Bentele hofft auf Nachbesserungen beim Bundesteilhabegesetz
Ziel des Gesetzes ist es einerseits, Menschen mit Behinderung bessere Teilhabechancen am täglichen Leben zu ermöglichen – etwa in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt und in der Freizeit. Andererseits sollen die Kommunen als Kostenträger der Eingliederungshilfe nicht zusätzlich belastet werden.
Kommunalverbände bezweifeln allerdings, dass das zweite Versprechen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eingehalten werden kann. „Stattdessen kommen auf die Kommunen als Kostenträger der Eingliederungshilfe, d. R. mutmaßlich deutlich höhere Aufwendungen zu“, heißt es in einem Positionspapier der sozialdemokratischen Gemeinschaft für Sozialpolitik (Bundes-SGK). Denn neue Leistungen könnten von mehr Menschen in Anspruch genommen werden, was höhere Kosten verursache. Zweitens steige der Verwaltungs- und Kontrollaufwand, die Kommunen müssten also mehr Personal einstellen.
Bundes-SGK: Inklusion ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Die Zielrichtung des Gesetzes wird von dem sozialdemokratischen Kommunalverband grundsätzlich begrüßt. „Inklusion muss im Alltag lebbar sein“, fordert er in dem Positionspapier. „Teilhaberechte sind Menschenrechte, ihre Gewährung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht lediglich kommunale Verantwortung.“
Damit die Kosten für die Kommunen nicht zu stark ansteigen, sollen Träger der Eingliederungshilfe Leistungen „poolen“ dürfen – das bedeutet zum Beispiel, dass sich mehrere Leistungsberechtigte einen Assistenten teilen. Auch die vorgesehene Trennung von Fachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt – letztere werden vom Bund finanziert – könnte die Städte und Gemeinden entlasten.
Behindertenbeauftragte gegen Pooling-Pflicht
Gerade diese Punkte sind aber auch umstritten, Behindertenverbände fürchten neue Bevormundungen. Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Verena Bentele betont gegenüber der DEMO: „Auch in Zukunft muss es möglich sein, dass Menschen mit Behinderungen selbstständig leben und nicht mit anderen gemeinschaftlich ihre Assistenz in Anspruch nehmen müssen.“ Dafür werde sie sich im parlamentarischen Verfahren einsetzen. Auch dürfe am Ende niemand weniger Leistungen erhalten als heute. „Das heißt auch, dass niemand wegen seiner Behinderung ausschließlich Pflegeleistungen und keine Teilhabeleistungen erhalten darf“, sagte Bentele.
Die Behindertenbeauftragte fordert, dass die „berechtigten Wünsche des Betroffenen Berücksichtigung finden müssen bei der Ermittlung des individuellen Bedarfs“. Da zukünftig in mindestens fünf von neun Lebensbereichen eine Einschränkung vorliegen muss, damit Leistungen bezahlt werden, befürchteten hier viele Verbände eine Einschränkung, sagt Bentele. Um dies zu vermeiden fordert sie ein verbindliches Monitoring: Eine systematische Beobachtung und Auswertung der Daten in den nächsten Jahren sei unabdingbar.
Bundesteilhabegesetz soll im Dezember beschlossen werden
Einen Evaluationsauftrag und eine „Revisionsklausel“ will auch die Bundes-SGK in das Gesetz aufnehmen. Nur so könne überprüft werden, wie sich die Änderungen tatsächlich auswirken, und abgesichert werden, dass der Bund die entstehenden Mehraufwendungen übernimmt.
Den vorliegenden Entwurf für das Bundesteilhabegesetz hat die Bundesregierung am 28. Juni beschlossen. Der Zeitplan sieht vor, dass der Bundestag das Gesetz im Dezember verabschiedet, damit es zum 1. Januar 2017 in Kraft treten kann. Dem Bundestag zugeleitet und in der Folge beraten wird es nach Informationen des BMAS nach der Sommerpause im September.
Gegenwärtig beziehen rund 900.000 Menschen Leistungen aus der Eingliederungshilfe. Die Kosten für Länder und Kommunen belaufen sich laut Bundes-SGK auf rund 14 Milliarden Euro. Ohne gesetzliche Änderungen müsse bis 2020 mit einer weiteren Steigerung um 4,3 Milliarden Euro gerechnet werden, schätzt die Bundes-SGK.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.