Bundesstiftung Baukultur stellt Bericht vor

Weg vom Abriss-Dogma hin zu einem Umbau-Leitbild

Uwe Roth12. April 2024
Umbau anstatt Abriss und Neubau: Kommunen sollen den Erhalt von Gebäuden zum Leitbild ihrer Baupolitik machen. Das empfiehlt die Bundesstiftung Baukultur in ihrem jüngsten Bericht. Bei den Regierungsfraktionen im Bundestag kam der Vorschlag gut an.

Die Neubauten der Nachkriegsjahre sind in die Jahre gekommen. Aus Beton-Bauten der 1960er und -70er Jahre sind vielerorts Architektur-Sünden geworden. Noch gilt die Abrissbirne als probates Mittel, ohne falsche Sentimentalität Platz für einen Neubau zu schaffen. Die Parlamentarische Staatssekretärin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Elisabeth Kaiser, will nun weg vom „Abriss-Neubau-Dogma“, wie die SPD-Politikerin am Donnerstag im Plenum des Bundestags erklärte.

Stattdessen solle in der Baupolitik der Umbau zum neuen Leitbild werden. Die Staatssekretärin übernahm damit die Empfehlung der Bundesstiftung Baukultur aus deren Baukulturbericht 2022/2023. Dieser sei eine „empfehlenswerte Lektüre“, die Anlass zum Umdenken gebe, wie sie sagte. Auch die CDU sprach im Plenum von einem „exzellenten Bericht“, aus dem „richtungsweisende Impulse“ hervorgingen.

„Umbau“ soll Thema in Ausbildung und Studium werden

Der Abgeordnete Dirk-Ulrich Mende (SPD) war zwischen 2009 und 2017 Oberbürgermeister der Stadt Celle (Niedersachsen). Er begrüßte, dass nun „der Umbau stärker in den Fokus gerückt wird“. Für ihn bedeutet das neue Leitbild auch Schonung von Ressourcen. Zugleich wies er darauf hin, dass die Baubranche in der Ausbildung und im Studium „Umbau mitdenken muss“, anstatt nur die Anfertigung und Umsetzung von Neubau-Plänen zu erlernen.

In historischen Innenstädten verbiete oftmals der Denkmalschutz einen sinnvollen Umbau von Gebäude, gab Mende zu bedenken. Er kenne das aus seiner Stadt mit viel geschichtsträchtiger Bausubstanz. Mende empfahl in seinem Redebeitrag den Bundesländern, „ihre Denkmalschutz-Gesetze zu überdenken“. Letztlich habe niemand etwas davon, wenn eine denkmalgeschützte Fassaden nur noch eine leere Hülle darstelle.

Fürs Wohnen in der Innenstadt oftmals zu laut

Claudia Tausend (SPD) lobte das Engagement privater Eigentümer in ihrem Wahlkreis München. So soll das 70 Jahre alte und seit 2022 leerstehende Kaufhof-Gebäude am Stachus nicht abgerissen, sondern nach einem Umbau neu genutzt werden. Gastronomie und Büros sollen einziehen. Die Dachterrasse soll öffentlich zugänglich werden. Mit dem Strukturwandel im Einzelhandel gewinne das Thema Umbau weiter an Aktualität, betonte die Abgeordnete. Auch Wohnungen könnten in ehemaligen gewerblich genutzten Räumen einen architektonisch interessanten Platz finden. Allerdings sei es in Innenstädten fürs Wohnen oftmals zu laut. Daher müsse die TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) entsprechend verschärft werden, sagte sie.

Die Expert*innen der Stiftung schreiben in ihrem Baukulturbericht: „Der Fokus von Politik, Verwaltung, Bauwirtschaft und Öffentlichkeit muss sich schon aus volkswirtschaftlichen und ökologischen Gründen vom Neubau hin zum Umbau verschieben. In diesem Paradigmenwechsel liegen Chancen für Klima- und Ressourcenschutz, für ein neues Verständnis von Gestaltung und für Bauwerke, die auch für kommende Generationen noch wertvoll sind.“

Wert der "goldenen Energie" erkennen

Die Autor*innen sprechen aber nicht nur von einem reinen Kosten-Nutzen-Faktor. Ein Bestandsgebäude bestehe auch aus „goldener Energie“, die es zu nutzen gelte. Sie erklären das so: „Der Bestand ist nicht nur aufgrund der in ihm gespeicherten Emissionen, der sogenannten grauen Energie, wertvoll, sondern auch aus immateriellen, kulturellen Gründen.“ Seinen Wert zu sehen und zu vermitteln, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die am Planen und Bauen Beteiligten müssten die „dem Bestand innewohnende goldene Energie erkennen und die Potenziale einer neuen Gestaltungssprache im Umgang mit dem Bestand herausarbeiten“.

Deutscher Bundestag - Parlament berät Baukulturbericht der Bundesstiftung Baukultur

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