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Arbeitspflicht für Asylsuchende? Darum geht es in der Debatte

Im Saale-Orla-Kreis müssen Asylbewerber*innen arbeiten, sonst werden ihnen die Leistungen gekürzt. Rechtlich ist das bundesweit möglich, doch kaum eine Kommune macht davon Gebrauch.
von Carl-Friedrich Höck · 1. März 2024
Putzen oder Geld weg? Zu den „Arbeitsgelegenheiten” für Asylbewerber*innen gehören zum Beispiel Reinigungstätigkeiten in der Gemeinschaftsunterkunft. (Symbolfoto)

„1. Landrat verdonnert Flüchtlinge zu Arbeit“, titelte am Dienstag die BILD-Zeitung. Seitdem läuft in den Medien eine Debatte darüber, ob Asylbewerber*innen zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden sollten. Die DEMO beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was hat die aktuelle Debatte ausgelöst?

Der Kreistag im Saale-Orla-Kreis hat bereits im vergangenen Jahr beschlossen, sogenannte Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber*innen zu etablieren. Das wird nun umgesetzt. Wie Landrat Christian Herrgott (CDU) der FAZ berichtet, wurden 50 Asylsuchenden gemeinnützige Tätigkeiten zugewiesen: Sie sollen zum Beispiel ihre Gemeinschaftsunterkunft reinigen, Grünschnittarbeiten verrichten oder sich um den Winterdienst kümmern. Und zwar vier Stunden täglich. Bisher gehe es darum, dass die Menschen ihre eigene Einrichtung in Ordnung halten. „Aber wir wollen das weiter ausrollen, bei Vereinen, bei Kommunen, bei freien Trägern“, so der Landrat.

Für ihrer Tätigkeit erhalten die Asylbewerber*innen 80 Cent pro Stunde als Aufwandsentschädigung. Bei der Arbeitsgelegenheit handelt es sich in Wahrheit um eine Arbeitspflicht. Denn wer die zugewiesene Tätigkeit ablehnt, dem können die regulären Leistungen um 180 Euro gekürzt werden.

Was ist die Rechtslage?

Arbeitsgelegenheiten sind im § 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes geregelt. Auch die Höhe der Aufwandsentschädigung ist hier festgelegt. Dort heißt es: Arbeitsgelegenheiten sollen „insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden“. Und weiter: „Im Übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.“ Wer arbeitsfähig, aber nicht erwerbstätig ist und Asylbewerberleistungen bezieht, ist laut Gesetz „zur Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet“. Ausgenommen sind junge Leistungsbeziehende, für die noch die Schulpflicht gilt.

Gleichzeitig gilt: Asylbewerber*innen dürfen erst nach drei Monaten in Deutschland einen sozialversicherungspflichtigen Job aufnehmen. Wer in einer Aufnahmeeinrichtung lebt, für den gelten sogar noch längere Fristen.

Was fordert der Deutsche Landkreistag?

Was der Saale-Orla-Kreis umsetzt, findet Landkreistag-Präsident Reinhard Sager richtig. „Der Staat übernimmt die Versorgung der Asylbewerber und erwartet von ihnen im Gegenzug, dass sie gemeinnützige Arbeit übernehmen“, erklärte er in einer Mitteilung. Allerdings soll es nicht bei diesen 80-Cent-Jobs bleiben. Der Verband spricht sich auch dafür aus, dass Geflüchtete möglichst schnell in reguläre Arbeit vermittelt werden. „Asylbewerber sollten verpflichtet werden, zügig nach ihrer Ankunft eine zumutbare Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzunehmen“, meint Sager.

Was sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dazu?

Im Gespräch mit der BILD äußerte sich der Arbeitsminister zurückhaltend: „Dass die Kommunen Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten können, ist geltendes Recht. Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigen.“

Heils Fokus liegt darauf, Geflüchtete schneller in reguläre Arbeit zu bringen. Zu diesem Zweck hat er im vergangenen Oktober gemeinsam mit der Bundesarbeitsagentur einen „Job-Turbo“ gestartet. Dafür warb er auch am vergangenen Freitag auf einer Konferenz von sozialdemokratischen Kommunalpolitiker*innen: Arbeit sei die beste Form der Integration. Und auch die deutsche Sprache lerne man nicht nur in Kursen, „sondern vor allem während der Arbeit“.

Wie äußern sich andere Beteiligte in der Debatte?

„Die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten in Unterkünften ist schon seit Jahren rechtlich möglich, wird aber von den Kommunen eher zurückhaltend genutzt“, berichtete Andrea Nahles, die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit.

Skeptisch äußerte sich auch André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. „Um mehr Asylbewerber in Arbeit zu vermitteln, ist eine Arbeitspflicht weder nötig noch zielführend“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Wenn angemahnt werde, dass zu wenige Geflüchtete arbeiten, müsse der erste logische Schritt sein, Asylverfahren beschleunigt zu einem Abschluss zu bringen. „Auch kann es eine Chance sein, die Beschäftigungsmöglichkeiten schon im laufenden Verfahren zu eröffnen, wenn die vorläufige Prüfung ein Recht auf Asyl erwarten lässt.“

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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