Till Backhaus: „Mehr Respekt vor dem Insekt!“
Das dramatische Insektensterben ruft Mecklenburgs Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Till Backhaus, auf den Plan: Er forderte ein dauerhaftes und umfangreiches Monitoring, um den tatsächlichen Artenschwund zu erfassen. „Es gibt vereinzelt Daten und Studien, aber sie werden nicht systematisch zusammengeführt.“, sagte er gestern in Berlin auf einem parlamentarischen Abend in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommerns. Es gelte, die Faktenlage zu ergänzen. Einen Slogan dazu hat er parat: „Mehr Respekt vo dem Insekt!“
Spezialisierte Ausbildungen
Backhaus will „spezialisierte Ausbildungen“ stärken – jedoch daneben auch wie freiwillige Vereine und Ehrenamtliche im Natur- und Artenschutz, wie Imker, Angler oder Jäger. National- und Naturparke und Biosphärenreservate. „Es gibt zu viele Generalisten, zu wenig Spezialisten“, so der Minister. Solche Orte, die eine deutlich höhere Zahl von Arten beherbergen, sollen bewahrt und in ihrer Akzeptanz gestärkt werden. Dafür forderte er auch eine umfangreichere finanzielle Ausstattung, „die nur durch eine gerechte Verteilung innerhalb Deutschlands erreicht werden kann.“
Hintergrund: Im Herbst 2017 hatte eine Veröffentlichung des Entomologisches Verein Krefeld über ein dramatisches Insektensterben große öffentliche Resonanz erzielt: Laut der Forscher sei die Insekten-Population in den vergangenen 27 Jahren um knapp 80 Prozent zurückgegangen, hieß es. Die Analyse der ehrenamtlichen Insektenkundler brachte aber keine eindeutige Erklärung der Gründe für das Artensterben. Genannt werden in diesem Zusammenhang etwa Monokulturen und Intensivlandwirtschaft, Einsatz von Pestiziden und Insektiziden, auch der Klimawandel wird genannt.
„Wir müssen weg von der Monokultur“
Minister Backhaus nannte die intensive Landwirtschaft als größten Verursacher. „Er plädierte für „mehr Struktur und Vielfalt in der Landschaft“. Mehr Hecken pflanzen, Knicks anlegen, und so Nischen schaffen, die Lebensraum für Insekten bieten. „In der Landwirtschaft müssen wir zu Alternativen kommen“, forderte der Minister. Es sei richtig und notwendig, Anreize zu schaffen für ökologische Leistungen. „Wir müssen weg von der Monokultur“. Würde Maisanbau – der erträglich ist – in eine vernünftige Fruchtfolge integriert, gäbe es weniger Probleme.
Professor Dr. Fritz Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung – ein Gastgeber des parlamentarischen Abends – betonte die Schlüsselrolle der Agrarpolitik. „Wir müssen endlich weg von Subventionen per Gießkanne. Der Artenschutz muss Produktionsziel werden, das den Landwirten über die Agrarpolitik vergütet wird", lautete eine seiner Forderungen. Er richtete seinen Blick auf die EU. Der Hebel, um die Landwirtschaft insektenfreundlicher zu machen, ist die EU-Agrarpolitik: „Jetzt müssen die agrarpolitischen Weichen für die Förderperiode ab 2021 gestellt werden.“
Professor Vahrenholt: Viele „ökologische Vorrangflächen“ gar nicht ökologisch
Er gab ein Beispiel dafür, was schief laufen kann: Fünf so genannte „ökologische Vorrangflächen“ sind heute im Ackerbau Pflicht – eigentlich. Fünf Prozent Brachen oder Blühflächen wären laut Vahrenholt prima - doch durch gezielte Lobbyarbeit des Bauernverbandes seien auch Zwischenfrüchte und Leguminosen als ökologische Vorrangflächen zugelassen worden, kritisiert er. „Logisch, dass Landwirte auf diese Variante aufgesprungen sind. So ist die Idee der ökologischen Vorrangflächen ins Leere gelaufen.“ Nur noch rund 200.000 ha, knapp 1,5 Prozent der Fläche, seien wirklich ökologische Flächen. „Da muss man sich nicht wundern, wenn es Schmetterling und Co. schlechter geht.“
Professor Vahrenholt betonte, dass das Thema Insektenschutz in der Politik angekommen sei und verwies auf den Koalitionsvertrag, wo es heißt: „Wir werden das Insektensterben umfassend bekämpfen. Mit einem Aktionsprogramm Insektenschutz wollen wir die Lebensbedingungen für Insekten verbessern.“ Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat erste Schritte angekündigt.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.