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Wie Sportstätten geschlechtsneutral werden

Männer- oder Frauenumkleide? Diese Entscheidung treffen zu müssen, ist für manche Menschen belastend. Benedikt Freitag vom Darmstädter Verein vielbunt erklärt, wie sich Sportstätten besser planen lassen.
von Carl-Friedrich Höck · 7. August 2023
Umkleidekabine in einem Schwimmbad

DEMO: Sie beraten Architekten dabei, Sportstätten geschlechtsneutral zu gestalten. Was fehlt den herkömmlichen Sportstätten?

Benedikt Freitag: Nicht jede*r ist ein Mann oder eine Frau. Mittlerweile hat sogar das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass es auf offiziellen Dokumenten eine dritte Option geben muss, wenn das Geschlecht angegeben werden soll. Wenn ich in ein Schwimmbad gehe, muss ich mich aber im Umkleidebereich immer noch entscheiden: Gehe ich links in den Frauenbereich oder nach rechts in den Männerbereich?

Da fragen sich viele Menschen: Was mache ich, wenn ich keines davon bin? Und wie werde ich von den Leuten angeschaut, wenn ich mich dort ausziehe? Die Architektur von Sportstätten sorgt dafür, dass Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, schlichtweg gar nicht mehr dort hingehen. Das betrifft auch trans Menschen, die noch in der Transition sind und nicht in das klassische Körperbild von Mann oder Frau reinpassen.

Wie kann eine geschlechtsneutrale Sportstätte aussehen?

Das ist sehr simpel. Man muss nur einzeln abschließbare Kabinen, Duschen und WCs schaffen. Auf diese braucht man kein Geschlecht draufschreiben. Und wenn keines vorgeschrieben ist, können alle Geschlechter sie nutzen.

Gibt es das schon?

Neulich war ich in einem Fitnessstudio in einem Hotel, da war es so geregelt. In meiner Stadt Darmstadt wird demnächst das Mühltalbad saniert. Das gibt uns die Gelegenheit, die sanitären Anlagen und Umkleiden neu zu gestalten. Geplant ist, dass es einen Männerbereich, einen Frauenbereich und in der Mitte einen weiteren Bereich geben soll mit Einzelumkleiden, Einzel-WCs und Einzelduschen.

Wie groß ist der Bedarf?

Solche Lösungen sind nicht nur für queere Personen relevant. Es gibt Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht vor anderen ausziehen wollen. Zum Beispiel, weil sie mehr Gewicht haben und sich für ihren Körper schämen. Dass man nur zwischen Männer- und Frauenumkleiden wählen kann, ist auch ein Problem für Väter mit Töchtern oder Mütter mit Söhnen. Die fragen sich: Bis zu welchem Alter darf ich mein Kind noch mit in meine Umkleide nehmen? Muss ich es allein in den anderen Trakt schicken?

Wie kommt es, dass Sie andere zu dem Thema beraten?

Ich bin aktiv in „vielbunt“, dem größten queeren Verein Hessens. Dort leite ich den Sportbereich und bin für Sportpolitik zuständig. Unser Verein hat 2019 ein Positionspapier zum Thema geschlechtsneutrale Sportstätten erarbeitet. Vor Kommunalwahlen erarbeiten wir immer Wahlprüfsteine und senden den Parteien unsere Forderungen zu. In Darmstadt wurde das Positionspapier im Koalitionsvertrag von Grünen, CDU und Volt berücksichtigt. Bei der Umsetzung werden wir in beratender Funktion eingebunden. Übrigens haben wir seit diesem Jahr mit Hanno Benz einen Sozialdemokraten als Oberbürgermeister. Ich bin sicher, auch mit ihm werden wir gut zusammenarbeiten.

Welcher Mehraufwand und welche Kosten sind damit verbunden, Sportstätten geschlechtsneutral zu gestalten?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten, weil es immer davon abhängt, wie die Sportstätte beschaffen ist oder welche Baumaßnahmen ohnehin geplant sind. Mir ist bewusst, dass die allermeisten Kommunen in Hessen kaum Geld für solche Projekte haben. Deswegen wünsche ich mir eine entsprechende Förderung auf Landesebene. Das Land könnte anteilig die Mehrkosten übernehmen, wenn eine Sportstätte neu gebaut oder renoviert wird.

Wie groß ist in Deutschland nach Ihrem Eindruck das Bewusstsein für das Thema?

Das Bewusstsein dafür ist leider kaum vorhanden. Die Diskussion wird auch von Falschnachrichten aus der rechten Ecke geprägt. Da wird gerne das Bild von den vermeintlichen Männern gezeichnet, die jetzt die Frauensaunas stürmen wollen. Das ist völlig falsch. Wenn trans Frauen sagen, dass sie in eine Frauensauna gehen wollen, liegt es daran, dass sie Frauen sind. Und wenn die Leute sagen „Ich kenne gar keine trans Menschen, die in meinen Sportverein gehen“, hat es vielleicht auch einen einfachen Grund: Die Menschen kommen nicht, weil sie sich dort nicht wohl fühlen, weil sie keine Umkleide finden oder Angst haben nicht akzeptiert zu werden.

 

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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