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1. Mai: Große Demonstrationen fallen aus

Die traditionellen politischen Demonstrationen und Kundgebungen werden in diesem Jahr wegen der Corona-Krise – wenn überhaupt – nur beschränkt stattfinden. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Richtschnur zu Entscheidungen über Versammlungsverbote erlassen.
von Karin Billanitsch · 30. April 2020
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Der erste Mai ist traditionell ein Tag der Protestaktionen und Kundgebungen, er hat seinen Ursprung in der US-amerikanischen Arbeiterbewegung. Ob man ihn nun als Tag der Arbeiterbewegung oder Maifeiertag bezeichnet: In diesem Jahr wird er wegen der Corona-Krise ohne die vielerorts politischen organisierten Demonstrationen stattfinden, weil Versammlungen beschränkt werden.

Einige Urteile

Zu Versammlungsverboten aus jüngster Zeit gibt es schon einige Gerichtsurteile. So hat kürzlich das Bundesverfassungsgericht erstmals in Corona-Zeiten ein Versammlungsverbot beanstandet. Künftig gilt als Richtschnur: Generelle Demo-Verboteohne Prüfung des Einzelfalls sind unzulässig. Die betroffene Stadt Gießen hat die fragliche Demo inzwischen erlaubt.

In dem Fall ging es konkret um Kundgebungen, zu denen die Projektwerkstatt Saasen aufgerufen hatte. Unter dem Motto „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen - Schutz vor Viren, nicht vor Menschen" forderte die Projektwerkstatt zum Beispiel die Sperrung der Straßen vom Autoverkehr, damit Radfahrer und Fußbänger genug Abstand einhalten können. Auch die Teilnehmer der Demo sollten jeweils zehn Meter Abstand nach vorn und hinten beachten sowie sechs Meter zur Seite.

Die Stadt Gießen verbot die Demonstrationen zunächst unter Verweis auf die hessische Corona-Verordnung. Öffentliche Verhaltensweisen, die geeignet seien, das Abstandsgebot von 1,5 Metern zu gefährden, seien generell untersagt. Erfahrungsgemäß würden bei Versammlungen Mindestabstände nicht eingehalten. Eilanträge gegen das Verbot hatten bei den hessischen Verwaltungsgerichten keinen Erfolg. Darum musste das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Die Richter haben eine einstweilige Anordnung zugunsten der Projektwerkstatt erlassen. Die Verfassungsrichter monierten, dass die Stadt von einem generellen Versammlungsverbot ausgingen, obwohl in der hessischen Corona-Verordnung gar keine derartige Klausel enthalten war. Aber auch unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Landesverordnung müsse über Versammlungsverbote immer „unter hinreichender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden“ werden. (Az.: 1 BvR  828/20)

Erlaubnis unter Auflagen

Die Stadt Gießen, die über das Verbot erneut entscheiden musste, hat inzwischen die Kundgebung zugelassen. Die Versammlung sei jetzt unter Auflagen zugelassen, sagte Bürgermeister Peter Neidel (CDU). Demnach hat die Stadt die Kundgebung auf eine Stunde und die Teilnehmerzahl auf maximal 15 begrenzt. Alle müssten Mundschutz tragen und mindestens 1,5 Meter Abstand zueinander halten. Mit der aktuellen Entscheiudung setzte nicht nur das Verfassungsgericht, sondern auch Richter Stephan Harbarth ein Zeichen. Der jetzige Vizepräsident und designierte Präsident des Bundesverfassungsgerichts ist erst seit einigen Wochen federführend für die Versammlungsfreiheit zuständig.

Schon vor der Karlsruher Intervention hatten zuletzt auch andere Gerichte Demonstrationen zugelassen, die eigentlich wegen der Corona-Infektionsgefahr verboten waren. So hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kurz vor Ostern die von einem Wirtschaftsanwalt angemeldete kleine Kundgebung gegen Versammlungsverbote zugelassen. Argument: Gegen Corona-bedingte Freiheitsbeschränkungen könne nur jetzt demonstriert werden.

In Berlin, wo es in der Vergangenheit nicht selten am ersten Mai sogar zu Ausschreitungen gekommen ist, sind laut dem zuständigen Senat für Inneres laut rbb für den 1. Mai 29 Demos angemeldet. Genehmigt würden sie für maximal 20 Personen und nur „für stationäre Versammlungen“, wie der Innensenator Andreas Geisel (SPD) zitiert wurde. Größere Menschenmengen will der Innensenator nicht zulassen.

Einen innovativen Weg in Corona-Zeiten hat sich der DGB ausgedacht: Es wird demonstriert – aber digital auf Facebook und Youtube unter dem Motto: „Solidarisch ist man nicht alleine!“.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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