben viele Jahre im Niedersächsischen Innenministerium gearbeitet, zum Schluss als Büroleiter von Minister Boris Pistorius. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?

Sehr stark, ohne diese Prägung könnte ich meinen Job heute so nicht machen. Hier habe ich beispielsweise gelernt, wie man mit einem Verwaltungsapparat arbeitet. Boris Pistorius war früher Oberbürgermeister von Osnabrück. Von ihm konnte ich viel lernen. Ich bin froh, dass wir  auch heute noch freundschaftlich verbunden sind.

Sie haben vorhin erwähnt, wie wichtig die Vereinbarkeit von Politik und privatem Familienleben ist. Wie bekommen Sie beides zusammen?

Mal besser und mal mühsamer, aber zusammen als Familie kriegen wir das schon ganz gut hin. Ich versuche, möglichst jede freie Minute zuhause zu sein und Zeit mit den Kindern zu verbringen. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für  Hobbys. Wahrscheinlich müsste ich eigentlich mehr Sport machen. Meine Frau fängt unglaublich viel ab, trotzdem ist mir bewusst, dass mein Beruf für die Familie mit großen Belastungen verbunden ist. Deswegen freue ich mich sehr, dass alle dahinterstehen.

 

Mehr zum Thema auf demo-online.de:
Bundes-SGK wählt Thorsten Kornblum zum Vorsitzenden

weiterführender Artikel