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11.700 Wärmewenden

Das Kompetenzzentrum in Halle hilft Kommunen, bis zum Jahr 2028 eine eigene Heizressourcenplanung aufzustellen.
von Harald Lachmann · 19. März 2024
In der Innenstadt von Halle (Saale) hat das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) seinen Sitz.

Von 2045 an will Deutschland klimaneutral heizen. Das ist eine riesige Herausforderung, denn noch erwärmen vor allem fossile Brennstoffe den Wohnungsbestand: 49,5 Prozent Gas, 24,8 Prozent Heizöl. Hinzu kommen 14 Prozent Fernwärme, die erst zu einem Fünftel regenerativ erzeugt wird. Es braucht also neben der Energiewende auch eine Wärmewende, zumal „der Wärmesektor fast 60 Prozent unseres Endenergieverbrauchs ausmacht“, sagt Robert Brückmann. Der 46-Jährige, der in Halle (Saale) das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) leitet, weiß um die Dimension dieser Aufgabe. Denn in den 11.700 Kommunen summieren sich 19 Millionen Wohngebäude mit gut 40 Millionen Wohneinheiten.

Enger Zeitrahmen

Mithin sieht er in der kommunalen Heizressourcenplanung, die sich aus dem soeben in Kraft getretenen Wärmeplanungsgesetz ergibt, ein komplexes energetisches Themenfeld: „Statt einer großen Wärmewende müssen wir 11.700 kleinere hinbekommen.“ Der Zeitrahmen hierfür ist eng gestrickt: Mitte 2028 soll jede deutsche Kommune über eine Wärmeplanung verfügen, Großstädte schon bis zum 30. Juni 2026. Ein gewaltiger Anspruch angesichts administrativer Barrieren und Kommunalgrenzen, fehlender Fachkräfte auf allen Ebenen und nicht zuletzt der momentanen Kleinteiligkeit im Wärmesektor: Oft befinden sich mehrere Heizsysteme in einem Haus. Auch eine zentrale Koordinierung wie im Stromsektor fehlte lange.

In eben diese Rolle schlüpft ein wenig seit 2021/22 das KWW in Halle, das organisatorisch und fachlich unter der Ägide der Deutschen Energie-Agentur (dena) steht. Das 27-köpfige Team bereitet, wie Brückmann erläutert, unter anderem Know-how für die Kommunale Wärmeplanung auf, identifiziert beste Vorgehensweisen und hilfreiche Instrumente, veranstaltet Fachseminare und schafft eine qualitätsgeprüfte Wissensbasis. „Hierfür betrachten wir auch die Aktivitäten der Landesenergieagenturen, wir überprüfen, wo eine Arbeitsteilung sinnvoll ist und wie eine Übertragbarkeit der Daten und Inhalte auf andere Bundesländer sichergestellt werden kann“, so der Experte, der sich seit 2008 mit Erneuerbaren Energien beschäftigt.

Interesse wächst

In seiner Arbeit stützt sich das KWW auch auf eine Reihe Kommunen und Landkreise, die die Zeichen der Zeit erkannt und schon vor 2024 eine eigene Wärmeplanung angeschoben haben. Dazu gehören Baden-Baden, Birkenfeld, Bruchsal, Freiburg, Giengen an der Brenz, Kirchheim unter Teck, Konstanz, Minden, Obersontheim, Recklinghausen, Rostock, Schorndorf, Schwabmünchen und Tübingen sowie die Landkreise Berchtesgadener Land, Cochem-Zell, Emsland, Friesland, Lörrach, Plön und Rastatt.

Inzwischen spürt Brückmann überall ein wachsendes Interesse seitens der Kommunen, nicht nur wegen der neuen Gesetzeslage. Denn einerseits habe durch die Energiekrise jeder gemerkt, „dass wir unsere Energieproduktion neu aufstellen und auf Erneuerbare Energien ausrichten müssen, eine größere Sicherheit brauchen und uns hierbei unabhängig von importierten Rohstoffen machen müssen“. Und andererseits spürten immer mehr Kommunen, dass es sich „nachteilig auf ihre örtliche Industrie auswirken kann, geben sie die Energiefragen aus der Hand“.

Leistungen sind kostenlos

Da der Bund das KWW gut bezuschusst, sind dessen Leistungen für kommunale Akteure kostenlos. Gut nachgefragt werde etwa das Webseminar „KWW-Starterblock“, so Brückmann. Darin erläutert das Expertenteam die Prozessschritte für die Kommunale Wärmeplanung. Diese beginnt mit einer Bestandsanalyse: Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs und -verbrauchs, aktuelle Emissionen, Gebäudetypologie, Versorgungsstrukturen, Beheizungsstrukturen aller Gebäude. Dem folgt eine Potenzialanalyse, bei der Einsparchancen und lokal verfügbare Ressourcen an Erneuerbaren Energien sowie Abwärmequellen erfasst werden, zudem erfolgt eine Sektoruntersuchung (Privathaushalte, Gewerbe, Industrie, öffentliche Liegenschaften). Drittens werden Szenarien zur Deckung des künftigen Wärmebedarfs mit regenerativen Energien sowie räumlich aufgelöste Beschreibungen der Versorgungsstruktur bis 2050 formuliert, außerdem geeignete Gebiete für Wärmenetze und Einzelwärmeversorgung ermittelt. Und in einem vierten Schritt folgen Umsetzungsstrategien mit konkreten Maßnahmen, Prioritäten und einem Zeitplan zur Erreichung der Einsparziele.

Noch vor Beginn der eigentlichen Wärmeplanung sieht es der Experte indes als einen „entscheidenden Schritt, alle potenziellen Akteure einer Kommune zu vernetzen“. So wie etwa in Halle sollten Rathaus oder Stadtwerke „die infrage kommenden Player der Stadtgesellschaft zu Gesprächen einladen, damit sie verstehen, was hier auf sie zukommt, um gemeinsam eine starke Vision für die Stadt aufzubauen“. Sehr wichtig sei also „eine gute interne Kommunikation, damit nicht jeder erst einmal für sich allein werkelt“.

Weitere Informationen:
Am 19.09.2024 veranstaltet das KWW in Halle (Saale) eine ganztägige Fachkonferenz.

Autor*in
Harald Lachmann

  ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.
 
 

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