Interview mit SPD-Kommunalpolitiker Frank Steffen

Stichwahl im Kreis Oder-Spree: Wie die SPD gegen die AfD gewinnen will

Sebastian Thomas05. Mai 2023
Frank Steffen unterhält sich mit zwei jungen Menschen
Schulneubau, Erhalt von Krankenhäusern, ÖPNV auf dem Land: Frank Steffen (l.), SPD-Kandidat zur Landratswahl in Oder-Spree, möchte den Wähler*innen bis zur Stichwahl am 14. Mai noch viele seiner Kernthemen nahebringen.
Am 14. Mai bestimmt eine Stichwahl den nächsten Landrat im Kreis Oder-Spree. Die noch verbliebenen Kandidaten sind Frank Steffen (SPD) und ein Bewerber der AfD. Der SPD-Politiker weiß bereits, wie er sich gegen seinen Kontrahenten durchsetzen will.

DEMO: Sie wollen Landrat des Landkreises Oder-Spree in Brandenburg werden. Was zeichnet ihn aus?

Frank Steffen: Der Landkreis geht von der östlichen Berliner Stadtgrenze bis an die nach Frankfurt/Oder. Er ist sozusagen ein Bindeglied zwischen der Metropole Berlin und unserem Nachbarland Polen. Außerdem zeichnet sich der Landkreis dadurch aus, dass er jeweils im Osten und im Westen große Industriestandorte hat.

Im Osten floriert die Stahlindustrie in Eisenhüttenstadt und im Westen steht die Automobilfabrik von Tesla. Dazwischen ist er geprägt durch kleine und mittelgroße Städte, eine wunderbare Landschaft, touristisch sehr attraktiv, mit ganz vielen Seen, der Spree und anderen kleinen Flüssen.

Welche Projekte oder Vorhaben wollen Sie noch bis zur Stichwahl 14. Mai deutlich machen und warum?

Ganz wichtig ist mir das Thema Schulneubauten. Hier gibt es seit Jahren Planungen für wichtige Schulen in Schöneiche, Erkner, Fürstenwalde und in der Kreisstadt Beeskow. Das zu vermitteln hat bei mir oberste Priorität. Ein weiteres großes Thema in dem Wahlkampf war und ist die gesundheitliche Versorgung, also mehr Haus- und Fachärzte sowie der Erhalt der Krankenhäuser in Beeskow und Eisenhüttenstadt.

Ein drittes Thema, über das sehr viel gesprochen wird, ist der ÖPNV. Wir brauchen mehr Busverbindungen im ländlichen Raum, aber auch im engeren Verflechtungsraum von Berlin. Und wegen der besonderen Situation mit der AfD müssen jetzt alle demokratisch gesinnten Menschen zusammenstehen und verhindern, dass unser Landkreis nach rechts abbiegt. Das ist bis zur Stichwahl quasi ein Überthema.

Gibt es bei dieser Landratswahl wie schon bei der Bürgermeisterwahl in Cottbus ähnliche Bewegungen hin zu einer breiten Allianz aus den demokratischen Kräften?

Ja, auf jeden Fall. Unmittelbar nach der Wahl teilten mir Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit, dass sie mich unterstützen. Ein ähnliches Signal kam auch aus den Reihen von CDU und FDP. Man will deutlich machen, dass es jetzt ganz wichtig ist, den verbliebenen Kandidaten aus dem demokratischen Spektrum zu wählen.

Sie sind 1971 in der Stadt Beeskow im Landkreis Oder-Spree geboren und aufgewachsen: Ihr Kontrahent von der AfD kommt nicht aus Ostdeutschland – verschafft Ihnen das Ostdeutschsein Sympathiepunkte?

Ganz klar, ich kenne mich in der Region aus und kann eine ganz wichtige Erfahrung vorweisen. Ich habe die schwierigen Jahre des Umbruchs in den 90er-Jahre hier miterlebt und weiß daher auch, was das für die Menschen, die hier wohnen, bedeutet. Außerdem bin ich seit 13 Jahren Bürgermeister von Beeskow und kenne daher natürlich viele kleine und große Probleme.

Auf der anderen Seite weiß ich auch, was die Menschen bewegt, die in den Landkreis gezogen sind, und ebenso was die jungen Leute beschäftigt. Dieses Wissen hat man nur, wenn man im Landkreis großgeworden und auch sozialisiert ist und ebenso diese schweren Zeiten in den 1990er-Jahren miterlebt hat.

Was hat die ältere Generation auf dem Herzen, wenn sie zu ihnen kommt, gerade im Hinblick auf die erwähnten Umbrüche?

Es geht nach wie vor ganz besonders um die Wertschätzung ihrer Lebensleistung. Da haben gerade die Älteren immer noch den Eindruck, dass deren Leistung in den vergangenen 30 Jahren aus westdeutscher Sicht nicht wahrgenommen wird. Natürlich spielen immer auch noch Unterschiede bei den Löhnen in Ost und West eine Rolle.

Was diese Generation außerdem sehr beschäftigt, ist der Wegfall von bestimmten Infrastrukturen. Wir haben im Landkreis kleine Orte, in denen am Ende der Briefkasten als öffentliche Infrastruktur übrig geblieben ist, genauso wie die Erreichbarkeit von Ärzt*innen.

Was beschäftigt die eher jüngere Generation?

Bei den Jüngeren sind es die ganz aktuellen Themen Umwelt- und Klimaschutz sowie Mobilität. Die jungen Leute im ländlichen Raum wollen gerne aufs Auto verzichten, aber dafür brauchen sie Radwege und gute Busanbindungen. Außerdem beschäftigt sie das ganze Thema Digitalisierung und der Ausbau des Breitbandnetzes. Sie kommen auch zu mir und sagen, dass es jetzt auf dieses Thema ankommt. Sie wollen in einem landschaftlich schönen Landkreis leben, der trotzdem modern, digital und zukunftsgewandt ist.

Zukunft ist das Stichwort. Oder-Spree gilt als der Tesla-Landkreis, doch was steht denn gerade mit Blick auf die Wirtschaft noch für den Landkreis?

Da möchte ich gerne auf den traditionellen Stahlstandort Eisenhüttenstadt mit dem Unternehmen ArcelorMittal hinweisen. Dort findet gerade eine industrielle Revolution statt, nämlich die Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Das ist meines Erachtens eine sogar noch größere Revolution als das, was bei der Elektromobilität stattfindet. Dort muss eine traditionelle Industrie für die Zukunft vorbereitet werden.

Das habe ich auch immer wieder im Wahlkampf vermittelt, nämlich das Tesla sicherlich unser Aushängeschild nach außen ist. Jedoch dürfen wir die industriellen Standorte wie Eisenhüttenstadt, aber auch die Spanplatten-Industrie in Beeskow nicht aus dem Blick verlieren. Wir müssen die Arbeitsplätze erhalten und sie in eine gute sowie moderne Zukunft führen.

Tesla in Grünheide, die Stahlindustrie in Eisenhüttenstadt – der Landkreis Oder-Spree wächst. Wo sehen Sie aktuell Probleme, die es unbedingt und schnell zu lösen gilt?

Gerade, wenn man die Tesla-Fabrik mit ihren 10.000 Mitarbeiter*innen betrachtet, fällt auf, dass die Infrastruktur im Umfeld noch nicht ganz stimmig ist. Diese müssen wir gestalten, also Straßen, Radwege, ÖPNV, Anbindungen, Wohngebiete, Kindergärten, Schulen, das ganze Portfolio. Darüber hinaus müssen wir die Verkehrsinfrastruktur im Landkreis so ausrichten, dass es für Menschen attraktiv ist, auch in der Mitte oder im Osten zu wohnen.

Dort haben wir noch günstige Grundstückspreise. Das, was uns derzeit im engen Berliner Raum Sorgen macht, sind die teuren Grundstücke und die hohen Mieten. Sofern ich als Landrat gewählt werde, will ich die gleichmäßige Entwicklung im gesamten Landkreis vorantreiben. Das wäre für mich eine der wichtigsten Aufgaben.

Dieses Interview ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

Landkreis Oder-Spree: Worum es bei der Stichwahl geht

Der Kreis Oder-Spree sucht einen neuen Landrat: Beim ersten Wahlgang Ende April erzielte keiner der acht Bewerber*innen die erforderliche Stimmenmehrheit. Die meisten Wähler*innen entschieden sich für den AfD-Kandidat Rainer Galla (24,8 Prozent) – dicht gefolgt von SPD-Kandidat Frank Steffen. Auf ihn entfielen 22,5 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Daher kommt es am Sonntag, 14. Mai, zur Stichwahl zwischen diesen beiden Bewerbern. Nach der Wahl könnte es den ersten AfD-Landrat im gesamten Bundesgebiet geben. Doch: Vertreter*innen mehrerer Parteien haben SPD-Politiker Frank Steffen bereits ihre Unterstützung zugesagt. Der 51-Jährige ist aktuell Bürgermeister der Kreisstadt Beeskow. Für ihn spielen vor allem Themen, wie die Infrastruktur des Landkreises im Vordergrund – und das in vielerlei Hinsicht: Kitas, Schulen, Radwege, Busanbindungen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er sich unter anderem für eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots im ländlichen Raum stark macht. Frank Steffen ist verheiratet und hat vier Kinder.

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