Bauministerin Klara Geywitz: „Wir müssen deutlich mehr investieren.“
Dieses Interview ist zuerst in der vorwärts-Ausgabe 1/2022 erschienenen.
Frau Geywitz, in ihrem Profil im Kurznachrichtendienst „Twitter“ steht die Selbstbeschreibung: „Kümmert sich um das Zuhause“. Ist das Ihr Selbstverständnis als Bundesbauministerin?
Der Satz ist für mich der Ausdruck, dass es in meiner neuen Aufgabe nicht nur um Beton geht, nicht nur um Häuser, die gebaut werden. Die eigene Wohnung ist für viele ein wichtiger, emotionaler Ort. Für viele ist es auch ein Verlust, wenn sie ihre eigene Wohnung nicht mehr bezahlen können. Deswegen „Zuhause“ als eine emotionalere Beschreibung für Wohnraum.
Ziel der Bundesregierung ist es, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. 2020 waren es nur rund 300.000. Wie lässt sich diese Lücke schließen?
Es gibt mehrere limitierende Faktoren: Der eine ist der Boden. Gerade in großen Städten wie Berlin, Hamburg oder München ist die Frage: Wo kann man denn überhaupt noch bauen? Der zweite Faktor ist der Fachkräftemangel. Und dann schließlich das Baumaterial: Mir ist wichtig, dass man beim Bauen nicht nur an Beton denkt, sondern auch an nachwachsende Baustoffe wie zum Beispiel Holz. Noch im Frühjahr werde ich das von Barbara Hendricks gegründete Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen zusammenrufen, um mit allen Akteuren darüber zu sprechen, wie wir die Bau-Kapazitäten ausweiten können.
Die Länder überbieten sich bereits mit Bauplänen. Muss am Ende vielleicht sogar eine Grenze gezogen werden, um den Flächenverbrauch zu begrenzen?
Als Bauministerin werde ich niemandem verbieten, zu bauen. Aber wir wollen es auch leichter machen, den Bestand umzunutzen, zum Beispiel indem aus nicht mehr genutzten Büroflächen Wohnungen entstehen können oder dass im Bestand einfacher verdichtet werden kann.
Die Kosten für Boden, Material und Fachkräfte steigen zurzeit deutlich. Ist der Traum vom Eigenheim bald nur noch für Menschen mit Millionen auf dem Konto zu erfüllen?
Mein Ziel ist, die Eigentumsförderung intelligenter anzulegen, als es bisher mit dem Baukindergeld der CSU der Fall war. Wir brauchen schlauere Antworten mit Blick auf die Fläche, als dass jede neue Generation neue Einfamilienhäuser baut und so die Zersiedelung vorantreibt. Es wurden seit den 50er Jahren Hunderttausende Einfamilienhäuser gebaut. Darin wohnen heute häufig aber nur noch eine oder zwei Personen. Für diese Menschen brauchen wir eher mehr barrierefreie Wohnungen. Und in die Häuser kann dann die nächste Generation junger Familien einziehen. Solche Aspekte möchte ich fördern, damit junge Familien einen größeren Anreiz haben, sich ältere Häuser zu kaufen und diese zu neuem Leben zu erwecken.
Trotzdem muss weiter gebaut werden und das wird teurer als noch vor einigen Jahren. Ist das schon in die Pläne der Bundesregierung eingepreist?
Wir müssen als Staat in jedem Fall deutlich mehr investieren, wenn wir die 400.000 Wohnungen pro Jahr erreichen wollen. Viele Menschen sind auf preiswerten Wohnraum angewiesen. Insbesondere im Bereich des sozialen Wohnungsbaus müssen wir wesentlich mehr Geld ausgeben als in der Vergangenheit. Das ist ein wichtiges, sozialdemokratisches Anliegen. Man kann aktuell aber nicht für eine Miete von 6,50 Euro pro Quadratmeter bauen. Da muss der Staat unterstützen.
Wie kann diese Unterstützung konkret aussehen?
Wir sollten vor allem den klassischen sozialen Wohnungsbau stärker fördern. Der Bund zahlt den Ländern Zuschüsse zu den Investitionskosten und die werden kommunal eingesetzt, um neuen Wohnraum mit Sozialbindung zu schaffen. Ich möchte, dass wir die Trendumkehr schaffen, dass es in Zukunft nicht weniger, sondern endlich wieder mehr Sozialwohnungen gibt. Dafür wollen wir auch eine neue Form der Gemeinnützigkeit schaffen. Die gab es in Deutschland schon einmal. Daran lässt sich gut anknüpfen.
Sie haben zuletzt auch immer wieder über „serielles Bauen“ gesprochen, um schnell und günstig viel Wohnraum zu schaffen. Erlebt jetzt der Plattenbau eine Renaissance?
Nein. Serielles Bauen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt. Heute sieht nicht mehr alles gleich aus und muss nicht zwingend aus Beton sein. Vieles lässt sich individuell gestalten. Mit seriellem Bauen kann ein Großteil der Herstellung eines Gebäudes aus den Innenstadtlagen herausgeholt werden. Gerade wenn wir in urbanen Zentren nachverdichten wollen, ist es eine große Frage, wie lange Nachbarn zum Beispiel unter einer Baustelle leiden müssen. Außerdem wollen wir eine Kreislaufwirtschaft aufbauen, also möglichst viel Material, das wir jetzt verbauen, später wieder recyceln. Die Modulbauweise kann dabei helfen, die Recycling-Quote deutlich zu erhöhen.
Schnell und günstig, aber gleichzeitig klimafreundlich bauen – geht das?
Es darf jedenfalls nicht die sozialdemokratische Antwort sein: Im sozialen Wohnungsbau muss es schön billig sein, egal wie die Wohnbedingungen dann hinterher aussehen. Wenn wir heute neu bauen, dann ist das auch Wohnraum für nachfolgende Generationen. Da müssen wir den Klimawandel mitdenken, Starkregen-Ereignisse etwa oder Hitzeperioden. Wir können aber auch andere Baumaterialien verwenden, Bedingungen für Mieterstrom vereinfachen. Und wir diskutieren gerade mit dem Justiz- und dem Wirtschaftsministerium, wie wir die CO2-Umlage zwischen Vermieter und Mieter neu gestalten, um Mieter zu entlasten, die in schlecht isolierten Wohnungen leben. Und andersrum Vermieter belohnen, die in Energieeffizienz investiert haben.
Der Wohnungssektor hat 2020 als einziger die Klimaziele der Bundesregierung verfehlt. Wie wollen Sie dafür sorgen, die Vorgaben wieder einzuhalten?
Die energetische Gebäudesanierung muss auch künftig gefördert werden, auch wenn das nicht in den Bereich meines Ministeriums fällt. Entscheidend wird sein, den Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Es geht nicht nur darum, wie viel Energie ein Gebäude im Betrieb verbraucht, sondern wie viel Energie schon im Gebäude steckt und wie viel CO2 entstanden ist, um die Baumaterialien herzustellen. Das soll am Ende ein Anreiz sein, mehr mit regenerativen Materialien zu arbeiten. Entscheidend wird aber sein, beim Heizen auf klimafreundliche Möglichkeiten zu setzen. Das ist aber noch ein längerer Weg.
Kurzfristig ächzen Mieter unter steigenden Energiekosten und steigenden Mieten. Was will die Bundesregierung dagegen tun?
Wir haben bereits das Wohngeld gestärkt und dynamisiert, sodass es jetzt regelmäßig angepasst wird. Und das erste Gesetz aus meinem Haus war ja der einmalige Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger in Höhe von 135 Euro im Januar. Gemeinsam mit der Bildungsministerin und dem Arbeitsminister haben wir das Paket noch auf die Empfänger von BAföG, Aufstiegs-BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld erweitert. Im Koalitionsvertrag ist zudem vereinbart, dass wir die Kappungsgrenze in angespannten Märkten absenken. Die Miete darf dort dann innerhalb von drei Jahren höchstens um elf Prozent steigen. Das muss jetzt zügig angepackt werden. Ebenso soll die Mietpreisbremse verlängert werden. Als Bauministerium wollen wir zudem schnellstmöglich das kommunale Vorkaufsrecht neu aufsetzen. Darauf warten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sehr viele Bürgermeister.
Mehr Informationen:
Knapp fünf Milliarden Euro sieht der Etat für Wohnen und Bauwesen vor, den der Bundestag an diesem Dienstag erstmalig berät. Wofür das Geld ausgegeben werden soll, ist auf bundestag.de zusammengefasst.
Dirk Bleicker
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Der studierte Politikwissenschaftler twittert unter @kai_doering.