Religiöse Wahrzeichen

Kirchen prägen vielerorts das Stadtbild. Tourismus und Kulturleben profitieren von den religiösen Gebäuden, die viele Besucher anziehen. Beispiele aus Erfurt und Köln.
von Carl-Friedrich Höck · 21. Dezember 2021
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Weniger als 30 Prozent der Thüringer Bevölkerung gehören der evangelischen oder katholischen Kirche an. Und doch sind Kirchen aus der Landeshauptstadt nicht wegzudenken. Allein in der Innenstadt von Erfurt gibt es 20 Kirchen, viele stammen noch aus dem Mittelalter. Schon damals nannte man die Stadt „Erfordia turrita“, türmereiches Erfurt.

Historisch bedeutsame Bauten

Von ihrem Ruf profitiert die Kommune noch heute. „Kirchen und religiöse Gebäude spielen im touristischen Marketing der Stadt Erfurt eine große Rolle“, bestätigt Kristin Luther von der „Erfurt Tourismus und Marketing GmbH“ (ETMG). Der Dom und die benachbarte St. Severikirche sind ein weithin sichtbares Wahrzeichen. Viele Bauten sind historisch bedeutend oder mit Persönlichkeiten der Stadtgeschichte verknüpft. Martin Luther war Mönch im Augustinerkloster, wurde in Erfurt zum Priester geweiht und predigte hier. Die Kaufmannskirche war Hauskirche der Familie von Johann Sebastian Bach. In der Lorenzkirche finden seit 1978 wöchentliche Friedensgebete statt – für die Friedliche Revolution in Erfurt spielten sie eine wichtige Rolle.

Das Stadtmarketing greift die Geschichten auf und arbeitet mit den einzelnen Kirchen zusammen. Teilweise tritt man gemeinsam als Aussteller auf Messen auf. Gotteshäuser werden in das Besuchsprogramm von Presse- und Studienreisen eingebunden. Zusammen mit dem Augustinerkloster engagiert sich die ETMG in der Werbegemeinschaft „Wege zu Luther“. Auch das jüdische Erbe der Stadt wird stolz präsentiert. Mit seiner alten Synagoge, einer Mikwe und weiteren Zeugnissen aus der Zeit zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert bemüht sich Erfurt derzeit um einen UNESCO-Welterbe-Titel.

Kölner Dom ist ein „USP”

Auch in anderen Kommunen sind Sakralbauten wichtige Eckpfeiler der eigenen Identität. Wer etwa an Köln denkt, denkt an den Dom. Mit sechs Millionen Besucherinnen und Besuchern pro Jahr ist er die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Deutschlands und ein „Unique Selling Point“ (USP), wie Claudia Neumann von der KölnTourismus GmbH erklärt. Weitere Bauten wie der Ring der 12 Romanischen Kirchen ergänzen das Stadtbild. Die Kommune profitiert von den Attraktionen auch finanziell. In Köln wurden durch den Tourismus vor Corona jährlich fünf Milliarden Euro Bruttoumsatz erwirtschaftet, so Neumann. In Erfurt verweist die ETMG auf eine im Jahr 2017 vorgestellte Studie. Demnach besuchen jährlich zwölf Millionen Gäste die Stadt. Daraus ergebe sich ein Gesamtbruttoumsatz von 596 Millionen Euro. 13.400 Menschen könnten durch den Tourismus ihren Lebensunterhalt bestreiten, teilt die ETMG mit. „Der Tourismus leistet zudem erhebliche Beiträge für die Stadtentwicklung und die Lebensqualität in Erfurt.“

Hinzu kommt, dass die Kirchen und ihre Gemeinden das Kulturleben mitprägen. Bleiben wir beim Beispiel Erfurt: Auf dem Domplatz gibt es ein jährliches Martinsfest, zu dem Menschen aus dem ganzen Bundesland anreisen. Veranstaltet wird es von der Abteilung „Märkte und Stadtfeste“ der Stadtverwaltung. Im Sommer stellt das Bistum dem Theater Erfurt die Domtreppe für opulente Opernaufführungen zur Verfügung.

Mitgliederzahlen der Kirchen sinken

Für den Erhalt der religiösen Wahrzeichen sorgen in der Regel die jeweiligen Kirchengemeinden. Deren Mitgliederzahlen sinken jedoch, was die Frage aufwirft: Was passiert, wenn sie die notwendigen Sanierungen nicht mehr stemmen können? Auch die Kommunen haben nur begrenzte Mittel. „Die Stadt Erfurt besitzt rund 450 eigene Gebäude, da ist die Pflege von Kirchen beziehungsweise Bezuschussung von Sanierungsarbeiten nicht auch noch zu leisten“, stellt der Sprecher von Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein klar.

Eine Möglichkeit besteht darin, Gebäude umzunutzen. „Es gibt eine ganze Reihe an Kirchen, die als Museen verwendet werden“, sagt Annette Sawade. Sie ist Mitglied der Landessynode Württemberg, stellvertretende Vorsitzende der Bundes-SGK und Mitglied im Kreis- und Gemeinderat von Schwäbisch Hall. In der Stadt gibt es zum Beispiel die Johanniterkirche, die von der Würth-Gruppe gekauft wurde. Dort ist nun eine Sammlung von Bildern aus dem Mittelalter und der Renaissance ausgestellt.

Wichtiger Mittelpunkt für Menschen

Als Ortszentren bleiben Kirchen bedeutend, ist Sawade überzeugt – selbst kleine Dorfkirchen seien oft ein wichtiger Mittelpunkt für die Menschen. Kirchen öffneten sich auch zunehmend für Veranstaltungen von weltlichen Gruppen – etwa als Proberaum für den Gesangsverein. Dass Kirchensteuern im Osten weniger üppig fließen, hat übrigens historische Gründe, wie die gebürtige Thüringerin Sawade erklärt. „Die DDR hat es in der Zeit ihres Existierens wirklich sehr gut verstanden, die Leute aus der Kirche rauszutreiben.“ Andererseits habe auch die SED Kirchen als Marketingobjekte genutzt. So wie die Marienkirche in Mühlhausen, wo einst Thomas Müntzer predigte, der Revolutionsführer im Bauernkrieg. Seit 1975 ist sie keine Pfarrkirche mehr. Zwar finden hier noch Gottesdienste statt, hauptsächlich ist die Marienkirche aber heute Gedenkstätte und Konzertsaal.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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