Bau-Turbo: Wie Verena Hubertz den Wohnungsbau in Fahrt bringen will
Planungsverfahren dauern zu lange, meint die Bundesregierung. Deshalb hat das Kabinett einen „Bau-Turbo“ beschlossen. Die Idee: Kommunen sollen neue Wohnungen schneller und unkomplizierter genehmigen können.
Carl-Friedrich Höck
Finanzminister Klingbeil und Bauministerin Verena Hubertz (v. l.) stellten den Bau-Turbo vor und informierten sich über das Neubauvorhaben Köpenicker Straße in Berlin.
Einen symbolträchtigen Ort haben Bundesbauministerin Verena Hubertz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil ausgewählt, um die Nachricht zu verkünden. Die beiden SPD-Politiker begaben sich nach der Kabinettssitzung für einen Pressetermin zu einer Großbaustelle in Berlin-Kreuzberg. Im Schatten von Gerüsten und Kränen erklärte die Bauministerin: „Wir zünden heute den Bau-Turbo.“ Und ergänzte: „Wir können jetzt da schneller bauen, wo wir dringend Wohnraum brauchen.“
Der Bau-Turbo ist Teil eines „Gesetzentwurfs zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und der Wohnraumsicherung“. Die Bundesregierung will es ermöglichen, von den bisher geltenden Vorschriften des Planungsrechts abzuweichen – sofern die Gemeinde dem zustimmt. Wenn das Gesetz so kommt, können Kommunen künftig zum Beispiel darauf verzichten, für ein Bauvorhaben eigens einen Bebauungsplan aufzustellen.
Bau-Turbo soll Planungszeit drastisch verkürzen
In einer durchschnittlichen deutschen Großstadt dauere ein Bebauungsplanverfahren schon mal fünf Jahre, führte Hubertz aus. „Wir werden aus den fünf Jahren jetzt zwei Monate machen.“ Schnell, aber nicht kopflos solle entschieden werden, forderte die Ministerin.
Der Gesetzentwurf sieht vor, den Bau-Turbo bis Ende 2030 zu befristen. Im Kern geht es darum schneller neue Wohnungen zu schaffen: durch Neubau, die Erweiterung bestehender Gebäude oder die Nutzungsänderung eines Gebäudes zu Wohnzwecken. Der Turbo gelte aber auch für soziale Infrastruktur, betonte die Bauministerin: „Die Kitas, die Schulen und das Theater dürfen jetzt auch schneller gebaut werden.“
Neben dem Bau-Turbo enthält der Gesetzentwurf eine Reihe weiterer Maßnahmen. Zum Beispiel will die Regierung erlauben, dass im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr Wohnungen entstehen, als der Plan eigentlich vorsieht. Das würde den Weg frei machen für Anbauten, Aufstockung oder Bauen in der zweiten Reihe. Auch soll der Paragraf 34 im Baugesetzbuch erweitert werden. Er regelt, dass in unbeplanten Innenbereichen Bauvorhaben zulässig sind, wenn der Neubau sich „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“. In Zukunft sollen neue Wohngebäude sogar dort errichtet werden können, wo sie sich nicht in den Bebauungszusammenhang einfügen.
Umwandlungsschutz für Mietwohnungen bleibt
Der Umwandlungsschutz wird um fünf Jahre verlängert. Er regelt, dass Mietwohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt nicht ohne Weiteres zu Eigentumswohnungen gemacht werden können. Nach bisheriger Rechtslage würde der Schutz Ende 2025 auslaufen. Ebenfalls verlängert wird die Möglichkeit für Bundesländer, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt auszuweisen. In diesen Gebieten haben Kommunen erweiterte Möglichkeiten, steuernd in die Entwicklung des Wohnungsmarktes einzugreifen – etwa durch die Anwendung von Vorkaufsrechten oder Baugeboten.
Darüber hinaus will die Bundesregierung Neubauvorhaben im Außenbereich (also außerhalb von zusammenhängend bebauten Ortsteilen oder Gebieten mit Bebauungsplan) erleichtern. Lärmschutzvorgaben will die schwarz-rote Koalition etwas lockern, um den Weg für mehr Wohnungsbau in der Nähe von Gewerbebetrieben zu ebnen.
Gleichzeitig verspricht die Bundesregierung, dass die Themen Lärmschutz und Umweltschutz nicht unter die Räder kommen sollen. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) lobte in einem schriftlich verschickten Statement ausdrücklich „gutes Teamwork mit Verena Hubertz“ und sprach von einer guten, schnellen und pragmatischen Einigung.
Gesetz soll Kommunen entlasten
Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD) bezeichnete den Kabinettsbeschluss beim Pressetermin als wichtigen Schritt, auf den die Landesbauminister*innen schon lange warteten. Es gehe nicht darum, Mitbestimmung oder Transparenz auszuheben. Sondern man wolle unnötige Schleifen, lange Prozesse und Bürokratie abschneiden. Bauministerin Hubertz hofft, dass das Gesetz die Wirtschaft, Bürger*innen und Kommunen entlasten wird. 2,5 Milliarden Euro jährlich werde man damit einsparen, prognostizierte sie.
Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil versprach: „Wir werden als Bundesregierung massiv in den Bau neuer Wohnungen investieren.“ Mit dem 500-Milliarden-Sondervermögen habe man die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. An vielen Küchentischen im Land werde über die Frage geredet, ob man sich die eigene Wohnung noch leisten oder sich den Traum vom Eigenheim erfüllen könne. „Es ist unsere Aufgabe als Politik, die Alltagssorgen der Menschen anzupacken“, unterstrich Klingbeil.
Bei der Baustelle hinter ihm handelte es sich um ein Projekt der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WBM. Auf einer ehemaligen Parkplatzfläche will sie ein gemischtes Quartier mit 102 Wohnungen und 24 Gewerbeeinheiten errichten. WBM-Geschäftsführer Lars Dormeyer rechnete vor: Von der ersten Analyse bis zur Vermietung der Wohnung werde man, wenn es soweit ist, fast zwölf Jahre gearbeitet haben. Die reine Bauzeit betrage nicht mehr als zweieinhalb Jahre. Wenn es nach Dormeyer geht, darf die Planung in Zukunft deutlich schneller gehen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.