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Mehr Licht!

Carl-Friedrich Höck01. Juli 2021
„Mehr Licht!“: Vielleicht eine politische Forderung?
Goethes letzte Worte geben Rätsel auf. Lüftet eine neue Fördermittel-Studie das Geheimnis um den Dichter?

Was wäre unsere schöne Welt ohne Licht? Die Antwort steht schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte: „Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut (…). Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.“

Um ein helles Leuchten zu schätzen, muss man natürlich kein Gott sein, nicht einmal Christ. Johann Wolfgang von ­Goethe wird ein ambivalentes Verhältnis zur Religion ­nachgesagt. Die Legende besagt, dass die letzten Worte im Leben des großen Dichters lauteten: „Mehr Licht!“

Ist der Satz methaporisch zu verstehen?

Über die Bedeutung dieses Ausrufs lässt sich trefflich diskutieren. Wollte er noch etwas zu Papier bringen? Oder ist der Satz metaphorisch zu verstehen? So deutete ihn Dichter-Kollege Friedrich Rückert: „Stets des Lebens dunkler Seite / abgewendet wie Apoll; / Dass er Licht um sich verbreite, war der Ruf, der ihm erscholl.“

Vielleicht handelte es sich auch um eine politische Forderung. In diesem Zusammenhang ist eine aktuelle Meldung des ifo-Instituts interessant. Demnach haben Forscher herausgefunden, dass die Vergabe von EU-Fördermitteln mit einem Anstieg von Nachtlicht in den empfangenden Gemeinden einhergeht. Konkret: Mit jedem Prozent, um das die EU-­Fördermittel zwischen 2014 und 2020 anstiegen, habe das Nachtlicht in den empfangenden Gemeinden um 0,01 Prozent zugenommen. Das sei anhand von Satellitendaten abzulesen. Die Forscher glauben, dass das hellere Licht ein Hinweis auf ­eine höhere Wirtschaftsleistung in diesen Gebieten sein könnte.

Erkenntnis auf dem Sterbebett?

Kam Goethe also auf dem Sterbebett die Erkenntnis, das wir dringend mehr Europa und mehr Fördermittel für Kommunen brauchen?

Die Wahrheit ist wahrscheinlich einfacher: Goethe hat die berühmten Worte nie gesagt. Goethes Schwiegertochter Ottilie berichtete zumindest von einem ganz anderen letzten Satz: „Frauenzimmerchen! Frauenzimmerchen! Gib mir dein Pfötchen.“ Doch das war den Zeitgenossen wohl zu unangemessen, um daraus eine große Erzählung zu stricken – vom letzten Gedanken, den die große Lichtgestalt Goethe formuliert hat.