Digitalisierung

Smartes Ruhrgebiet

Petra Kappe25. Mai 2023
Rauchende Schlote waren früher das Markenzeichen des Ruhrgebiets. Heute sind die Kommunen dort Vorreiter der Digitalisierung.
Die Region mausert sich zum Innovationsmotor für Digitalisierung. Die Plattform „Ruhrgebiet Digital” hilft Kommunen, sich auszutauschen und zu vernetzen.

Das Ruhrgebiet kennt sich mit Veränderungen aus. An die Stelle von Fördertürmen und rauchenden Schloten treten im Zeitalter der Digitalisierung neue Leuchttürme. Im Smart-City-Ranking des Digitalverbandes Bitkom schneiden Städte wie Bochum (Platz 8 von 81) und Gelsenkirchen (17) gut ab. Laut Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) zeigt das, „welches Potenzial in unserer Stadt steckt und wie wir es durch kontinuierliche Arbeit und den zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln gehoben haben.“ Sie kündigt an: „Durch die konsequente Umsetzung unserer integrierten Digitalstrategie werden wir diesen Weg gemeinsam mit Partnern aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft weitergehen.“

Andere Kommunen sollen die Vorarbeit nutzen können

Gelsenkirchen hat sich für mehrere Förderprogramme als Smart City qualifiziert, wurde Leitkommune für die „Digitalen Modellregionen NRW“ und Teil des Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“, das der Bund seit 2019 mit insgesamt 820 Millionen Euro finanziert. Ziel ist es, die Kommunen bei der Digitalisierung und der digitalen Stadtentwicklung zu unterstützen. Die Stadt sieht sich bundesweit als Vorreiter in der Nutzung der Chancen der Digitalisierung und zugleich in der Pflicht, andere Kommunen an diesen Chancen teilhaben zu lassen. Sie strebt die Entwicklung modellhafter und übertragbarer Lösungen etwa für Mobilitäts-, Klimaschutz- und Stadtentwicklungskonzepte an, die bedarfsorientiert und nachhaltig sind und von interessierten Kommunen übernommen werden können.

Nicht alle Kommunen kommen in den Genuss der Fördermittel. Im Revier, wo besonders viele Städte unter der Altschuldenlast leiden, ist selbst ein kleiner Eigenanteil schwer aufzubringen. Da setzt „RuDi“ an. Das Kürzel steht für Ruhrgebiet Digital und bezeichnet eine Plattform beim Regionalverband Ruhr (RVR), auf der Kommunen sich vernetzen, austauschen und voneinander lernen können.

Schon 900 Verwaltungsmitarbeitende sind registriert

„Das Netzwerk ist themenoffen“, erläutert Marina Lüschen vom zuständigen Projektbüro Digitale Metropole Ruhr. Die seit Januar 2023 registrierten Verwaltungsmitarbeitenden – schon jetzt 900 – stellen konkrete Fragen, etwa nach einer Dienstvereinbarung zum Desksharing. Zu komplexeren Themen wie der Organisations- und Personalentwicklung, der Abwasser- oder Stadtraumplanung gründen sie Gruppen, in denen sie Erfahrungen und Lösungen teilen. Sie bieten auch kollegiale Fortbildungen an und liefern gesetzliche Grundlagen, Quellen und Hintergrundwissen.

Die Plattform RuDi ist aus den „Verwaltungsrebellen“ hervorgegangen, einem von Essen, Lünen und dem Kreis Wesel getragenen Förderprojekt, das nun vom RVR verstetigt wird. Zu dessen Philosophie gehört seit jeher der Grundgedanke, das Kirchturmsdenken zwischen den Städten und Gemeinden zu überwinden. Davon zeugt auch das Stadtplanwerk der Metropole Ruhr, ein seit 50 Jahren gepflegtes einheitliches Kartenprodukt, das neuerdings nahezu beliebige Ansichten per Mausklick liefert.

Digitales Abbild des Ruhrgebiets erleichtert Simulationen

Wald, Gewässer, Gebäudebestand, Parkbuchten, Schulen, Rad- und Wanderwege: Andreas Weßel, der das Referat Geoinformation und Raumbeobachtung beim RVR leitet, vergleicht es mit einem riesigen Puzzle, aus dem ein „digitaler Zwilling“ des Ruhrgebiets entstehen soll. Jeder Quadratmeter Wirklichkeit ist dann gespeichert und erlaubt die Modellierung oder Simulierung von Veränderungen. Schon in der Planungsphase lässt sich ermitteln, wie sich Bauprojekte, eine neue Buslinie, Klimaschutzmaßnahmen oder – ganz konkret – eine Vollsperrung der A40 auswirken. „Die Folgen machen ja nicht an den Stadtgrenzen halt“, sagt Weßel, „besonders nicht in einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet.“

Der Strategie „Erst testen, dann anwenden” folgt auch Gelsenkirchen bei der Digitalisierung. Als „Erfolgsfaktor“ bezeichnet der zuständige Dezernent Simon Nowack „unser Open Innovation Lab, das wir als Reallabor nutzen, um innovative Ideen zunächst im Kleinen zu erproben, um auf dieser Grundlage dann die Entscheidung treffen zu können, ob und wie wir diese innovativen Lösungen auf Quartiere, Stadtteile oder die Gesamtstadt ausrollen können“.

Bereits verwirklicht sind digitale Anwendungen wie eine kommunale Infrastrukturdatenbank, ein Geodatendienst, ein mobiles Konzernmanagement und Edutainment-Angebote im städtischen Zoo. Folgen soll unter anderem ein Projekt, das der Einwohnerschaft mithilfe von transparenten Informations- und Beteiligungsverfahren mehr Möglichkeiten zur Mitsprache gibt. Gelsenkirchen ist davon überzeugt, dass Bürgerbeteiligung „eine wichtige Voraussetzung für eine zukunftsfähige und bürgerfreundliche Stadt“ ist.

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