Parlamentarische Staatssekretärin Kaiser

„Wir wollen Anreize für dauerhaft günstige Wohnungen schaffen”

Carl-Friedrich Höck30. Mai 2023
Elisabeth Kaiser in ihrem Büro im Bundestag
Elisabeth Kaiser ist die neue Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium. Im DEMO-Interview erklärt sie, was die geplante Wohngemeinnützigkeit bringen soll, wie beim Wohnungsbau die Trendwende gelingen kann und welche Akzente sie setzen möchte.

DEMO: Sie sind seit Ende April Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Wie haben Sie die ersten Wochen im neuen Amt erlebt?

Elisabeth Kaiser: Gut und intensiv. Mir hilft, dass ich aus dem Themenbereich komme: In der vergangenen Legislaturperiode war ich als Bundestagsabgeordnete Mitglied im Bau- und Kommunalausschuss. Ich war auch schnell drin in der neuen Aufgabe, weil aktuell mehrere Gesetze verhandelt werden: Wir haben eine Digitalnovelle und kleinere Baugesetzänderungen auf den Weg gebracht, das begleite ich nun.

Der zweite Parlamentarische Staatssekretär im Bauministerium ist Sören Bartol. Wie funktioniert die Aufgabenteilung?

Ich habe im Wesentlichen die Aufgabenbereiche meiner Vorgängerin Cansel Kiziltepe übernommen, die als Arbeitssenatorin in den neuen Berliner Senat gewechselt ist. Meine Schwerpunkte sind die Nationale Stadtentwicklungspolitik, der Kampf gegen Wohnungslosigkeit, Sozialer Wohnungsbau, Neue Wohngemeinnützigkeit und Baugesetznovellen jeglicher Art. Da gibt es viel zu tun.

Ein wichtiges Ziel des Bundesbauministeriums lautet: In Deutschland sollen pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. Im vergangenen Jahr wurden aber nur 295.300 errichtet, was sicher auch an den Folgen des Krieges in der Ukraine liegt, wie steigenden Zinsen und gestörten Lieferketten. Wie will das Bauministerium die Trendwende schaffen?

Zunächst ist es richtig, dass wir uns weiterhin Ziele setzen, denn ohne Ziel findet man auch nicht den Weg dahin. Die Hoheit über den Wohnungsbau liegt bei den Ländern, der Bund kann sie aber unterstützen. Und da haben wir noch vieles vor: Gemeinsam mit den Ländern wollen wir die 16 Landesbauordnungen ein Stück weit harmonisieren, um bundesweite Standards zu schaffen. Damit erleichtern wir das serielle und modulare Bauen und helfen, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen. Wir befassen uns damit, wie wir zukünftig Baumaterialien recyceln und wie wir die Entwicklung von Baustoffen unterstützen können, die das Bauen günstiger machen. Die Normung ist ein Thema, uns sehr beschäftigt: Sind die Baustandards in Deutschland zu perfektionistisch, kann man auch einfacher bauen und trotzdem gut und solide? Wir sagen ja und dafür brauchen wir an vielen Stellen strukturelle Reformen.

Auf all diesen Feldern kann der Bund nicht durchregieren. Er ist auf das Engagement der 16 Bundesländer und der Bau- und Immobilienwirtschaft angewiesen.

Das stimmt. Deswegen gibt es das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum”, wo Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer, Kommunen, der Wohnungs- und Bauwirtschaft und der Gesellschaft sich austauschen und vernetzen. Es geht auch darum, Zielkonflikte auflösen. Etwa die Frage, wie wir einerseits mehr bezahlbare Wohnungen schaffen und andererseits die Klimaziele erreichen. Den Weg, beides zusammenzubringen, finden wir nur gemeinsam.

Die Ampel-Koalition will eine Neue Wohngemeinnützigkeit einführen. Was bedeutet das konkret und was soll das bringen?

Wir wollen ein ergänzendes Segment auf dem Wohnungsmarkt schaffen, das den Vorgaben einer Gemeinnützigkeit entspricht. Es geht also um Wohnungen, mit denen man de facto keine Gewinne macht, sondern bezahlbaren Wohnraum schafft. Nicht nur für Menschen mit wenig Geld, sondern für breite Bevölkerungsgruppen, die sich die Mietpreise in Städten wie Berlin nicht mehr leisten können. Für diese Menschen haben wir bisher nur den Sozialen Wohnungsbau. Der ist aber mit Bindungsfristen versehen. Das heißt: Nach 30 oder 20 Jahren, manchmal auch weniger, fällt die Wohnung aus der Sozialbindung, und dann darf der Eigentümer sie auf dem freien Wohnungsmarkt anbieten – da können die Mieten schnell steigen. Die Grundidee der Wohngemeinnützigkeit ist es, Anreize für wirklich dauerhaft günstige Wohnungen zu schaffen.

Wie sieht dieser Anreiz aus?

Wir haben uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, eine steuerliche Entlastung für die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen zu schaffen und das mit einer Zuschussförderung zu verbinden. Wir schaffen also zwei Säulen, die es ermöglichen, günstigen Wohnraum zu schaffen. Im Moment erarbeiten wir Eckpunkte, wie das Modell der Wohngemeinnützigkeit genau aussehen kann. Dazu sind wir im Austausch mit Expertinnen und Experten und mit dem Bundesfinanzministerium.

Wenn die Unternehmen keine Profite machen können, wer hat dann überhaupt ein Interesse, gemeinnützige Wohnungen zu bauen?

Es gibt jetzt schon Wohnungsunternehmen, Genossenschaften, aber auch Stiftungen, die nicht auf Profit ausgerichtet sind, sondern ihre Gewinne reinvestieren – in den Wohnungsbestand, in neue Wohnungen und eine dauerhaft gute Quartiersentwicklung. Für die kann das durchaus attraktiv sein.

In der öffentlichen Debatte geht es hauptsächlich um fehlende Wohnungen, vor allem in Großstädten. Sie kommen aus Gera, einer Stadt mit schrumpfender Bevölkerungszahl. Welche städtebaulichen Herausforderungen gibt es in solchen Orten?

Richtig, in strukturschwachen Regionen, wo die Wirtschaft nicht so stark ist und die Bevölkerung weniger wird, haben wir Leerstand. Diesem Trend kann man mit politischen Anreizen entgegenwirken. Dazu gehört eine gute Ansiedlungs- und Wirtschaftspolitik. Man muss aber auch in die Infrastruktur investieren. Für die Wohnungsunternehmen ist es eine Herausforderung, auf einem ausgereizten Mietmarkt die Wohnungen altersgerecht und barrierefrei umzubauen oder sie mit Blick auf die Klimaziele energetisch zu sanieren. Denn das ist schwierig zu leisten, ohne die Mieten zu erhöhen. Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass in solche Gegenden investiert wird. Und dafür, dass die Kommunen es sich leisten können, ihre Strukturen an die demografischen Entwicklungen anzupassen. Da sind wir beim Thema Gleichwertige Lebensverhältnisse.

Welche Rolle kann das Bundesbauministerium dabei spielen?

Wir unterstützen mit der Städtebauförderung und haben da auch einen Schwerpunkt auf die strukturschwachen Regionen gelegt. Schon in der vergangenen Wahlperiode haben wir ein Gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen auf den Weg gebracht. Das ist ein Weg, den wir weitergehen müssen.

Das Bundesbauministerium will eine Kleinstadt-Akademie gründen und sucht gerade einen passenden Standort. Klara Geywitz sagt, die Stimmen der kleinen Städte würden bisher zu wenig gehört im Vergleich zu den großen Metropolen. Welche Impulse kann die Akademie setzen?

Wenn es darum geht, eine Lobby für die eigenen Interessen zu organisieren, sind Metropolen oft schlagkräftiger als die kleinen und mittleren Städte. Die haben aber auch ihre Herausforderungen: Sie müssen den Service für ihre Bürgerinnen und Bürger und andere Kernaufgaben finanzieren. Sie müssen die Verwaltung digitalisieren und Fachkräfte finden, um Bauprojekte auf den Weg zu bringen oder die vielfältigen Förderprogramme überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Im gemeinsamen Dialog, organisiert über eine Kleinstadt-Akademie, kann man ihre Interessen deutlicher herausarbeiten. Die Akademie kann auch den Best-Practice-Austausch unterstützen, sodass die Kommunen voneinander lernen können, welche Ansätze gut funktionieren und welche weniger. Welche Rolle spielt der Bezug zu größeren urbanen Räumen? Was spricht für eine Gebietsreform und was dagegen? Für solche Fragen kann die Kleinstadt-Akademie eine Plattform sein.

Welche eigenen Akzente wollen Sie im Amt setzen? Haben Sie ein Herzensthema?

Als ostdeutsche Politikerin ist es mir natürlich ein wichtiges Anliegen, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse herzustellen. Da sind auch andere Bundesministerien gefragt. Als Bauministerium sehen wir uns in koordinierender Funktion. Am Herzen liegen mir außerdem soziale Fragen wie der Kampf gegen Wohnungslosigkeit.

Klara Geywitz will die Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 überwinden. Wie soll das gelingen?

Das diskutieren wir sehr intensiv mit den Fachverbänden, zum Beispiel der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, wo sich Wohnungslose auch selbst organisieren. In Finnland haben wir uns ein Housing-first-Projekt angesehen. Die Idee ist es, den Menschen zuallererst eine Wohnung zu geben, weil es dann einfacher ist, wieder in einen strukturierten Alltag zurückzukehren. Die Menschen brauchen Sozialleistungen, Betreuung und Hilfestellung. Oft spielen Gesundheitsaspekte eine Rolle, psychische Probleme oder Drogenabhängigkeit. Da kommen also ganz vielschichtige Probleme zusammen. Unser Ministerium kann vor allem bei der Unterkunft ansetzen: Wir wollen die wohnungslosen Menschen zunächst unterbringen. Und dann brauchen wir gute Strukturen vor Ort, um sie zu begleiten. Ganz zentral ist es, die Prävention zu stärken, damit die Menschen ihre Wohnung gar nicht erst verlieren.

Einer Ihrer Schwerpunkte als Bundestagsabgeordnete war der Kampf gegen rechts. Inwiefern hilft auch die Arbeit des Bauministeriums, die Demokratie zu stärken?

Menschen machen ihre Zustimmung zur Politik ganz stark davon abhängig, wie ihr Lebensumfeld sich entwickelt. Wer in einer Gemeinde wohnt, wo immer mehr Infrastruktur wegbricht, wo es kaum noch soziale und Begegnungsräume gibt, wird unser politisches System tendenziell negativer bewerten. Ich will mich für lebenswerte Orte einsetzen, wo Menschen eine Perspektive haben, denn das hilft auch der Demokratie. Gezielte Stadtentwicklungspolitik und Städtebauförderung ist dafür ein Instrument.

Wohnungen werden nicht im Bauministerium, sondern in den Kommunen geplant. Viele Städte und Gemeinden haben mit Fachkräftemangel zu kämpfen. Wie kann das Bauministerium sie unterstützen?

Zum Beispiel können wir als Bund die Digitalisierung der Verwaltungen unterstützen, also auch das digitale Planen und Bauen. Wir bringen jetzt den digitalen Bauantrag aufs Gleis, da wollen sich zehn Bundesländer einer Lösung anschließen, die von Mecklenburg-Vorpommern entwickelt wird. Wenn wir das gut machen, können Planungsprozesse vereinfacht, entbürokratisiert und beschleunigt werden. Grundsätzlich müssen wir als Bund noch stärker darauf achten, Planbarkeit für die Kommunen herzustellen. Können sie das, was wir im Bund beschließen, überhaupt umsetzen? Bieten wir den Verwaltungen ausreichend Qualifikationsmöglichkeiten an? Tun wir genug, um Fachkräfte zu gewinnen oder Fachkräfte-Einwanderung zu ermöglichen? Da müssen wir vorankommen.

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