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„Allianz für den sozialen und ökologischen Fortschritt“

Svenja Schulze will einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Zukunftsvisionen dazu möchte die Bundesumweltministerin in einer Dialogreihe mit Bürgern und Experten diskutieren und hat dazu ein Impulspapier entworfen. Zum Auftakt war am Mittwoch auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling zu Gast.
von Karin Billanitsch · 25. Juni 2020
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Seit Monaten hat die Covid-19-Pandemie Deutschland fest im Griff. Die Corona-Krise bedeutet einen tiefen Einschnitt für unsere Gesellschaft. Durch den äußeren Druck hat sich vieles geändert, was nicht zurückgedreht werden kann, zum Beispiel was Arbeitsformen und Digitalisierung angeht. Wie dieser Schub genutzt werden kann, wie die neue Normalität nach Corona aussehen könnte – darüber denken jetzt viele nach. Wie wollen wir weitermachen, arbeiten, wohnen, leben – das fragen sich viele Menschen, nicht nur direkt nach der Krise, sondern generell. Auch Ängste spielen hier eine Rolle, wenn es um steigende Mieten, Arbeitsplätze und die Entwicklung der Wirtschaft nach Corona geht.

Dabei spielt das Thema Klimaschutz auch in der Corona-Krise ein wichtige Rolle, das belegen Studien, wie zum Beispiel eine neue Ipsos-Studie: Für 70 Prozent der Befragten ist Klimawandel ein ganz wichtiges, langfristiges Thema – mindestens so wichtig wie der Umgang mit der Covid-Pandemie. Auch die Mehrheit der Kommunalpolitiker benennen im neuen OB-Barometer 2020 des Deutschen Instituts für Urbanistik den Klimaschutz als wichtiges kommunales Zukunftsthema.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) greift diese Fragen auf und will einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft erreichen. Zukunftsvisionen will sie in einer Dialogreihe mit Bürgern und Experten diskutieren und hat dazu ein Impulspapier entworfen. Am Mittwoch bei der Auftaktveranstaltung waren der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, Michael Ebling, Bürgermeister von Mainz und Marion Tiemann von Greenpeace Deutschland zu Gast.

Schulze: Konjunkturprogramm leitet Neustart ein                  

Sie werde oft gefragt: „Wo soll das eigentlich hinführen?“, erzählt die Bundesumweltministerin. Diese „Stoßseufzer“ nehme sie ernst – deswegen sei sie in die Politik gegangen. „Ich wollte immer Dinge zum Besseren wenden. Das geht besser, wenn man Bilder im Kopf hat, wenn man weiß, wo man in der Zukunft hinwill.“

Solche Zukunftsbilder für Deutschland 2050 hat das Bundesumweltministerium in den letzten Monaten entwickelt; diese will die Ministerin jetzt in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellen. „Es sind Bilder von einem klimaneutralen Deutschland im Jahr 2050, ein Land, in dem es gerecht zugeht, es den Bürgerinnen und Bürgern gut geht, wir Antworten gefunden haben auf die Ängste und Sorgen der Menschen.“

Es geht Schulze darum, wie Wirtschaft, Arbeit und Lebensweise aussehen könnten, wenn die Gesellschaft Klima und Umwelt schützt und es dabei sozial gerecht zugeht. Ihr Ziel ist es, eine „breite gesellschaftliche Allianz für den sozialen und ökologischen Fortschritt aufzubauen“, betonte Schulze. Dafür gebe es bereits eine gute Grundlage, „denn wir fangen nicht bei null“ an.

Die Sozialdemokratin wies auf wichtige Entscheidungen hin, die die Bundesregierung bereits getroffen habe und nannte das Klimaschutzprogramm als Beispiel.  Und das beschlossene Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Corona-Krise leite einen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Neustart ein. „Der staatliche Anschub bietet die Chance, den Umbau hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zu beschleunigen.“

Zeitreise in das Jahr 2050

Zunächst waren die Visionen der Diskussionsteilnehmer gefragt. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds Reiner Hoffmann beantwortet die Gretchenfrage kurz und bündig: „Meine Vision besteht darin, dass wir den Spagat zwischen Klimawandel, guter Arbeit und sozialem Zusammenhalt in Europa gemeinsam geschafft haben.“ Industriearbeit in Europa habe auch künftig eine prägende Wirkung, zugleich werde die Daseinsvorsorge aufgewertet mit gut bezahlten Jobs, von denen alle leben könnten in einer intakten Umwelt.

Marion Tiemann von Greenpeace freut sich, endlich mal über positive Visionen sprechen zu können: „2050 haben wir Klimakrise und Artensterben überwunden und können uns mit anderen, schöneren Themen beschäftigen.“ Es gebe keine Notwendigkeit für Klimaschützinner*innen mehr. Deutschland wird nach Tiemanns Überzeugung dann schon lange klimaneutral sein. „Wir haben den Krieg mit der Natur beendet, verstehen uns als Teil der Natur“, malt sie aus. Sie vergisst dabei auch nicht, eine „sozial gerechtere Welt“ zu erwähnen. Die Umweltschützerin wird auch konkret, was die Umsetzung von Klimazielen angeht: Ab 2025 schon dürften keine neuen Diesel- und Benziner verkauft werden, wenn es nach ihr ginge.

Michael Ebling sieht nach Corona eine „neue Startlinie“. „Diese können wir besser steuern, indem wir jetzt in fortschrittliche Technologien, in Digitalisierung, in Klimaschutz, in den sozialen Zusammenhalt kräftig investieren“, fordert der Mainzer Rathauschef. Dadurch wird vielleicht möglich dass Klimaschutz und Wachstum kein Widerspruch sind, sondern ein Dreamteam, wenn man beides zusammen denkt, hofft Ebling.

Gewerkschafter Hoffmann wünscht sich in 30 Jahren eine Arbeitswelt, in der der Niedriglohnsektor überwunden ist, alle nach Tariflöhnen bezahlt werden – in einer klimaneutralen Wirtschaft. Um dahin zu kommen, müsse man in den kommenden zehn Jahren 450 Milliarden Euro investieren. Der DGB-Chef bekräftigte: „Wir müssen jetzt mutig sein.“

Städte werden grüner sein, mit offeneren Freiflächen, insgesamt mit mehr Lebensqualität, ist Ebling überzeugt. Und, das ist ihm als Chef des Verbandes kommunaler Unternehmen besonders wichtig, sieht er die Daseinsvorsorge weiter in den Händen der Kommunen. Insbesondere wird es künftig darum gehen, gute Mobilität organisieren, das Fahrradfahren und den Öffentlichen Personennahverkehr auszubauen; dieser muss dabei vor allem bezahlbar bleiben.

In dem 47-seitigen Positionspapier des BMU zur Dialogreihe werden neun Zukunftsbilder entworfen: Dabei geht es um Themen wie Industrie, Arbeit, Mobilität, Wohnen, Artenschutz und natürliche Ressourcen. Es beschreibt eine klimaneutrale Gesellschaft ohne fossile Energie und Atomkraftwerke. Svenja Schulze macht deutlich, dass es ihr nicht darum geht, „hier einen Baum zu pflanzen und dort ein Windkraftrad aufzustellen oder Pfleger*innen ein paar Euro mehr zu zahlen“. Sondern um mehr: eine grundlegende Erneuerung unserer Wirtschaft und Lebensweise. Dafür wünscht sich die Ministerin „noch mal ein Investitionspaket“: und fordert: „Wir brauchen noch mehr Geld, um schneller CO2-frei zu werden.“

Das Impulspapier kann hier heruntergeladen werden.

 

 

 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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