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Automatisierter Mängelmelder

Duisburg macht große Schritte bei der Nutzung künstlicher Intelligenz. Die Mitarbeitenden-Kultur ändert sich ebenfalls.
von Ulf Buschmann · 30. Mai 2024
Müllablagerungen auf der Straße können in Duisburg ganz einfach an die zuständige Stelle gemeldet werden. Die Mängelmelder-App der Wirtschaftsbetriebe nutzt dafür Künstliche Intelligenz.

Irgendwo im Stadtgebiet laufen die Mülleimer über – der Unrat verteilt sich gleichmäßig auf der Straße. Diesen Zustand mag ein Mensch ganz und gar nicht. Er zückt das Mobiltelefon, macht ein Foto und schickt es über die Mängelmelder-App an die Wirtschaftsbetriebe der Stadt. Dort nimmt kein Mensch die elektronische Post entgegen – es ist eine Künstliche Intelligenz (KI). Diese leitet den Vorgang an die verantwortliche Stelle der Verwaltung oder des Abfallwirtschaftbetriebs weiter. Denn: Die KI erkennt, was da zu sehen ist, und kann den Ort identifizieren. Der ­Bürger muss die Angaben lediglich bestätigen. Dadurch und natürlich aufgrund der ­Programmierung lernt die KI selbst ­immer mehr.

Angesichts der bekannten Defizite der Kommunen bei der Digitalisierung könnte mancher jetzt denken: So etwas gibt es im kleinen Estland, dessen öffentliche Dienstleistungen nahezu komplett automatisiert sind. Doch nichts dergleichen: Die KI-Nutzung in Sachen Mängelmelder ist ein Projekt der Stadt Duisburg; und es ist nicht das erste, wie der verantwortliche Stadtdirektor und Digitalisierungsdezernent Martin ­Murrack erklärt.

Die Stadt experimentiert mit KI

Die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern ist ein weiterer Schritt, den die Stadt mit ihren gut 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bei der Digitalisierung geht. Seit sechs Jahren laufe dieser Prozess, so Murrack. Damals habe das alles auf Dezernatsebene begonnen. Vor viereinhalb Jahren, also kurz vor Beginn der Corona-Pandemie, hätten die kommunalen Wirtschaftsbetriebe mit ersten Experimenten in Sachen KI angefangen.

Laut Murrack hat Duisburg die „GPT-Welle“ im vergangenen Jahr genutzt, um „ein kleines Projekt“ anzuschieben. Konkret: Der von OpenAI entwickelte Chatbot sollte die Abläufe, die Arbeit und nicht zuletzt die Kommunikation für die Mitarbeitenden erleichtern, indem sie auf programmierte Textbausteine im Schriftverkehr oder auch für Reden zugreifen können. Allerdings sei dies leichter gesagt als getan, schränkt Murrack ein: „Das Problem sind die Quellen bei GPT.“ Sie seien nämlich weitgehend unbekannt. Deshalb haben die Fachleute der Stadt ein internes GPT für ihre Zwecke gebaut. Dafür gibt es eine Sicherheit, die der Digitalisierungsdezernent so umschreibt: „Der Kollege Mensch muss immer noch einmal draufschauen.“

Ungleich größer ist das Projekt, das sich stadtintern „implementierter Mängelmelder“ nennt. Dass die KI-basierten Meldungen und Bearbeitungen über die App der Wirtschaftsbetriebe laufe, soll laut Murrack im Laufe des Jahres der Vergangenheit angehören – allerdings nicht, weil es ein Misserfolg ist. Vielmehr arbeiten die Spezialisten der Kommune daran, dass das System in die städtische Duisburg-App integriert wird. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeute dies, dass sie nicht mehr mehrere Apps benötigen, sondern alles mit einem Tipp erledigen können, freut sich der Digitalisierungsdezernent.

Gerade in Sachen Mängelmelder soll es bleiben wie gehabt: Die Menschen melden beispielsweise herumliegenden Müll, senden das Foto an die Stadt, die KI erkennt die Art des Mangels sowie den Ort und leitet es intern an die entsprechende Stelle des kommunalen Konzerns weiter. Der Bürger muss nur noch die An- und Eingaben bestätigen.

Murrack nennt zwei weitere Projekte, bei denen die Nutzung von Künstlicher Intelligenz eine wichtige Rolle spielt: die vollautomatisierte Bearbeitung des Rechnungseingangs und die Programmierung einer Voicebox für das kommunale Callcenter. Wer in diesem Bereich beispielsweise seinen Personalausweis verlängern oder neu beantragen muss oder einen Reisepass benötigt, kann dieses standardisierte Verwaltungsverfahren über eine KI erledigen. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter programmieren das gerade“, sagt Murrack nicht ohne Stolz.

Kulturwandel in Verwaltung

Die Einführung von KI sei indes nicht nur eine technische Frage, hebt der Stadtdirektor hervor. Vielmehr sei es notwendig, den Umgang mit den Mitarbeitenden und Abläufe quasi auf den Kopf zu stellen – von Top-down hin zu Bottom-up – beziehungsweise Teams zu etablieren, deren Mitglieder Spaß an der Umsetzung haben und die dabei „alle Freiheiten haben“, erklärt Murrack: „Die Leute müssen sich erst melden, wenn die projektierte Zeit nicht ausreicht oder das jeweilige Team nicht weiterkommt.“

Was ebenfalls wichtig ist: Die Teams ­seien nicht einzelnen Dezernaten zugeordnet und arbeiten verwaltungsübergreifend mit den städtischen Gesellschaften zusammen. Murrack sieht die Kommune gut aufgestellt – nicht nur bei der Digitalisierung, sondern gerade auch bei der verantwortungsvollen Nutzung der Möglichkeiten, die die KI bietet. „Wir haben viele kleine, gute Piloten auf den Weg gebracht“, sagt Murrack.

Autor*in
Ulf Buschmann

Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.

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