Interview mit Nico Steinbach

„In vielen Regionen ist Wald verschwunden”

Carl-Friedrich Höck13. Juni 2022
Nico Steinbach
Die Effekte des Klimawandels machen den deutschen Wäldern zu schaffen. Das bestätigt Nico Steinbach, Kommunalpolitiker und Forstexperte der SPD-Fraktion Rheinland-Pfalz. Was Städte und Gemeinden unternehmen können, um ihren Forst zu erhalten, erklärt er im Interview.

Wer einen Waldspaziergang plant, macht sich selten Gedanken, wem der Forst gehört. Wie lautet die Antwort?

Ein Teil gehört dem Bund und den Ländern, ein Teil den Kommunen und ein Teil ist im privaten Besitz. Das Verhältnis ist in jedem Bundesland unterschiedlich. In Rheinland-Pfalz gehören etwa 46 Prozent der Waldflächen den Kommunen, 27 Prozent den Privaten und 27 Prozent dem Staat. Bundesweit sind etwa 20 Prozent der Waldflächen in kommunalem Eigentum.

Was unterscheidet Kommunen von anderen Eigentümern?

Gemeinden, die Waldbesitz haben, achten schon immer sehr auf Nachhaltigkeit. Die Forstwirtschaft, die sie betreiben, ist auf Generationen ausgerichtet. Wir dürfen immer nur so viel entnehmen, wie auch zuwächst, oder müssen reinvestieren, damit die nächste Generation in 80 oder 100 Jahren auch noch Früchte aus dem Wald ziehen kann. Auch die meisten privatwirtschaftlichen Forstbetriebe – etwa im Besitz von Stiftungen oder Familien – arbeiten nachhaltig. Sie wissen: Wenn die Vorfahren das nicht ordentlich gemacht hätten, könnten sie heute nicht vom Wald leben. Aber ein privater Wald kann auch in die falschen Hände geraten. Eine Heuschreckenmentalität können wir bei der Waldbewirtschaftung nicht gebrauchen.

Natürlich geht es auch um ein Gefühl: Der kommunale Wald gehört uns allen, den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde. Vielleicht gehen sie deshalb noch ein bisschen sorgfältiger und rücksichtsvoller damit um.

Der Klimawandel ist auch in Deutschland zunehmend zu spüren: Es gibt vermehrt Hitzewellen mit Trockenheit, aber auch Stürme oder Starkregenereignisse. Welche Folgen hat das für die Wälder?

Die Effekte sind leider deutlich zu beobachten. Wir haben einige Dürrejahre hinter uns. Auf weiten Flächen sind Forstkulturen dem Trockenstress zum Opfer gefallen. In vielen Regionen ist Wald verschwunden. Das hängt auch mit den Monokulturen zusammen, die nach den Weltkriegen angepflanzt wurden. Zum Beispiel wurden viele Fichten gepflanzt. Die haben nur flache Wurzeln und reagieren sehr auf Trockenheit. Durch die Dürre werden sie zudem anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Die Buche gerät ebenfalls ins Schlingern.

Wie können wir den Wald erhalten und zukunftstauglich machen?

Wir müssen ihn naturnah wieder aufbauen, also klimaresistente Mischwälder schaffen. Dazu können wir stressresistentere Baumarten einbringen, die mit Trockenheit besser zurechtkommen. Ein sehr gutes Mittel ist die Naturverjüngung. Das heißt, man schafft gezielt gute Bedingungen für die Samen, die von alten Bäumen abgeworfen werden, sodass neue Bäume anwachsen können. Die jungen Pflanzen sind allerdings für das Wild sehr schmackhaft. Deshalb funktioniert das nur zusammen mit einer konsequenten Jagdstrategie.

Sind das Aufgaben, die man den Fachleuten überlassen kann, oder ist da auch die Kommunalpolitik gefordert?

Das geht nur gemeinsam. Bund und Länder stellen Fördermöglichkeiten zur Verfügung, betreiben Forschungsanstalten und erarbeiten Empfehlungen. Die Forstverwaltungen vor Ort bringen ebenfalls ihre Fachkompetenz ein. Aber die Diskussion muss auch in den Gemeinderäten geführt werden. Die beschließen nämlich den jährlichen Bewirtschaftungsplan für den Kommunalwald. Da steht drin, was an Holz geschlagen wird, und was in den Um- und Aufbau von Wald investiert werden soll. Auch auf die Jagdstrategie kann die Kommune Einfluss nehmen. Unser Holz ist ein sehr wichtiger Rohstoff.

Die Großstädte wachsen und manch ein Bürgermeister wünscht sich ein neues Gewerbegebiet. Das weckt mit Blick auf die Wälder Begehrlichkeiten. Müssen wir uns darauf einstellen, dass die Waldflächen weniger werden?

Wir sollten es tunlichst vermeiden, an die Waldbestände heranzugehen, auch wenn es im Einzelfall begründete Ausnahmen geben kann. Wir wissen, welche wichtigen Funktionen der Wald für unsere Städte und Dörfer hat. Ein Hektar speichert 338 Tonnen CO2 im Jahr und produziert acht Tonnen Sauerstoff. Wald bindet Staub, reguliert Wärme und speichert Wasser. Ein Wald um eine Stadt herum schützt vor extremen Witterungseinflüssen, vor Stürmen und schafft ein behaglicheres Klima. Es gibt also gute Gründe, den Wald zu erhalten – aus ökologischer, klimapolitischer und auch wirtschaftlicher Sicht. Denn mit Holz und Wild lässt sich durchaus Geld verdienen.

 

Nico Steinbach ist Ortsbürgermeister von Oberweiler, Geschäftsführer der SGK Rheinland-Pfalz und forstpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz.

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