Bertelsmann-Stiftung: Kommunen fehlt das Geld für Nachhaltigkeit
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Von den Kommunen wird viel erwartet: Sie sollen die Verkehrswende vorantreiben und die Energie- und Wärmeversorgung nachhaltiger machen. Trotz Klimakrise muss die Wasserversorgung gesichert werden. Städte sollen „hitzefest“ werden und mehr Grünflächen erhalten. Dazu kommt eine Mitverantwortung für den Zusammenhalt: Die Gemeinden müssen dazu beitragen, dass Menschen mit geringen Einkommen nicht vom Rest der Gesellschaft abgehängt werden. All das kostet Geld und macht hohe Investitionen notwendig. Doch dafür fehlen oft die Mittel.
Zu diesem Schluss kommt der Kommunale Finanzreport 2023 der Bertelsmann-Stiftung. Sie teilt mit: „In den meisten Kommunen ist das finanzielle Fundament schwach. Sie werden ihre wichtige Aufgabe der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit voraussichtlich nicht erfüllen können.“
Der Schein trügt
Dabei sieht die Finanzlage der deutschen Kommunen auf den ersten Blick gut aus. Im Jahr 2022 haben sie einen Haushaltsüberschuss von 2,4 Milliarden Euro verzeichnet. Trotzdem kommt die Stiftung zu einer düsteren Prognose. Das hat drei Gründe.
Erstens: Der scheinbare Wohlstand steht auf wackeligen Füßen. Das positive Finanzierungssaldo sei vor allem ein Resultat guter Konjunktur und hoher finanzieller Transfers vom Bund, kommentiert die Bertelsmann-Stiftung. Der Überschuss sei schon 2022 nur noch halb so groß gewesen wie im Vorjahr. Für die kommenden Jahre trübe sich der Ausblick ein. Aktuell schwächelt die Wirtschaft und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) setzt auf einen Sparkurs.
Zweitens: Längst nicht alle Kommunen erwirtschaften Überschüsse. Nur in sieben Bundesländern war der Finanzierungssaldo positiv, in sechs Ländern jedoch negativ. Große Unterschiede zeigen sich auch bei den Steuereinnahmen: Hessische Kommunen verbuchen pro Einwohner*in doppelt so hohe Einnahmen wie die Kommunen in Mecklenburg. „Das Aufkommen der Gemeindesteuern resultiert fast ausschließlich aus der Wirtschaftsstruktur“, erklärt René Geißler, Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der TH Wildau. „Ein Aufholen der schwachen Kommunen ist kaum möglich.“ Geißler gehört zu den Autor*innen des Finanzreports.
Hohe Investitionen nötig
Drittens: Der Überschuss aus dem vergangenen Jahr wirkt geradezu mickrig, wenn man ihn ins Verhältnis zu den Zukunftsaufgaben der Kommunen setzt. Zwar haben die Kommunen ihre Investitionen in den vergangenen Jahren deutlich hochgefahren und 2022 mit 41 Milliarden Euro ein neues Rekordhoch erreicht. Doch gleichzeitig ist der kommunale Investitionsrückstand weiter gewachsen. Er beträgt nun 166 Milliarden Euro. Die hohe Inflation frisst Mehreinnahmen schnell wieder auf und macht geplante Projekte teurer.
Wenigstens eine gute Nachricht enthält der Finanzreport: Die Kassenkredite der Kommunen sind gesunken. Im Jahr 2015 summierten sie sich noch auf 50 Milliarden Euro, 2022 waren es nur noch 28 Milliarden. Das liege an der guten Konjunktur in den vergangenen Jahren und an Umschuldungsprogrammen einiger Bundesländer, heißt es im Report. Große Probleme gibt es noch in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Hier kämpfen weiterhin Kommunen mit hohen Kassenkrediten, die oft mit hohen Sozialausgaben und Steuersätzen sowie niedrigen Investitionen einhergehen – ein Teufelskreislauf, aus dem die betroffenen Kommunen aus eigener Kraft nicht herausfinden.
Bund und Länder müssten dafür sorgen, dass die finanzielle Basis der Kommunen nicht weiter erodiert, meint Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann-Stiftung. „Mit ihrem verfügbaren Ausgabevolumen von 335 Milliarden Euro Gesamtausgaben pro Jahr sind Kommunen dennoch wichtige Akteure für mehr Nachhaltigkeit.“ Ohne Kommunen werde die Nachhaltigkeitswende in Deutschland nicht gelingen.
Kommunaler Finanzreport 2023:
bertelsmann-stiftung.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.